Russischer Raketenangriff

Video beweist: Einkaufszentrum in Krementschuk direkt getroffen

30.6.2022, 17:09 (CEST)

Immer wieder stellt Russland im Ukraine-Krieg falsche Behauptungen auf: Die neueste betrifft das Einkaufszentrum in Krementschuk, das nicht direkt von einer Rakete getroffen worden sein soll.

Rund um den Raketenangriff auf die ukrainische Stadt Krementschuk mit mindestens 20 Toten fällt Russlands Propaganda mit mehreren Behauptungen auf, die sich auch in den sozialen Netzwerken verbreiten (archiviert). Eine davon lautet: Das zerstörte Einkaufszentrum sei nicht direkt von einer Rakete getroffen worden. Russische Luft-Boden-Raketen hätten ein Waffenlager auf einem Fabrikgelände getroffen - dann sei das Feuer übergesprungen.

Bewertung

Falsch. Ein von der ukrainischen Seite veröffentlichtes Video einer Überwachungskamera zeigt, dass das Einkaufszentrum direkt von einer Rakete getroffen wurde.

Fakten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in der Nacht zu Mittwoch ein Video veröffentlicht, das den Einschlag einer Rakete in Krementschuk am Montagnachmittag (27. Juni) zeigt. Zu sehen sind das Gelände einer Fabrik und im Hintergrund Teile der nördlichen Fassade des benachbarten Einkaufszentrums. Auch die Rakete ist im Flug klar zu erkennen. Mit dem Einschlag kommt es zu einer Explosion.

Das Video lässt sich über Vergleiche mit Satellitenbildern und Online-Kartendiensten eindeutig verorten: Zu sehen ist die Grundstücksgrenze zwischen dem Fabrikgelände und dem Einkaufszentrum in Krementschuk. Details aus dem Video finden sich auf Satellitenbildern bei Google Maps und auf Straßenaufnahmen des russischen Kartendienstes Yandex wieder: Auf dem Firmengelände sind das ein Kontrollturm, ein Lichtmast und ein Portalkran. Hinter den Bäumen an der Grundstücksgrenze ist ein Teil der gelb gestrichenen nördlichen Fassade des Einkaufszentrums zu sehen.

Das Video zeigt, wie die Rakete direkt im oder unmittelbar am Einkaufszentrum einschlägt. Auf einer Drohnenaufnahme vom Folgetag erkennt man: Das Einkaufszentrum ist zerstört. Auf dem benachbarten Grundstück sind dagegen keine Einschlagsspuren zu sehen - lediglich einige Trümmerteile.

Russische Offizielle hatten etwas anderes behauptet: «Hochpräzisionsraketen» hätten Fabrikhallen getroffen, in denen Waffen und Munition gelagert hätten, so Armeesprecher Igor Konaschenkow. Erst danach soll das benachbarte Einkaufszentrum in Brand geraten sein. Ähnlich äußerte sich Außenminister Sergej Lawrow.

Das Überwachungsvideo widerlegt diese Behauptungen. Zwar ist unklar, ob weitere russische Raketen auf dem Fabrikgelände tatsächlich Waffenlager zerstört haben. Weitere Videos aus einem angrenzenden Park legen nahe, dass auch Fabrikgebäude getroffen wurden. Doch das Video vom Fabrikgelände zeigt eindeutig, dass das Einkaufszentrum nicht durch überspringendes Feuer, sondern direkt durch eine Rakete zerstört wurde.

Selenskyj selbst hatte in seiner Videobotschaft von einem gezielten Angriff Russlands auf das zivile Objekt gesprochen. Nach Einschätzung britischer Geheimdienste könnte es sich bei dem Treffer hingegen schlicht um ein Versehen gehandelt haben. Moskaus Angriffe mit Langstreckenraketen seien bereits in der Vergangenheit ungenau gewesen.

Das russische Verteidigungsministerium hatte am Dienstag zudem behauptet, das Einkaufszentrum sei nicht mehr in Betrieb gewesen. Doch Social-Media-Einträge von Geschäften aus den Tagen zuvor hatten auch das widerlegt.

Schon in den vergangenen Monaten hatten Vertreter Russlands mehrfach nachweislich falsche Behauptungen im Zusammenhang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen verbreitet. Das betraf unter anderem in der Region Kiew getötete Zivilisten, einen Raketenangriff auf den Bahnhof der Stadt Kramatorsk und den Beschuss einer Geburtsklinik in der Stadt Mariupol.

(Stand: 30.6.2022)

Links

Videobotschaft von Selenskyj mit Video der Überwachungskamera (28.6.2022) (archiviert)

Nur Überwachungsvideo via «Kyiv Independent» (archiviert; archiviertes Video)

Ort der Aufnahme bei Google Maps (archiviert)

Außenansicht des Fabrikgeländes beim Kartendienst Yandex (archiviert)

Drohnenaufnahme vom Tag nach dem Einschlag (archiviert)

dpa-Meldung mit Äußerungen russischer Offizieller (28.6.2022) (archiviert)

Bericht des Recherchenetzwerks Bellingcat mit weiteren Videos aus angrenzendem Park (29.6.2022) (archiviert)

Standort des Parks bei Google Maps (archiviert)

Einschätzungen des britischen Verteidigungsministeriums (29.6.2022) (archiviert)

Weiterer dpa-Faktencheck zum Einkaufszentrum (28.6.2022)

dpa-Faktencheck zu Leichenfunden in Butscha (6.4.2022)

dpa-Faktencheck zu Angriff auf Bahnhof von Kramatorsk (19.4.2022)

dpa-Faktencheck zur Geburtsklinik in Mariupol (15.3.2022)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.