Aktuelle Verschärfungen der Zertifikats- und Maskenpflicht haben nichts mit dem zweiten Ja zum Covid-Gesetz zu tun
14.12.2021, 16:53 (CET)
Mehr als 60 Prozent der Stimmbevölkerung sagten am 28. November 2021 Ja zu den Änderungen des Covid-Gesetzes vom März 2021. Bei Facebook (archiviert) wird nun behauptet, dass der Bundesrat damit uneingeschränkte Macht bis ins Jahr 2031 hätte. «Er kann tun und lassen wie er möchte», wird kommentiert (sic). Angefügt ist ein Ausschnitt aus Newsmeldungen zur ausgeweiteten Zertifikats- und Maskenpflicht, die der Bundesrat wenige Tage nach der Abstimmung bekannt gab. So soll offenbar suggeriert werden, die verschärften Massnahmen wären mit einem Nein nicht zustande gekommen - und die bis 2031 gültigen Gesetzesartikel würden eher verfallen. Ist dem so?
Bewertung
Die Behauptungen sind falsch. Die bis ins Jahr 2031 geltenden Gesetzesartikel sind bereits seit Dezember 2020 in Kraft und waren nicht Gegenstand der Volksabstimmung vom 28. November 2021. Die Zertifikats- und Maskenpflicht konnte der Bundesrat unabhängig vom Abstimmungsausgang erweitern.
Fakten
Bei der Abstimmung am 28. November 2021 kamen die Gesetzesänderungen vom März 2021 an die Urne. Keiner der davon betroffenen Artikel hat eine Geltungsdauer bis 2031. Diese sind bereits seit dem 19. Dezember 2020 in Kraft; gegen sie wurde kein Referendum ergriffen. Ältere Paragrafen bleiben entsprechend unabhängig vom Abstimmungsresultat bestehen. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) widerlegte bereits mehrfach die Behauptung, dass beim jüngsten Referendum auch über bis ins Jahr 2031 bestehende Paragraphen abgestimmt worden sei.
Werden vom Parlament beschlossene Gesetzesänderungen an der Urne abgelehnt, bleiben diese trotzdem ein Jahr lang in Kraft, wie es Artikel 165 Abschnitt 2 in der Bundesverfassung über die Gesetzgebung bei Dringlichkeit vorsieht.
Der Bundesrat hätte auch mit einem Volks-Nein im November die Zertifikats- und Maskenpflicht ausweiten können. Massnahmen wie die Maskenpflicht basieren auf dem Epidemiengesetz (EpG) – ebenso die Zugangsbeschränkungen für geimpfte, genesene und getestete Personen. Wären die Gesetzesänderungen an der Urne abgelehnt worden, hätte der Bund theoretisch die 3G-Regel auch nach März 2022 beibehalten können - dann aber das aktuelle Zertifikatssystem aufgeben müssen. Mit dem Ja zu den Gesetzesänderungen vom März 2021 bleibt die rechtliche Basis des Covid-Zertifikates in Artikel 6a bestehen.
Die dem Kommentar beigefügten Passagen geben die Bestimmungen wieder, die der Bundesrat am 30. November 2021 in die Konsultation gab. Er reagierte damit auf die seit Oktober stetig steigenden Fallzahlen sowie auf die bereits angespannte Spitalsituation. Diese Bestimmungen sollten vorerst ebenfalls bis zum 24. Januar 2022 befristet sein, genau wie die seit September gültige ausgedehnte Zertifikatspflicht.
Das Covid-Gesetz bestimmt nicht, wie das Zertifikat eingesetzt werden soll. Dieses ist in der Covid-19-Verordnung besondere Lage ausgeführt, die auf dem Epidemiengesetz (EpG), Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a und b basiert. Demzufolge kann der Bundesrat nach Anhörung der Kantone Massnahmen für einzelne Personen und für die Gesamtbevölkerung anordnen. Verordnungen unterstehen nicht dem Referendum, folglich kann über die Covid-19-Verordnung besondere Lage nicht an der Urne entschieden werden. Sie ist, wie bereits in früheren dpa-Faktenchecks mehrfach thematisiert, rechtlich verbindlich.
(Stand: 14.12.2021)
Links
Bundeskanzlei: Abstimmungsresultate vom 28.11.2021 (archiviert)
Bundesversammlung: Bundesgesetz: Covid-19-Gesetz, 19.03.2021 (archiviert)
Bundesversammlung: Bundesgesetz: Covid-19-Gesetz, 18.12.2020 (archiviert)
Bundesgesetz: Covid-Gesetz (archiviert)
Covid-19-Verordnung besondere Lage (archiviert)
Bundesgesetz: Epidemiengesetz (EpG) (archiviert)
EDI: Fragen und Antworten zur Abstimmung (archiviert)
Bundesrat: Medienmitteilung zur Wiedereinführung von verstärkten Massnahmen, 30.11.2021 (archiviert)
Bundesrat: Medienmitteilung zur Ausgeweiteten Zertifikatspflicht, 08.09.2021 (archiviert)
BAG: Covid-Statistik Fallzahlen (archiviert)
BAG: Coivd-Statistik Hospitalisationen (archiviert)
Schweizer Parlament: Verordnungsgebung (archiviert)
dpa-Faktenchecks:
Bis ins Jahr 2031 bestehende Paragraphen stehen am 28. November nicht zur Abstimmung
Am 28. November stehen lediglich die Gesetzesänderungen vom März 2021 zur Abstimmung
Zertifikatspflicht ist rechtlich verbindlich
Bundesrätliche Verordnungen sind verbindlich rechtskräftig
Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-schweiz@dpa.com