Niederlande

Bauernproteste ziehen viele Falschmeldungen nach sich

22.7.2022, 13:51 (CEST)

Die Umsetzung europäischer Naturschutzregeln hat in den Niederlanden viel Unmut unter Viehzüchtern ausgelöst. Ihre Proteste gehen mit zahlreichen falschen Behauptungen einher.

Ein gepanzerter Traktor, eine gesperrte Autobahn, eine Solidaritätsaktion der Feuerwehr - und ausländische Medien, die über all dies nicht berichten? So stellen Unterstützer der niederländischen Bauernproteste die Lage dar. Im Land selbst wird verbreitet, dass die Landwirtschaft gar nicht die größte Quelle des schädlichen Stickstoffs sei. Was ist dran an diesen Behauptungen?

Bewertung

Viele Behauptungen, die in sozialen Netzwerken zu den Bauernprotesten in den Niederlanden verbreitet werden, sind falsch. So ist das Bild eines gepanzerten Traktors schon Jahre alt und hat mit den aktuellen Demonstrationen nichts zu tun. Gleiches gilt für Fotos einer gesperrten Autobahn. Auch hat sich die Feuerwehr keineswegs den protestierenden Landwirten angeschlossen - ein weit verbreitetes Video stammt aus Polen und hat einen völlig anderen Hintergrund. Allerdings verfolgen auch die Medien in anderen europäischen Ländern, wie die Landwirte in den Niederlanden protestieren. Dass die Viehzucht dort mehr schädlichen Stickstoff ausstößt als andere Branchen, ist im Übrigen wissenschaftlich nachgewiesen.

Fakten

Der umgebaute Traktor: Bei Facebook, Twitter und Telegram wird ein Foto verbreitet, dass angeblich einen umgebauten gepanzerten Traktor in den Niederlanden im Jahr 2022 zeigen soll. Bei einem Vorfall in Heerenveen hatten Polizisten von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Aus diesem Grund würden sich die niederländischen Bauern schützen und ihre Trecker umbauen, heißt es in den Posts. Die Behauptung ist falsch. Das Foto stammt nicht von den aktuellen Bauernprotesten in den Niederlanden, sondern wurde schon 2018 in den sozialen Medien verbreitet. Damals wurde das Bild im Zusammenhang mit Protesten der französischen Gelbwesten geteilt.

Die gesperrte Autobahn: Tatsächlich versammeln sich Tausende niederländischer Landwirte seit Wochen zu Demonstrationszügen gegen die angekündigten Umweltschutzauflagen der Regierung. Sie blockieren immer wieder Autobahnen. Verschiedene in sozialen Medien verbreitete Fotos zeigen jedoch keine aktuellen Blockaden. Eine Aufnahme stammt von 2019 und bildet daher nicht die derzeitigen Proteste der Landwirte in den Niederlanden ab.

Die Aktion der Feuerwehr: Ein Video, das die angebliche Unterstützung der Feuerwehr für die Bauern beweisen soll, stammt aus Polen - nicht aus den Niederlanden oder Deutschland. Im Mai 2022 sammelte die polnische Feuerwehr Geld für Behandlung und Reha-Maßnahmen der fünfjährigen Maja, die an Zerebralparese leidet, einer Störung des Nerven- und Muskelsystems. Mit den Protesten in den Niederlanden hat diese Aktion also überhaupt nichts zu tun, wie dieser Faktencheck ausführlich darlegt. Auch in den Niederlanden selbst war diese falsche Nachricht in den sozialen Netzwerken viel geteilt worden.

Der rollende Panzer: Viele Menschen in den Niederlanden verbreiteten auch die angebliche Neuigkeit, dass die Bauern für ihre Proteste einen Panzer angeschafft hätten. Gezeigt wurden dazu Videobilder von einem Panzerfahrzeug, das von einem Tieflader herunterrollt. Der Eigentümer des Museumsstücks dementierte die Falschmeldung. Der Weltkriegspanzer war bloß für eine Gedenkfeier ausgeliehen und verladen worden, wie dieser Faktencheck in niederländischer Sprache zeigt.

