Impfstoffe mindern das Risiko, an Covid-19 zu sterben

20.07.2021, 14:42 (CEST)

Über die Wirksamkeit von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 wird viel diskutiert. Doch erhöht die Impfung die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben? Genau dies wird in einem Facebook-Post (archiviert) behauptet. Den Zahlen des Bundesgesundheitsamtes zufolge sollen über 57 000 Covid-Fälle von einmal oder zweimal Geimpften gemeldet worden sein. Die Sterberate betrage 4,7 Prozent. Dieser Wert wird mit den Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verglichen, welche eine Sterberate von 0,15 Prozent bei nichtgeimpften Personen errechnete.

BEWERTUNG

Der Vergleich ist irreführend und ergibt wenig Sinn. Es wird ein weltweiter Schätzwert der Infektionssterblichkeitsrate den bekannten Covid-19-Todesfällen von geimpften Personen in Deutschland – also einem konkreten Fallbeispiel – gegenübergestellt. Studien belegen jedoch, dass die Impfstoffe schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle minimieren.

FAKTEN

Offenbar beziehen sich die Angaben im Sharepic auf Deutschland. Am 14. Mai 2021 – nicht wie im Facebook-Post angegeben am 13. Mai – meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa), dass 13 000 vollständig Geimpfte und 44 000 Erstgeimpfte positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden. Die dpa bezieht sich auf das Bundesgesundheitsministerium.

«28 270 dieser Menschen trugen nicht nur das Virus in sich, sondern erkrankten auch tatsächlich an Covid-19. Einige starben auch: 662 zweifach Geimpfte und rund 2000 einfach Geimpfte», heißt es in dem Artikel. Insgesamt sind 57 000 Geimpfte positiv auf Sars-CoV-2 getestet, von denen 2662 im Zusammenhang mit der Infektion starben.

Werden diese Zahlen miteinander verglichen, ergibt sich eine Sterberate von rund 4,7 Prozent. Der tägliche Lagebericht des Robert Koch Institutes (RKI) registrierte am 14. Mai 2021 insgesamt 85 848 Tote im Zusammenhang mit Covid-19.

Hier liegt das konkrete Fallbeispiel eines Landes vor, das im Sharepic aber mit der globalen Infektionssterblichkeitsrate (IFR) verglichen wird. Die IFR ist der Anteil der Todesfälle gemessen an allen infizierten Personen. Dafür müssen alle Infektionsfälle sowie Tote im Zusammenhang mit dieser Krankheit bekannt sein. Da es jedoch eine grosse Dunkelziffer bei Covid-Infektionen gibt, basiert die IFR auf geschätzten Werten.

Der im Sharepic angegebene IFR-Wert von 0,15 Prozent entstammt wahrscheinlich der Studie «Reconciling estimates of global spread and infection fatality rates of COVID-19». Der im März 2021 erschienene Artikel schlussfolgert, dass mit den verfügbaren Daten der durchschnittliche globale IFR etwa bei 0,15 Prozent liege. Dies würde dem Stand vom 21. Februar 2021 entsprechen. Der Autor weist aber explizit darauf hin, dass die Datenbasis unsicher und der IRF-Wert je nach Kontinent und Land ganz anders ist. Folglich ist der Wert mit Vorsicht zu interpretieren.

Es lassen sich keine offiziellen Daten zu sämtlichen symptomatischen Covid-Fällen in Deutschland finden. Folglich ist die Sterberate von ausschliesslich Geimpften in Deutschland nicht aussagekräftig. Diese dann mit der globalen Infektionssterblichkeitsrate aller Sars-CoV-2 Infizierten vergleichen zu wollen, ergibt keinen Sinn. Der IFR-Wert ist aufgrund der geschätzten und unsicheren Datenbasis kein fester Wert für derartige Relationen.

Gemäss der Impfstrategie in Deutschland wurden zuerst die über 60- bis 80-Jährigen geimpft. «Priorisiert erhalten demnach jene Menschen ein Impfangebot, die ein erhöhtes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer Covid-19-Erkrankung haben, etwa aufgrund hohen Alters oder bestimmter Vorerkrankungen», heißt es beim Bundesministerium für Gesundheit. Auch Menschen, die beruflich exponiert sind oder engen Kontakt mit Risikogruppen haben, wurden bevorzugt behandelt. Seit dem 7. Juni können sich in Deutschland alle über 16-Jährige impfen lassen.

Bis in den Mai sind folglich vorwiegend ältere Personen und Personen mit erhöhtem Risiko für schwere oder tödliche Verläufe geimpft worden. In dieser Altersgruppe ist generell die Sterblichkeit bei einer Covid-Infektion höher.

Berücksichtigt werden muss ebenso die Zeitspanne, bis der Impfstoff seine volle Wirkung entfaltet. Nach der ersten Impfdosis vergehen etwa zehn bis vierzehn Tage, bis der Impfschutz beginnt. Dieser beträgt bei der ersten Dosis etwa 60 bis 70 Prozent. «Nach der zweiten Impfstoffdosis lag die Wirksamkeit zur Verhinderung von Infektionen […] zwischen ca. 80 und 90%», schreibt das RKI.

Studien belegen, dass der Covid-19-Impfstoff vor schweren oder gar tödlichen Verläufen schützt, wenn auch nicht zu 100 Prozent.

(Stand: 20.7.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Dpa-Meldung zur Anzahl der Covid-Fälle trotz Impfung:

- Zeit Online, 14.05.2021 (archiviert)

- Welt, 14.05.2021 (archiviert)

RKI: Täglicher Lagebericht Covid-19, 14.05.2021 (archiviert)

WHO: Schätzung der Sterblichkeit durch Covid-19 (archiviert)

Studie vom Meta-Research Innocation Center at Stanford, 26.03.2021 (archiviert) DOI: https://doi.org/10.1111/eci.13554

Infektionsschutz: Q&A Wirksamkeit (archiviert)

Impfstrategie Deutschland (archiviert)

Todesfälle nach Sterbedatum (Excel Download) (archiviert)

The New England Journal for Medicine: Zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfung, 15.04.2021 (archiviert)

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