Überschwemmungen in der Türkei
Keine Belege für Wetterbeeinflussung
26.8.2022, 16:16 (CEST)
Während in Deutschland neue Hitzerekorde aufgestellt werden, gibt es in anderen Teilen der Welt Überschwemmungen - zum Beispiel in der türkischen Stadt Bursa. Laut einem Facebook-Post sollen dafür gleich drei verschiedene Methoden der angeblichen Wetterbeeinflussung verantwortlich sein: Sogenannte «HAARP»-Anlagen, «Chemtrails» und «Cloud Seeding».
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Weder für Chemtrails, noch für eine systematische Wetterbeeinflussung durch HAARP-Anlagen gibt es wissenschaftliche Belege. Auch gibt es keine Hinweise, dass das sogenannte «Cloud-Seeding» für die Überschwemmungen in der Türkei verantwortlich ist.
Fakten
Tatsächlich gab es Mitte August in der Türkei Überschwemmungen. In Teilen des Landes standen durch starke Regenfälle Straßen unter Wasser, auch in der Region um die Millionenstadt Bursa. Doch gibt es irgendeinen Beleg dafür, dass der Regen absichtlich herbeigeführt wurde?
«Cloud Seeding»-Einsatz in der Türkei ausgeschlossen
Beim Cloud Seeding werden Chemikalien in der Luft verteilt. Dadurch bilden sich Wassertröpfchen, die immer schwerer werden und schließlich als Niederschlag herabfallen. Ein Problem bei dieser Methode ist, dass die Chemikalien am Ende teilweise im Grundwasser landen.
Tatsächlich gibt es Beispiele, in denen Cloud Seeding zur Wetterbeeinflussung eingesetzt wurde. In China wird aktuell erwogen, die Methode wegen der andauernden Dürre anzuwenden.
In der Türkei sind solche Beispiele bisher nicht bekannt, auch wenn es darüber in der Vergangenheit Diskussionen gab. Der Chef der türkischen Wasserwerke schloss 2014 den Einsatz von Cloud Seeding aus, da die Kosten für die Methode den Nutzen übersteigen würden.
Ob die Methode überhaupt effektiv das Wetter beeinflussen kann, ist umstritten. Eine israelische Studie bescheinigt der Methode eine geringe Wirksamkeit. Andere Studien liefern ähnliche Ergebnisse. Dass die Methode eine solche Regenmenge wie auf dem geteilten Video freisetzen kann, ist höchst unwahrscheinlich.
«Chemtrails» existieren nicht
Kondensstreifen bestehen aus Eiskristallen. Diese entstehen, wenn heiße und wasserdampfhaltige Abgase aus den Triebwerken von Flugzeugen ausströmen und auf kalte Luft treffen.
Sie entstehen in der Regel in Flughöhen, in denen die Temperatur zwischen minus 35 und minus 55 Grad Celsius liegt. «Die heutigen Verkehrsstrahlflugzeuge fliegen zu etwa 20 Prozent ihrer Flugzeit in so kalter und feuchter Luft, dass sie langlebige Kondensstreifen bilden», erklärt das Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Das wollen einige jedoch nicht glauben. Ihre Vermutung: Die Streifen am Himmel entstehen, weil die Flugzeuge Chemikalien versprühen. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Beweise, die die Existenz von solchen «Chemtrails» belegen. Auch das Umweltbundesamt hat bereits 2011 festgestellt, dass es hierfür «keinerlei wissenschaftliche Belege» gibt.
HAARP-Anlagen können das Wetter nicht beeinflussen
HAARP steht für «High-Frequency Active Auroral Research Program». Es handelt sich um ein amerikanisches Forschungsprogramm in Alaska. Die Forschungseinrichtung wurde in den 1990er Jahren errichtet und war Eigentum der US-Armee. Im August 2015 übertrug die Armee das Projekt an die University of Alaska Fairbanks (UAF). HAARP ist kein geheimes Projekt, es ist öffentlich und kann besichtigt werden.
Das Forschungsinstitut untersucht die Ionosphäre. Dabei handelt es sich um eine Schicht im oberen Teil der Atmosphäre, die etwa 60 Kilometer von der Erdoberfläche entfernt beginnt und bis in etwa 2000 Kilometer Höhe reicht. Die US-Armee interessierte sich für diesen Teil der Atmosphäre, weil er bei der Übertragung von Funksignalen eine Rolle spielt.
Ein wichtiges Instrument von HAARP ist das sogenannte Ionospheric Research Instrument (IRI). Dieses Instrument, ein Antennenfeld, kann Funksignale in die Ionosphäre senden. Wie diese Atmosphärenschicht und die Radiowellen zusammenwirken, wird dann von den Forschern untersucht.
Seit Jahren kursieren Verschwörungsmythen über dieses Programm. Eine der populären Theorien besagt, dass HAARP angeblich das Wetter manipulieren kann. Doch das ist falsch. Die Wetterbedingungen auf der Erde werden in der Troposphäre und der Stratosphäre erzeugt - also nicht in der Ionosphäre.
Selbst wenn die HAARP-Anlagen die Wetterbedingungen in der Troposphäre und Stratosphäre beeinflussen könnten, hätten sie bei weitem nicht genug Energie, um solche Regenmengen zu erzeugen, wie sie auf dem geteilten Video zu sehen sind. Das bestätigte der Physiker Holm Hümmler dem Bayrischen Rundfunk im Zusammenhang mit der Flut 2021 in Deutschland.
Das HAARP wurde bereits in der Vergangenheit häufig Gegenstand von falschen Informationen und Verschwörungstheorien. Das zeigen unter anderem mehrere dpa-Faktenchecks.
(Stand: 25.8.2022)
Links
Rückblick Wetter in Bursa (archiviert)
Rückblick Wetter in Bursa 2 (archiviert)
Türkischer Medienbericht über Wetter in Bursa (archiviert)
YouTube-Video mit Überschwemmungen in Istanbul und Bursa (archiviert)
YouTube-Video mit Überschwemmungen in Bursa (archiviert)
Twitter-Video von «Hava Forum» (archiviert)
dpa-Faktencheck zu HAARP und Wetter
Informationen über HAARP (archiviert)
Deutscher Wetterdienst zur Atmosphäre und Wetter (archiviert)
Deutscher Wetterdienst zu Ionosphäre (archiviert)
«Faktenfuchs» des Bayrischen Rundfunks zu HAARP (archiviert)
Google Maps-Aufnahme von HAARP-Anlage (archiviert)
Informationen zu Kondensstreifen vom Deutschen Institut für Physik der Atmosphäre (archiviert)
Bericht des Umweltbundesamtes zu «Chemtrails» (archiviert)
dpa-Faktencheck zu «Chemtrails»
dpa-Faktencheck zu «Chemtrails» und Wetter
dpa-Faktencheck zu HAARP-Anlagen und Wetter
Informationen zu Cloud Seeding (archiviert)
Science-Artikel über Effektivität von Cloud Seeding (archiviert)
Informationen zur Cloud Seeding-Studie der Tel-Aviv University (archiviert)
Forschungsstand von Cloud Seeding (archiviert)
CNN-Bericht über mögliche Anwendung von Cloud Seeding in China (archiviert)
Diskussion über Einsatz von «Cloud Seeding» in der Türkei aus 2021 (archiviert)
Artikel über Ausschluss von Cloud Seeding in der Türkei (archiviert)
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