Sterblichkeit im Corona-Jahr 2020 höher als üblich

18.01.2022, 17:29 (CET)

Die Omikron-Welle hat Deutschland im Januar 2022 fest im Griff, die Corona-Inzidenz erreicht Rekordwerte. Doch noch immer versuchen Gegner der Maßnahmen, die Pandemie herunterzuspielen. Unter anderem wird in einem Blogbeitrag behauptet, die Sterblichkeit im Jahr 2020 sei die zweitgeringste seit 30 Jahren gewesen. Weiter behauptet der Autor, dass so gut wie alle Corona-Toten mindestens 80 Jahre alt gewesen seien, dass das Coronavirus bis heute nicht nachgewiesen sei und die Corona-Impfungen sehr viele Todesopfer fordere. Halten diese Behauptungen einer Überprüfung stand?

Bewertung

Die Behauptungen sind falsch. Die Übersterblichkeit für das Jahr 2020 ist statistisch belegt, auch viele jüngere Menschen starben an einer Corona-Infektion. Außerdem wurde das Coronavirus Sars-CoV-2 mehrfach isoliert und nachgewiesen. Es gibt kaum bestätigte Todesfälle in Zusammenhang mit der Corona-Impfung.

Fakten

Übersterblichkeit 2020 bestätigt

Das Statistische Bundesamt bestätigt eine coronabedingte Übersterblichkeit für das Jahr 2020. Der Anstieg sei nicht allein durch die Alterung der Bevölkerung zu erklären, heißt es, sondern «maßgeblich durch die Pandemie beeinflusst». Das bestätigt sich auch bei der Unterscheidung der Todeszahlen nach Altersgruppen: In den ersten beiden Corona-Wellen (ab Anfang April 2020 und ab Mitte Oktober 2020) gibt es in allen Altersgruppen erhöhte Werte der Sterblichkeit. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt in seinen Berechnungen und Beurteilungen sowohl die Alterung der Gesellschaft als auch die steigende Lebenserwartung, die Bevölkerungsentwicklung und die Auswirkungen besonders geburtenstarker Jahrgänge auf die Sterbezahlen.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass durch die teilweise sehr strengen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Jahr 2020 weniger Menschen durch Verkehrsunfälle oder die Grippewelle starben, was sich auch auf die Sterberaten und -zahlen auswirkt.

Zum Höhepunkt der Corona-Welle im Winter 2020/2021 waren die Sterbefallzahlen laut statistischer Auswertung auch bei den Menschen unter 65 Jahren um bis zu 15 Prozent erhöht. Außerdem sind die regionalen Unterschiede auffällig: In Sachsen starben laut Statistischem Bundesamt während der zweiten Welle mehrere Wochen lang mehr als doppelt so viele Menschen wie sonst in dieser Jahreszeit. Selbst während der besonders heftigen Grippewelle im Winter 2017/2018 starben deutschlandweit nur rund halb so viele Menschen wie im Corona-Winter 2020/2021.

Die Sterberate lag für das gesamte Jahr 2020 laut Statistischem Bundesamt bei 11,8 Prozent - das ist die höchste Rate seit 1990 und keinesfalls die zweitniedrigste, wie in dem Post behauptet. In den Jahren davor bewegte sich die Sterberate meist zwischen 10 und 11,5 Prozent.

Dass die Corona-Pandemie in Deutschland zu einer Übersterblichkeit geführt hat, zeigte die dpa bereits in Faktenchecks.

Corona unterscheidet sich von der Grippe

Corona ist nicht die Grippe. Es handelt sich um ein anderes Virus. Die Grippe wird durch Influenzaviren ausgelöst, Corona durch das Coronavirus Sars-CoV-2. Die Symptome können allerdings ähnlich sein. Grippewellen waren laut RKI nie so hoch wie die Corona-Inzidenzen.

Sars-CoV-2 ist weiterhin gefährlicher als Influenzaviren - eine Corona-Infektion endet häufiger tödlich als die Grippe, wie die dpa in einem Faktencheck erklärt. Auch wurde die Grippewelle nicht «einfach in Corona umbenannt», wie der Blogautor behauptet. Es gab auch 2020 und 2021 Fälle von Grippeerkrankungen, auch wenn die großen Wellen durch die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen ausblieben - auch das hat die dpa in einem Faktencheck erläutert.

64 Prozent der Todesfälle bei Menschen ab 80

Seit Beginn der Corona-Pandemie bis einschließlich 26. Dezember 2021 starben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) in Deutschland rund 111 000 Menschen infolge einer Corona-Infektion. Davon waren gut 71 000 Menschen 80 Jahre und älter. Das sind 64 Prozent - und nicht die behaupteten 95 Prozent.

