Keine Belege, dass Schwangere ihr Kind nach Polizeieinsatz verlor

04.09.2020, 12:17 (CEST)

Nach der Großdemonstration gegen die Corona-Auflagen am 29. August 2020 in Berlin kursieren erneut viele Falschbehauptungen. Eine davon: Eine schwangere Frau soll nach einem Polizeieinsatz im Tiergarten ihr ungeborenes Kind verloren haben.

BEWERTUNG: Dass das Ungeborene gestorben sei, ist durch nichts belegt. Nach Angaben der Polizei wurde die Frau zwar festgenommen. Sanitäter hätten aber keine Verletzungen festgestellt.

FAKTEN: Auf einem rund anderthalb Minuten langen Video ist eine Frau zu sehen, die zwischen Bäumen und Sträuchern am Boden liegt und von Polizisten fixiert wird. Äußerungen von Umstehenden lassen darauf schließen, dass die Frau schwanger ist. Hin und wieder sind Schreie zu hören. Nach Angaben der Berliner Polizei handelt es sich um Aufnahmen nahe des «Großen Sterns» im Tiergarten - was zu der Szenerie passt, die im Video zu sehen ist.

Im Screenshot einer Messenger-Nachricht, der zusammen mit dem Video verbreitet wird, heißt es, die Frau sei in ein Krankenhaus gebracht worden: «Das Kind ist gestorben.» Belege dafür werden in dem Facebook-Post allerdings nicht angeführt.

Wie die Berliner Polizei in einer Pressemitteilung mitteilte, zeigt das Video die Festnahme einer schwangeren 42-Jährigen. Sie habe versucht, eine Absperrung zu durchbrechen. Die Polizei schreibt: «Sie soll im weiteren Verlauf einen Beamten geschlagen und angespuckt haben. Einsatzkräfte brachten die Frau zu Boden und nahmen sie fest.»

Weiter heißt es: «Sanitäter eines Rettungswagens stellten keine Verletzungen fest. Einen Transport in ein Krankenhaus lehnte die Schwangere ab.» Konkrete Belege, die der Darstellung der Polizei widersprechen und auf Verletzungen der Frau oder den Tod des Ungeborenen hindeuten, gibt es nicht.

Den Angaben der Polizei zufolge kam es zu der Festnahme am Sonntag, den 30. August - und nicht, wie im Facebook-Beitrag behauptet, am 29. August. Zunächst hatte die Polizei jedoch selbst von Samstag gesprochen.

Nach der Großkundgebung am Samstag mit Zehntausenden Teilnehmern hatten sich auch einen Tag später Demonstranten am «Großen Stern» an der Siegessäule versammelt. Nach Angaben der Polizei handelte es sich jedoch um eine «unerlaubte Ansammlung». In diesem Zusammenhang dementierte die Polizei auch Falschbehauptungen, dass nach einer anderen Festnahme am Großen Stern eine Demonstrantin gestorben sei.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/stephan.knakowski.5/posts/1257347694609900 (archiviert: https://archive.vn/9sCbB)

Pressemitteilung der Polizei: https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.983110.php (archiviert: https://archive.vn/8yqYx)

Erste Pressemitteilung mit falscher Datumsangabe (Archiv): https://archive.is/vNZiw

RBB-Bericht über Demonstrationen am Sonntag: https://www.rbb24.de/politik/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/08/berlin-unerlaubte-ansammlung-berliner-siegessaeule-aufgeloest.html (https://archive.vn/4MSMN)

dpa-Faktencheck zur Teilnehmerzahl: https://dpa-factchecking.com/germany/200901-99-385148/

dpa-Faktencheck zu angeblich getöteter Demonstrantin: https://dpa-factchecking.com/germany/200901-99-387922/

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