Altes Sharepic aus 2021
Vermeintlicher Parteivergleich gibt Positionen verfälscht wieder
29.5.2024, 14:58 (CEST)
Vor der Europawahl informieren Wahlplakate und Programme über die Vorhaben der kandidierenden Parteien. Auch in sozialen Medien ist ein angeblicher «Vergleich der Parteiprogramme» unterwegs, der zehn verschiedenen Positionen tabellenartig auflistet. So heißt es unter anderem, nur die AfD sei gegen eine unbegrenzte Aufnahme von Asylbewerbern, die CDU, die SPD, die Linke und die Grünen hingegen dafür. Weiter wird behauptet, alle genannten Parteien außer der AfD seien gegen Grenzschutz. Doch das ist so nicht korrekt.
Bewertung
Mehrere dargestellten Positionen geben die tatsächlichen Inhalte der Parteien falsch wieder. Das Sharepic ist zudem alt und kursierte bereits 2021 mit einem AfD-Logo.
Fakten
In der tabellenartigen Auflistung heißt es unter dem Punkt «Grenzen sichern und kontrollieren», dass CDU, SPD, Linke, FDP und Grüne dagegen seien und nur die AfD dafür. Eine «Unbegrenzte Aufnahme v. Asylbewerbern» soll angeblich allein die AfD ablehnen, die FDP habe hier eine «Jain»-Haltung. CDU, SPD, Linke und Grüne seien dafür.
Ein Blick in die Programme der Parteien zur Europawahl zeigt, dass diese Positionen zu Grenzschutz und Asyl so nicht stimmen:
Zur Grenzsicherung fordert die CDU eine «bessere Überwachung der EU-Außengrenzen und - wo immer es nötig ist - auch baulichen Grenzschutz». Dazu solle etwa die EU-Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden. Asylverfahren sollten in einem «sicheren Drittstaat außerhalb der EU» durchlaufen werden, wo nach der Anerkennung auch der Schutz gewährt werden soll.
Die SPD setzt sich dafür ein, dass die EU-Außengrenzen «rechtsstaatlich und sicher» sein sollen. Bei der Migrationspolitik soll das «Grundprinzip der Humanität» leitend sein, aber auch «Ordnung und Steuerung».
Die Linke kritisiert vor allem eine «Militarisierung der EU-Außengrenzen» und fordert eine «solidarische und humane Migrations- und Asylpolitik» sowie mehr legale Fluchtwege. Die Partei positioniert sich grundsätzlich gegen Abschiebungen.
Die Grünen fordern «Humanität und Ordnung». Grenzkontrollen an den Außengrenzen seien eine EU-Gemeinschaftsaufgabe, «die zunehmend von europäischen Beamt*innen übernommen werden sollte». Außerdem setzt sich die Partei für eine «langfristige, geordnete und faire gemeinsame EU-Asylpolitik» ein. Wer kein Aufenthaltsrecht erhalte, «muss zügig wieder ausreisen».
Der FDP zufolge sei «ein starker, effektiver Schutz der EU-Außengrenze» eine Voraussetzung für offene Grenzen im Innern. Dazu fordert die Partei «geeignete Grenzschutzmaßnahmen sowie eine moderne Sicherheitstechnik» und einen schnelleren Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Sie will «mit schnelleren Asylverfahren und konsequenten Rückführungen irreguläre Migration» reduzieren sowie humanitäre und rechtsstaatliche Standards gewährleisten.
Die AfD fordert zum Schutz der europäischen Außengrenzen «die Errichtung physischer Barrieren, eine technische Überwachung und den Einsatz von Grenzschutzkräften». In der Asylpolitik will die Partei einen angeblichen Kontrollverlust stoppen und sich für eine «Rückkehr der hier aufgenommenen Asylbewerber» einsetzen.
Das Sharepic kursierte bereits 2021 vor der Bundestagswahl - bezieht sich also nicht auf aktuelle Wahlen. Schon damals waren weitere aufgelistete Positionen nicht korrekt - etwa zur GEZ, die es nicht mehr gibt und die heute den Rundfunkbeitrag beschreibt. Auch nicht richtig wiedergegeben waren die Positionen der Parteien zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten - dies ist bereits Praxis und wird von mehreren Parteien befürwortet, nicht nur der AfD.
Damals war das Sharepic zudem mit einem Bayern-Logo der AfD und der Interessengemeinschaft der Russlanddeutschen in der AfD versehen. Unklar ist, ob es ursprünglich tatsächlich von der Partei oder ihren Mitgliedern erstellt wurde. Die Abbildung der Logos entsprach nicht dem offiziellen Muster der AfD Bayern oder der AfD-Russlanddeutschen.
Ein weiteres Beispiel zeigt, dass die Inhalte auf dem Sharepic alt sind und nicht zutreffend: Angeblich seien die CDU, die SPD, die Linke und die Grünen für eine Erhöhung der Strompreise durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz), die FDP habe zu dem Punkt eine «Jain»-Haltung und nur die AfD sei dagegen.
Die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über die Stromrechnung wurde 2022 von der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP abgeschafft. Seitdem zahlen sie Verbraucher nicht mehr über den Strompreis. Ökostromanlagen werden seitdem über den Bundeshaushalt subventioniert.
(Stand: 29.5.2024)
Links
Wahlprogramm Linkspartei (archiviert)
dpa-Faktencheck zur früheren Verbreitung des Sharepics
frühere Version des Sharepics, archiviert
Erscheinungsbild IGdRD (archiviert)
dpa-Bericht über EEG-Umlage, veröffentlicht von «sueddeutsche.de» (archiviert)
Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert, Bild archiviert)
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