Falsche Aussagen im Video

Daten umfassen vor allem harmlose Corona-Impfreaktionen

26.08.2022, 11:25 (CEST)

Über die Zahl der Nebenwirkungen von Covid-19-Impfungen kursieren im Internet viele Falschbehauptungen. In einem Video werden Zahlen der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) falsch interpretiert.

Impfgegner verbreiten im Netz nach wie vor Falschinformationen über eine angeblich erhöhte Zahl an Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe. Derzeit kursiert bei Youtube und Telegram ein Video das im Rahmen eines Wahlkreis-Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang August 2022 entstanden ist. Ein Mann spricht Scholz auf die Corona-Politik an und behauptet, in Deutschland gebe es vermeintlich «2,5 Millionen Geschädigte» mit Impfnebenwirkungen wie einer «Herzmuskelentzündung» oder einem «Schlaganfall». Der Mann bezieht sich dabei laut eigener Aussage auf Daten der kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).

Bewertung

Die Interpretation der KBV-Zahlen ist falsch, denn es fehlt wichtiger Kontext: Die Daten beziehen sich vor allem auf typische harmlose Impfreaktionen wie kurzzeitige Schmerzen an der Einstichstelle und erfassen nur in einzelnen Fällen schwere Impfnebenwirkungen - wie etwa das Auftreten einer Herzmuskelentzündung. Eine Unterscheidung von leichten und seltenen schweren Nebenwirkungen wird nicht gemacht. Wie die KBV erklärt, machen die vorübergehenden Impfreaktionen jedoch den Großteil der registrierten Impf-Unverträglichkeiten aus.

Fakten

Die Zahlen der KBV waren bereits im Juli 2022 Gegenstand eines dpa-Faktenchecks. Nutzer hatten eine angeblich erhöhte Zahl an Impfnebenwirkungen bei Corona-Vakzinen im Vergleich zu anderen Impfungen ausgemacht und als vermeintlichen Beleg dafür Daten aus einer Tabelle der kassenärztlichen Bundesvereinigung herangezogen.

Die Zahlen stammen demnach tatsächlich von der KBV, wie die Organisation auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte. Die AfD-Fraktion im Bundestag hatte die KBV gebeten, Zahlen zu codierten Impfnebenwirkungen für eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zusammenzustellen. Doch die Zahlen wurden unter anderem vom gesundheitspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion falsch interpretiert, weshalb der KBV-Vorstand ein Statement dazu veröffentlichte.

Darin schreibt die KVB: «Zu den codierten Impfnebenwirkungen gehören vor allem auch die für alle Impfungen typischen Begleiterscheinungen wie Rötungen an der Impfstelle oder leichte lokale Schmerzen an der Einstichstelle.» Diese machten «den mit Abstand größten Anteil der registrierten Unverträglichkeiten und Komplikationen» aus, heißt es weiter. Zwischen seltenen schweren Impfnebenwirkungen und kurzzeitigen Impfreaktionen wird also nicht differenziert.

Diese Ungenauigkeit war bereits in der Vergangenheit Gegenstand von Falschinformationen über vermeintlich stark erhöhte Nebenwirkungen. Dabei wurde versäumt, zwischen vorübergehenden Symptomen nach einer Impfung wie Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Schmerzen an der Einstichstelle und tatsächlich schweren anhaltenden Gesundheitsproblemen zu unterscheiden.

Auch der Vergleich der Covid-Impfung mit früheren Impfungen hinkt: Es werden unterschiedliche Dinge miteinander gleichgesetzt und falsche Schlüsse daraus gezogen. Experten haben immer wieder betont, dass die hohe öffentliche Aufmerksamkeit während der Pandemie auch zu mehr Meldungen möglicher Impfreaktionen und -nebenwirkungen führt. Das kann die Vergleichbarkeit einschränken. Darauf weist die KBV auch in dem Dokument hin, das sie für die AfD zusammenstellte. «Der Unterschied zwischen den von Ärztinnen und Ärzten dokumentierten im Vergleich zu den dem PEI gemeldeten Impfreaktionen ist daher nachvollziehbar und war zu erwarten», heißt es darin.

(Stand: 25.8.2022)

Links

dpa-Faktencheck "KBV-Daten enthalten vor allem harmlose Impfreaktionen"

KBV-Zahlen zu codierten Impfnebenwirkungen (archiviert)

KBV-Pressemitteilung vom 24. Juni 2022 (archiviert)

Paragraf 4 «Sonstige Begriffsbestimmungen» des Arzneimittelgesetzes (archiviert)

dpa-Faktencheck «BKK Provita erfasst auch milde Impfreaktionen, nicht nur meldungspflichtige Nebenwirkungen»

dpa-Faktencheck «Verdachtsfälle werden häufiger gemeldet, nicht tatsächliche Nebenwirkungen»

Youtube-Video (archiviert / archiviertes Video)

Telegram-Beitrag (archiviert)

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