Die Berichte deutscher Medien: Im Zuge der niederländischen Bauernproteste warfen Nutzer der sozialen Netzwerke deutschen Medien vor, die Demonstrationen im Nachbarland zu verschweigen. Diese Vorwürfe sind allerdings unbegründet, wie eine Recherche ergab. Unter anderem haben diese deutschen Medien die sogenannte Stickstoffkrise und die Folgen berichtet:

- 27. Juni: Neue Osnabrücker Zeitung

- 29. Juni: ARD (Audio)

- 28. Juni: NDR

- 29. Juni: Spiegel Online

- 4. Juli: Tagesspiegel

- 5. Juli: Junge Welt

- 1. Juli: Frankfurter Rundschau

- 3. Juli: FAZ

- 30. Juni Süddeutsche Zeitung

- 6. Juli: ZDF

- 15. Juli: taz

Die Medien in Österreich: Auch in Österreich wurde der Vorwurf laut, «in unseren Medien» werde nicht über die Vorgänge in den Niederlanden berichtet. Ein österreichischer Faktencheck ergab jedoch, dass auch dortige Medien wie der ORF sich mit dem Thema beschäftigten. Übrigens hatten auch Nutzer in der Alpenrepublik ihre Beiträge mit dem Titel «Holland heute» mit einem Foto aus dem Jahr 2019 bebildert.

Die Quellen des Stickstoffs: In den Niederlanden selbst wird immer wieder behauptet, die Landwirtschaft sei gar nicht die größte Quelle für den schädlichen Stickstoff in der Umwelt. Dazu ziehen die Verteidiger der Landwirte verschiedene Diagramme und Karten heran, die das beweisen sollen. In vielen Fällen wird dabei jedoch verkannt, dass es verschiedene Formen von reaktivem Stickstoff gibt: Stickstoffoxide (NOx) und Ammoniak (NH3). Dabei wird NOx vor allem von Verkehr und Industrie ausgestoßen, während NH3 in großen Mengen bei der Viehzucht entsteht. Etliche Behauptungen wurden auch von Faktencheckern in den Niederlanden widerlegt.

Von Corona zum Stickstoff: Noch vor ein, zwei Jahren entzündete sich öffentlicher Protest in den Niederlanden vor allem an den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Derzeit steht der Stickstoff im Mittelpunkt des Interesses. Manche Gegner der Stickstoff-Politik benutzen nun alte Bilder von Polizeieinsätzen bei Corona-Demonstrationen. Mit den aktuellen Bauernprotesten haben diese Bilder allerdings nichts zu tun, wie auch ein Faktencheck auf Niederländisch belegt.

Links

Facebook-Post (archiviert)

Tweet (archiviert)

dpa-Faktencheck zu umgebautem Traktor

dpa-Faktencheck zu gesperrter Autobahn

dpa-Faktencheck zu altem Bild

dpa-Faktencheck zu Feuerwehr-Aktion (Deutsch)

dpa-Faktencheck zu Feuerwehr-Aktion (Niederländisch)

dpa-Faktencheck zu rollendem Panzer (Niederländisch)

dpa-Faktencheck zu Medienberichten in Deutschland

ARD (archiviert) (Audio archiviert)

NDR (archiviert)

NOZ (archiviert)

Spon (archiviert)

Tagesspiegel (archiviert)

Junge Welt (archiviert)

Frankfurter Rundschau (archiviert)

FAZ (archiviert)

SZ (archiviert)

ZDF (archiviert)

ZDF (2) (archiviert)

taz (archiviert)

dpa-Faktencheck aus Österreich

ORF (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Stickstoff-Quellen (Niederländisch) I

dpa-Faktencheck zu Stickstoff-Quellen (Niederländisch) II

dpa-Faktencheck zu Stickstoff-Quellen (Niederländisch) III

dpa-Faktencheck zu Stickstoff-Quellen (Niederländisch) IV

dpa-Faktencheck zu Stickstoff-Quellen (Niederländisch) V

dpa-Faktencheck zu Stickstoff-Quellen (Niederländisch) VI

dpa-Faktencheck zu Polizeieinsätzen (Deutsch)

dpa-Faktencheck zu Polizeieinsätzen (Niederländisch)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.