Sars-CoV-2-Ausbruch erfüllt Kriterien einer Pandemien

08.12.2021, 16:18 (CET)

In einem Sharepic mit einer Tabelle werden die Zahlen der Todesfälle in der Schweiz aus den Jahren 2015 bis 2021 verglichen. Berücksichtigt werden für jedes Jahr die Daten von der ersten bis zur 44. Kalenderwoche. Ein Facebook-User (archiviert) postet die Tabelle und schreibt dazu: «Nie im Leben ist das eine Pandemie». Kann man diese Aussage aus den Sterbezahlen ableiten?

Bewertung

Eine Pandemie wird als Krankheit mit sehr vielen Übertragungen definiert, nicht durch eine Anzahl von Verstorbenen in der Schweiz.

Fakten

Die Anzahl der Todesfälle in der Schweiz im Jahr 2021 unterscheidet sich tatsächlich nicht markant von der Anzahl der Todesfälle in den vergangenen sechs Jahren. Auch die im Sharepic aufgeführten Angaben zur Einwohnerzahl stimmen in etwa mit den Angaben des Bundesamts für Statistik überein. Ob eine Pandemie vorliegt oder nicht, lässt sich aus diesen Zahlen jedoch nicht ablesen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert eine Pandemie als Krankheit mit wachsenden und anhaltenden Übertragungen von Mensch zu Mensch in der gesamten Bevölkerung. Wenn in kurzer Zeit viele Menschen erkranken, kann auch ein Virus, das für gesunde Menschen weitgehend ungefährlich ist, das Gesundheitssystem überlasten.

Eine Pandemie kann laut WHO auch schwerer als eine saisonale Endemie verlaufen, wenn große Teile der Bevölkerung gegen ein neues Virus noch nicht immun sind. Definiert ist eine Pandemie aber dennoch nicht durch Anzahl der Todesfälle.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte die Verbreitung von Sars-CoV-2 am 11. März 2020 zur Pandemie. Die WHO könnte den Status aufheben, der Notfallausschuss der WHO stufte aber zuletzt im Oktober 2021 die Verbreitung von Sars-CoV-2 weiterhin als gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ein. Diese Erklärung der WHO sowie der Umstand, dass die Covid-19-Infektionen in der Schweiz stiegen und die öffentliche Gesundheit somit weiterhin gefährdet war, erlaubten dem Bundesrat gemäss Epidemiengesetz (EpG) zu handeln und Massnahmen anzuordnen.

Warum sind die absoluten Todesfall-Zahlen in den Pandemie-Jahren in der Schweiz im Vergleich zu den vergangenen Jahren nicht gestiegen?

Es lässt sich schwer ermitteln, wie viele Todesfälle die Schweiz im November 2021 zu verzeichnen hätte, wenn keine Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie getroffen worden wären. Die Gesundheitsbehörden der USA schrieben im September, das Risiko, an einer Sars-CoV-2-Infektion zu sterben, sei bei Ungeimpften 14-mal höher. Das Tragen einer Maske verringere eine Virusinfektion um 30 Prozent oder mehr, schrieb das Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME).

Mehrere Studien belegten die Wirksamkeit der Massnahmen. Auch die behördlich angeordneten nicht-pharmazeutischen Massnahmen wie das Tragen einer Gesichtsmaske in der Öffentlichkeit, Isolation oder Quarantäne, räumliches Abstandhalten und Reisebeschränkungen trugen zur Senkung der Fallzahlen bei. Dabei sei die Kombination mehreren Massnahmen noch effektiver, so die Studienautoren.

Die verordneten Massnahmen verhinderten auch die Ausbreitung weiterer Krankheiten wie beispielsweise der Grippe. So vermutete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bezüglich der Grippesaison 2020/21, dass die Hygienemassnahmen und die Abstandsregeln zur Eindämmung von Sars-CoV-2 gleichzeitig die Übertragung von Influenzaviren verhinderten. Auch zu diesem Thema hat die dpa bereits einen Faktencheck publiziert.

In mehreren Wochen nach Pandemiebeginn wurde eine Übersterblichkeit verzeichnet. So registrierte das Bundesamt für Statistik (BFS) in der ersten Welle vom 16. März 2020 bis 19. April 2020 eine Übersterblichkeit in der Schweiz. Eine weitere folgte in der zweiten Welle vom 19. Oktober 2020 bis 31. Januar 2021. Die «Human Mortality Database» des Max-Planck-Instituts und der University of California in Berkeley gibt Einsicht in die Sterblichkeit und Übersterblichkeit diverser Länder. Die Übersterblichkeit war ebenfalls bereits Thema von Faktenchecks.

(Stand: 6.12.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

WHO-Pandemie-Definition (archiviert)

RKI zur Pandemie-Definition (archiviert)

BFS: Statistische Daten zu Todesfällen, 23.11.2021 (Download) (archiviert)

BFS: Todesursache, Woche 45 (archiviert)

Swissmedic: Nutzen-Risiko-Analyse, 26.11.2021 (archiviert)

Swissmedic: Medienmitteilung Boosterimpfung für bestimmte Bevölkerungsgruppen, 26.10.2021 (archiviert)

Swissmedic: Medienmitteilung Boosterimpfung ab 18 Jahre, 26.1.2021 (archiviert)

BAG: Lagebericht Schweiz zur saisonalen Grippe (archiviert)

WHO: Definition Pandemie, 24.02.2021 (archiviert)

BFS: Statistische Daten der ständigen Wohnbevölkerung, 1861-2020 (Download) (archiviert)

WHO: 9. Statement zu Covid-19 (archiviert)

Epidemiengesetz (EpG) (archiviert)

CDC: Todesfälle nach Impfstatus (archiviert)

IHME: Verlaufsprognose Schweiz (archiviert)

Schweizer Task Force: Epidemiologische Lagebeurteilung, 29.11.2021 (archiviert)

The Lancet: Studie über die Wirksamkeit der Maske, 01.06.2020 (archiviert)

The New England Journal for Medicine: Zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfung, 15.04.2021 (archiviert)

Studie zur Wirksamkeit der Covid-Impfstoffe gegen Mutationen (archiviert) DOI

Faktenchecks:

- Handschlag war unbedenklich und abgesprochen die Pandemie dauert an

- Impfstoffe mindern das Risiko, an Covid19 zu sterben

- Jüngere Menschen länger ohne Impfschutz – ältere generell mehr von schweren Verläufen betroffen

- Influenza gibt es noch Corona ist gefährlicher

- Sars-CoV-2 verursacht Krankheiten und Übersterblichkeit - Impfstoff mit Bauplan für das Spike-Protein versehen

- Daten von 2020 deuten auf Übersterblichkeit in Deutschland hin auch sind Masken wirksam

- Einstufung als Pandemie beruht nicht auf der Mortalitätsrate in der Schweiz

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