Sars-CoV-2 ist isoliert und nachgewiesen

Das Coronavirus Sars-CoV-2 wurde bereits von verschiedenen Forschenden auf der ganzen Welt isoliert und damit nachgewiesen. Bereits kurz nach Ausbruch des damals neuen Virus isolierten Wissenschaftler in China Sars-CoV-2, entschlüsselten sein Genom und veröffentlichten die Ergebnisse Anfang 2020. Auch in Deutschland, Italien, den USA, Kanada und Korea wurde das Virus bereits isoliert und damit nachgewiesen. Die dpa hat dies bereits in mehreren Faktenchecks aufgegriffen.

Kaum Todesfälle nach Impfung

Es gibt kaum Todesfälle, die im direkten Zusammenhang zu einer Corona-Impfung stehen. Das Paul-Ehrlich-Institut listet bis zum 30. November 2021 für Deutschland 78 Todesfälle auf, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung «als möglich oder wahrscheinlich» gilt, während am selben Tag bereits mehr als 59 Millionen Menschen in Deutschland mindestens eine Corona-Impfung bekommen hatten. Im selben Zeitraum starben laut RKI hingegen mehr als 101 000 Menschen infolge einer Corona-Infektion.

Immer wieder verweisen Gegner der Corona-Impfung auf Datenbanken, die angeblich viele Nebenwirkungen der Impfung oder Todesfälle auflisten. Dabei enthalten diese Datenbanken in der Regel keine bestätigten Nebenwirkungen, sondern lediglich Verdachtsfälle - also einen zeitlichen Zusammenhang zur Impfung. Ob es einen ursächlichen Zusammenhang gibt - also ob eine Nebenwirkung oder der Tod aufgrund der Impfung aufgetreten ist - wird dann erst geprüft. Auch das hat die dpa bereits in mehreren Faktenchecks erläutert.

Klaus Schwab und das WEF haben nichts mit der Pandemie zu tun

Klaus Schwab gründete 1971 das Weltwirtschaftsforum (WEF) und setzte sich in einer Reihe von Büchern vor allem dafür ein, dass Unternehmen nicht nur profitorientiert denken sollten. Es ranken sich verschiedene Verschwörungserzählungen um das WEF - unter anderem, dass es die Corona-Pandemie geplant habe, um eine neue Weltordnung durchsetzen zu können. Diese Behauptungen sind unbelegt.

Vielmehr stellte Schwab im Jahr 2020 ganz offiziell die WEF-Initiative «The Great Reset» vor. Das Konzept sieht vor, die Corona-Pandemie als Chance für einen gesellschaftlichen Umbruch zu sehen und schlägt eine Neugestaltung der weltweiten Gesellschaft und Wirtschaft im Anschluss an die Corona-Pandemie vor.

(Stand: 18.1.2022)

Links

Blogbeitrag (archiviert)

Statistisches Bundesamt zur Übersterblichkeit 1 (archiviert)

Statistisches Bundesamt zur Übersterblichkeit 2 (archiviert)

Statistisches Bundesamt zu Verkehrstoten 2020 (archiviert)

RKI zur schwachen Grippewelle 2020 (archiviert)

Statistisches Bundesamt zur Übersterblichkeit 3 (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Übersterblichkeit 1

dpa-Faktencheck zur Übersterblichkeit 2

RKI zu Influenzaviren (archiviert)

RKI zu Sars-CoV-2 (archiviert)

RKI zum Unterschied Influenza/Corona (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Influenza/Corona 1

dpa-Faktencheck zu Influenza/Corona 2

RKI: Corona-Todesfälle in Altersgruppen (archiviert)

Sars-CoV-2 isoliert China (archiviert)

Sars-CoV-2 isoliert Deutschland (archiviert)

Sars-CoV-2 isoliert Italien (archiviert)

Sars-CoV-2 isoliert USA (archiviert)

Sars-CoV-2 isoliert Kanada (archiviert)

Sars-CoV-2 isoliert Korea (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Isolierung von Sars-CoV-2 1

dpa-Faktencheck zur Isolierung von Sars-CoV-2 2

dpa-Faktencheck zur Isolierung von Sars-CoV-2 3

dpa-Faktencheck zur Isolierung von Sars-CoV-2 4

PEI zu Todesfällen durch die Impfung (archiviert)

RKI: Gesamtzahl der Impfungen (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Nebenwirkungen in Datenbanken 1

dpa-Faktencheck zu Nebenwirkungen in Datenbanken 2

dpa-Faktencheck zu Nebenwirkungen in Datenbanken 3

WEF zu Klaus Schwab (archiviert)

WEF zu «The Great Reset» (archiviert)

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