Deutsche Grünen-Kanzlerkandidatin hat kein Verbot der Haustierhaltung verlangt

6.5.2021, 12:36 (CEST)

Eine klimafreundliche Politik ist der deutschen Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wichtig. Doch hat die Politikerin tatsächlich ein Ende der Haustierhaltung gefordert, um die CO2-Emissionen einzudämmen?

In einem Facebook-Post (hier archiviert) wird Baerbock folgende Aussage zugeschrieben: «Wir können alleine durch den Wegfall der Hunde in Deutschland ca. 19 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid einsparen. Das entspricht fast soviel CO2 wie man mit einem Auto bei zehntausend Erdumrundungen feisetzen [sic!] würde - fast 10% des Strassenverkehrs.» Die private Tierhaltung müsse also ein Ende haben.

BEWERTUNG: Für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege. Baerbock habe niemals ein Verbot der Tierhaltung gefordert, bestätigte die Pressesprecherin der Grünen.

FAKTEN: Eine wie im Facebook-Post beschriebene Forderung ist weder auf Baerbocks Internetseite noch im Entwurf des Grünen-Wahlprogramms zur Bundestagswahl ausfindig zu machen. «Das Zitat ist schlicht frei erfunden, Annalena Baerbock hat das nicht gesagt», dementierte die Pressesprecherin der Grünen, Nicola Kabel, das angebliche Zitat auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die Unterstellung, die Grünen wollten Haustiere – insbesondere Hunde – abschaffen, gibt es schon länger. Hintergrund: Ein Mitte 2019 in der Zeitung «Neues Deutschland» publizierter, bewusst provokativer Kommentar wurde in den sozialen Medien fälschlicherweise den Grünen zugeordnet. Die Faktenchecker von Mimikama haben bereits im Januar 2020 einen Artikel dazu veröffentlicht.

Die Kommentatorin veröffentlichte aufgrund von Leserbriefen unmittelbar darauf einen Tweet: Der Artikel sei als Denkanstoß gedacht und nicht zu 100 Prozent ernst gemeint gewesen. Trotz dieser Klarstellung brachten User in den sozialen Medien den Text immer wieder mit den Grünen in Verbindung.

Übrigens: In der Schweiz wurde im Jahre 2015 die Ökobilanz von Haustieren untersucht - namentlich von Pferden, Hunden, Katzen, Kaninchen, Ziervögeln und Zierfischen. Dabei wurden die Einflüsse auf die Umwelt wie Fütterung, Behausung, Fäkalien oder Fahrten mit dem Auto begutachtet.

Die Studie ergab, dass die Belastungen mit der Größe und Schwere des Haustiers zunehmen. «Im Vergleich zum durchschnittlichen Konsum einer in der Schweiz lebenden Person erhöht die Haltung eines Pferdes diese Umweltbelastungen um mehr als ein Drittel. Beim Hund sind es etwa fünf Prozent, bei kleineren Tieren um die drei Prozent oder weniger», so die Studienautoren. Insgesamt habe die Haustierhaltung in der Schweiz allerdings eine untergeordnete Bedeutung, da sie dort etwa 1,2 Prozent der gesamten Umweltbelastung ausmache.

Belege dafür, die Grünen oder ihre aktuelle Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wollten die Haustierhaltung abschaffen oder eine CO2-Steuer für Haustiere erheben, gibt es jedenfalls nicht. In Deutschland ist das angebliche Zitat mehrfach viral gegangen.

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Links:

Facebook-Post: https://www.facebook.com/mark.salzhugel/posts/4030257547058359 (archiviert: https://archive.ph/2rEcx)

Annalena Baerbocks Themen: https://annalena-baerbock.de/meine-themen/ (archiviert: https://archive.ph/RCkXW)

Annalena Baerbocks Forderungen zum Klimaschutz:
https://annalena-baerbock.de/meine-themen/klimaschutz/ (archiviert: http://dpaq.de/GofGo)

Grünen-Wahlprogramm:
https://cms.gruene.de/uploads/documents/2021_Wahlprogrammentwurf.pdf(archiviert: http://dpaq.de/iTysA)

Mimikama-Faktencheck:
https://www.mimikama.at/aktuelles/lasst-uns-die-koeter-abschaffen-ein-irrsinn-der-gruenen-faktencheck/?fbclid=IwAR0TrutBOb03Qrn9Q7jrKkq-BegPcvEcaFxAz7i4zacqpps8clf7MEm3SwE (archiviert http://dpaq.de/M7qVG)

Kommentar in «Neues Deutschland»:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1123027.haustiere-lasst-uns-die-koeter-abschaffen.html (archiviert: http://dpaq.de/jq7bK)

Twitter-Post der Autorin von «Neues Deutschland»:
https://twitter.com/KatharinaSchwir/status/1153571426227634176 (archiviert: http://dpaq.de/NDwiJ)

ESU-Services: http://esu-services.ch/de/projekte/haustiere/ (archiviert: https://archive.ph/JGuhh)

Studie «Ökobilanz von Haus- und Heimtieren»: http://esu-services.ch/fileadmin/download/annaheim-2019-%C3%96kobilanz-Haustiere.pdf (archiviert: https://web.archive.org/web/20210429165812/http://esu-services.ch/fileadmin/download/annaheim-2019-%C3%96kobilanz-Haustiere.pdf)

Faktencheck dpa: https://dpa-factchecking.com/germany/210422-99-311758/

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-schweiz@dpa.com