Ein Tunnel voller Gold: Fantasie statt Fakt

Eigentlich müsste Indiana Jones, der legendäre Abenteurer und Archäologe, in Rom sein. Denn dort, unter dem Vatikan, beginnt Facebook-Posts zufolge ein geheimer, 1500 Meilen (rund 2500 Kilometer) langer Tunnel. Er sei, heißt es, gefüllt mit Gold und führe unter dem Mittelmeer direkt nach Jerusalem.

Bewertung

Es gibt keinerlei Beweis dafür und keinen nachvollziehbaren Hinweis darauf, dass es diesen Tunnel tatsächlich gibt. Zudem übertrifft die angeblich nach Fort Knox ausgeflogene Menge Gold bei weitem die dort gelagerte Menge des Edelmetalls.

Fakten

In Facebook-Posts (hier archiviert) wird auf die Verschwörungsseite freeworldnews.us (hier archiviert) verlinkt, wo eine «verbotene Geschichte» enthüllt wird. «Der 1500-Meilen-Tunnel vom Vatikan nach Jerusalem - Mehr Gold, als man sich vorstellen kann, im Tunnel gefunden», heißt es dort. Im Tunnel unter der Vatikanstadt seien große Mengen Gold gefunden worden. Auf den ersten 250 Meilen (402 Kilometer), die auf der Webseite fälschlicherweise als 241 Kilometer umgerechnet werden, sei das Gold «13 Ebenen hoch gestapelt» gewesen. Der Autor des Beitrags weiß nach eigenen Angaben selbst nicht, was das bedeutet: «Aber was auch immer, es war eine Menge.»

Das Gold sei vom Militär entdeckt worden, nachdem «die 13 (satanischen) Blutlinienfamilien» besiegt worden seien. Die Aufmerksamkeit der Welt sei auf das COVID-19-Virus gelenkt worden, was es erlaubt habe, den Tunnel zu säubern und das Gold nach Fort Knox zu bringen. Dafür seien 650 Flugzeuge nötig gewesen. Auf der Seite wird auch erläutert, dass «der Geist Gottes» einen derartigen Fund vorhergesagt habe.

Diese Behauptungen sind weitgehend identisch mit dem englischen Text eines Videos (hier archiviert), das von der Webseite amg-news.com verbreitet wird. Auf dieser Webseite befinden sich unter anderem Beiträge über den Kampf gegen den «Deep State» und «die Kabale» sowie Spekulationen über Verhaftungen und Todesurteile nach einer angeblich bevorstehenden Verhängung des Kriegsrechts in den USA.

Auf der Webseite von freeworldnews.us wird die Frage, «wie sie diese riesigen Tunnel bauen», mit dem Foto eines langen Tunnels beantwortet. Dabei handelt es sich jedoch um ein seit 2010 weltweit immer wieder verbreitetes Foto, das während der 17 Jahre dauernden Bauarbeiten am Gotthard-Basistunnel (Schweiz) gemacht wurde. Dieser Tunnel wurde am 1. Juni 2016 eröffnet und ist mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Der längste Straßentunnel ist mit 24,5 Kilometern der Laerdalstunnel in Norwegen.

Unabhängig von der Frage, warum man einen direkten Tunnel zwischen dem Vatikan und Jerusalem bauen und warum man dort schier unglaubliche Mengen Gold gelagert haben sollte, sprechen auch die Erfahrungen der Menschheit mit den Naturgesetzen gegen die Existenz eines 2400 Kilometer langen Tunnels unter dem Mittelmeer.

Sowohl in Bergwerken als auch in anderen Tunneln ist stets die Lüftung ein entscheidendes Problem. Im Gotthardtunnel stehen für die Lüftung zwei leistungsstarke, hochmoderne Lüftungszentralen zur Verfügung. Der Tunnel ist so konstruiert, dass die Luft im Tunnel durch die fahrenden Züge gepresst und angesogen wird. Der angebliche Vatikan-Tunnel wäre allerdings gut 40 mal länger als der Gotthard-Basistunnel.

Auch die Behauptung, zum Abtransport des gefindenen Goldes seien 650 Flugzeuge nötig gewesen, ist mehr als unglaubwürdig. Das verlinkte Video zeigt dazu Bilder von Flugzeugen des Typs Lockheed C-130 Super Hercules, wie sie auch die US-Luftwaffe verwendet. Dise Maschinen können nach Herstellerangaben knapp 20 Tonnen befördern. Das wären also an die 13.000 Tonnen Gold.

In Fort Knox, wohin das Gold angeblich gebracht wurde, lagern nach Angaben der US-Münze jedoch lediglich 147,3 Millionen Unzen oder 4175,9 Tonnen des wertvollen Edelmetalls. Das ist kaum ein Drittel der vorgeblich unter dem Vatikan sichergestellten Menge.

Der Vatikan regt die Fantasie von Verschwörungstheoretikern offenkundig besonders an. So wurde auch auf Facebook unter anderem behauptet, im Untergrund des Vatikans gebe es 80 Kilometer lange geheime Archive, aber auch geheime Begräbnisstätten.