Gefahr für viele Küstenorte

Wissenschaftlich belegt: Meeresspiegel steigen weltweit an

07.06.2024, 15:10 (CEST)

Stellt eine Grafik, die den Meeresspiegel für Oslo zeigt, die bekannten Folgen des Klimawandels infrage? Auf den ersten Blick scheint es so, doch dieser Schein trügt.

Eine in sozialen Netzwerken geteilte Grafik soll zeigen, dass der Meeresspiegel im norwegischen Oslo tendenziell fällt. Deshalb behauptet der Verfasser des Beitrags, «dass der Meeresspiegel seit über 100 Jahren sinkt und bis zum Ende des Jahrhunderts um 28 cm sinken wird». Kann das sein? Lagen bisherige Berechnungen falsch?

Bewertung

Nein. Der Meeresspiegel steigt weltweit an. Das ist wissenschaftlich bewiesen. In Oslo gibt es allerdings die Besonderheit, dass die Landmasse gleichzeitig noch schneller wächst.

Fakten

Der Klimawandel bringt verschiedene Auswirkungen auf die Umwelt mit sich. Neben dem Verlust von Artenvielfalt oder dem vermehrten Auftreten extremer Wetterereignisse ist auch der ansteigende Meeresspiegel eine Folge der globalen Erderwärmung.

Das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung warnt vor dem Anstieg des Meeresspiegels: «Seit Beginn der Industrialisierung ist durch die Klimaerwärmung der Meeresspiegel bereits um 20 cm angestiegen und der Anstieg hat sich (...) im letzten Jahrzehnt deutlich beschleunigt.» Diesen Wert nennt auch der aktuelle Weltklimabericht. Die Grafik in dem Facebook-Post enthält auch eine Linie, die den weltweiten Anstieg laut IPCC-Prognose darstellt.

Sollten alle Gletscher und Eisschilde schmelzen und in den Ozean fließen, rechnet das Nasa Sea Level Change Team mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 60 Meter.

In Oslo hebt sich das Land schneller als das Meer steigt

In der norwegischen Hauptstadt Oslo gibt es jedoch eine Besonderheit: Obwohl auch dort der tatsächliche Meeresspiegel aufgrund der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung steigt, geht er im Verhältnis zum Land zurück. Das liegt daran, dass sich das Land aufgrund eines standortspezifischen geologischen Prozesses anhebt. Dabei geht es um die Bewegung von Land, das einst von eiszeitlichen Gletschern belastet wurde.

Diese Begebenheit sei an der norwegischen Küste weit verbreitet, heißt es in einem Bericht von Kartverket, der Kartierungsbehörde des skandinavischen Landes. Demnach beträgt die Landhebung etwa 5 Millimeter pro Jahr. Das heißt: In 100 Jahren wächst Norwegen um etwa 50 Zentimeter nach oben.

Meerespiegel: Relativer Rückgang, bereinigte Steigerung

In Bezug auf den Zeitraum von einem Jahrhundert sei in Oslo ein relativer Rückgang des Meeresspiegels um etwa 30 Zentimeter gemessen worden, erklärt der Meeresspiegelforscher Matthew Simpson den Faktencheckern der Australian Associated Press. Während das Land dort um 50 Zentimeter in die Höhe gewachsen ist, stieg das Meer um 20 Zentimeter - so ergeben sich die gemessenen 30 Zentimeter Differenz.

Matthew Simpson von Kartverket erklärt deshalb: «Die Differenz zwischen diesen beiden Zahlen zeigt, dass der Meeresspiegel in Oslo im 20. Jahrhundert um etwa 20 Zentimeter gestiegen ist. Das ist nur eine grobe Schätzung, aber so kann man sich das vorstellen.» Daher werden die Messungen des Meeresspiegels in der Regel auch um den geologischen Prozess bereinigt.

«Relativ gesehen sinkt dort der Meeresspiegel, weil die Erdkruste dort nach oben kommt», fasste der Klimawissenschaftler Samuel Helsen von der Universität im belgischen Löwen die Lage in Skandinavien schon vor Jahren in einem dpa-Faktencheck zusammen: «Das ist eine Folge des Abschmelzens der Eiskappen nach der letzten Eiszeit. Das ist ein bekanntes Phänomen.»

(Stand: 6.6.2024)

Links


Folgen des Klimawandels (archiviert)

GEOMAR zum Meeresspiegelanstieg (archiviert)

Bericht des Weltklimarats IPCC (archiviert)

Nasa zum Anstieg des Meeresspiegels (archiviert)

Grafik zum relativen Meeresspiegel in Oslo (archiviert)

National Ocean Service zum geologischen Prozess GIA (archiviert)

Bericht der Kartierungsbehörde Kartverket (archiviert)

Faktencheck der Australian Associated Press (achiviert)

Meeresspiegelforscher Matthew Simpson bei Kartverket (archiviert)

Beitrag bei Facebook (archiviert)

dpa-Faktencheck (Niederländisch)

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