Zitat erfunden: Baerbock hat sich nicht zur Witwenrente geäussert

25.05.2021, 12:32 (CEST)

Seit die Grünen in Deutschland Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin ernannt haben, kursieren in sozialen Medien immer wieder Falschnachrichten über die Parteivorsitzende. Etwa seit Anfang Mai 2021 verbreitet sich auch hierzulande die Behauptung (hier archiviert), Baerbock wolle die Witwenrente abschaffen. «Die Witwenrente ist ein Relikt aus der militanten Vergangenheit Deutschlands», wird der Politikerin in den Mund gelegt. So eingesparte Mitteln könnten für die Integration von Flüchtlingen genutzt werden, soll sie weiter gesagt haben.

Bewertung

Das Zitat ist erfunden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich Baerbock so zur Witwenrente oder Rente für Hinterbliebene geäussert hat.

Fakten

Die Grünen weisen die Behauptung zurück, dass ihre Kanzlerkandidatin die Witwenrente abschaffen wolle. Das verbreitete Zitat sei «schlicht und einfach gefälscht», teilte Nicola Kabel, Pressesprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, auf Twitter mit. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Markus Kurth schrieb dazu auf Twitter: «Das ist in der Tat einfach kompletter Unsinn!»

Eine Google-Suche nach den Begriffen «Witwenrente» oder «Rente für Hinterbliebene» und dem Namen der Grünen-Politikerin bringt keine Treffer. Weder im Wahlprogramm der Partei noch auf der Website der Grünen zum Thema Altersversorgung ist die Rede von der Witwenrente oder einer Rente für Hinterbliebene.

Ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung bezeichnete gegenüber den Faktencheckern der Nachrichtenagentur AFP die angebliche Forderung Baerbocks als «gefälschtes Zitat». Auch ein Faktencheck von Correctiv kommt zu dem Ergebnis, dass die Aussage über die Witwenrente erfunden ist.

Die Witwenrente geht in Deutschland auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Im Jahr 1911 wurden Hinterbliebene von Angestellten besser abgesichert. Eine unbedingte Witwenrente wurde gewährt, Witwen mussten also nicht mehr ihre eigene Invalidität nachweisen. Auch heute kann man nach dem Tod des Ehe- oder Lebenspartners Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente erheben, lässt sich auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung nachlesen.

Falschbehauptungen rund um Baerbock traten zuletzt vermehrt auf, wie andere dpa-Faktenchecks zeigen (hier, hier, hier).

Baerbock ist Spitzenkandidatin der Grünen im Bundestagswahlkampf. Ihre Rivalen um das Kanzleramt sind der christdemokratische Parteichef Armin Laschet (CDU) und der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Ein neuer Bundestag und damit die Nachfolge der deutschen Regierungschefin Angela Merkel (CDU) wird im September gewählt.

Links

Facebook-Post mit Falschbehauptung zu Baerbock/Witwenrente (archiviert)

Tweet von Nicola Kabel, Pressesprecherin von Bündnis 90/Die Grünen (archiviert)

Tweet des grünen Bundestagsabgeordneten Markus Kurth (archiviert)

Google-Suche nach Verbindung Baerbock-Witwenrente (archiviert: Trefferseite 1, Trefferseite 2, Trefferseite 3, Trefferseite 4)

Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen (archiviert)

Grünen-Website zum Thema Rente (archiviert)

Correctiv-Faktencheck über Baerbock/Witwenrente (archiviert)

AFP-Faktencheck über Baerbock/Witwenrente (archiviert)

Geschichte der Deutschen Rentenversicherung (archiviertes Dokument)

Deutsche Rentenversicherung zur Rente für Hinterbliebene (archiviert)

dpa-Faktenchecks zu früheren Falschbehauptungen um Baerbock:

Baerbock hat nie ein Verbot der Hundehaltung gefordert

Sexistischer Vorwurf um angebliches Nacktfoto

Baerbock-Aufnahmen aus Zeit vor Pandemie

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com