Falsch zugeordnete Videos sind kein Beleg für Inszenierung

Unter dem Schlagwort «Pallywood» (Kofferwort aus «Palästina» und «Hollywood») kursieren im Netz derzeit immer wieder Behauptungen zu angeblich inszenierten Toten im Gaza-Krieg oder vermeintlichen palästinensischen Schauspielern. Nun ist in den sozialen Netzwerken erneut zu lesen, die Hamas inszeniere sich mit «falschen Opfern». In einem Blogbeitrag sind mehrere Fotos und Videos zu sehen, die angeblich solche Inszenierungen belegen. Darunter ein mehrfach gerettetes Mädchen, Lebende unter Leichentüchern, eine vorgetäuschte Beerdigung und zwei Schauspielerinnen – erst kriegsbegeistert, dann als Opfer. Was steckt hinter den Aufnahmen?

Bewertung

In den untersuchten vier Fällen gibt es keinen Beleg dafür, dass die Videos von palästinensischer Seite aus in die Welt gesetzt wurden oder es sich bei den abgebildeten Menschen um Schauspieler handelt.

Fakten

Relativ zu Beginn des Blogartikels sind drei Bilder eines kleinen Mädchens zu sehen, das «angeblich immer wieder aus den Trümmern geholt» wurde. Die Fotos stammen allerdings gar nicht aus dem Gazastreifen, sondern zeigen das Resultat eines Bombenangriffs Ende August 2016 in Syrien, wie dieser dpa-Faktencheck belegt.

Bei einem Bombenangriff im syrischen Aleppo kamen mehrere Menschen ums Leben, das kleine Mädchen wurde aus einem zerstörten Haus gerettet. Dabei wurde das Kind von mehreren Personen über die Trümmer hinweg in Richtung Straße gereicht.

Keine Bewegungen von Toten

Zwei Absätze darauf soll dann ein Video vermeintlich zeigen, «wie eine eben noch betrauerte palästinensische Leiche wieder zum Leben erwacht». Doch auch dieses Video ist um einiges älter und aus einem anderen Land, wie die Recherchen eines niederländischen dpa-Faktenchecks bereits vor zwei Jahren ergaben.

So handelt es sich bei den abgebildeten Personen wohl um junge Jordanier und eine Szene aus dem März 2020. Verschiedenen Medienberichten zufolge versuchten einige junge Männer offenbar, die Ausgangssperren aufgrund von Covid-19 zu umgehen, indem sie sich zu einer vorgetäuschten Beerdigung trafen.

Als ein weiteres Beispiel für die angeblichen Inszenierungen der Hamas wird dann ein Video von «mehreren lebendigen Leichen» gezeigt. Zu sehen sind Personen, die unter weißen Laken liegen, und tatsächlich bewegen sich einige von ihnen mehrfach. Allerdings stammen die Aufnahmen nicht aus Gaza und es gibt es keine Belege dafür, dass das Video von palästinensischen Accounts verbreitet wurde, wie die dpa in einem Faktencheck dargelegt hat.

Vielmehr handelt es sich bei den Aufnahmen um eine Protestaktion Studierender an der Al-Azhar-Universität in Kairo im Oktober 2013. Die Gruppe demonstrierte mit der Aktion gegen die Absetzung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi drei Monate zuvor. Auf Youtube ist das zehn Jahre alte Original-Video der Aktion zu finden.

Zwei Vorfälle, vier Frauen

Im weiteren Verlauf des Artikels ist schließlich ein zweigeteiltes Video zu sehen, das angeblich «dieselben Akteure, die anfangs recht kriegsbegeistert scheinen, in späteren Aufnahmen als emotionale Opfer der israelischen Aggression» zeigt. Nur sind die dort abgebildeten Frauen nicht dieselben und stammen darüber hinaus nicht aus der gleichen Region, wie ein weiterer dpa-Faktencheck zeigt.

Die beiden bewaffneten Frauen leben im Westjordanland und sind dort im September 2023 bei einer Gedenkfeier für ihre verstorbenen Kinder zu sehen. Die schwarz gekleideten Frauen im unteren Teil des Videos wurden Anfang Oktober 2023 vor dem Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza aufgenommen. Auf Bildern in höherer Qualität lässt sich eindeutig erkennen, dass es sich um vier verschiedene Menschen handelt.

Hinweis: Der Faktencheck wurde mit Untersuchungen zu den Videos mit dem Mädchen aus Syrien und mit den jungen Männern aus Jordanien am 14.11.2023 aktualisiert.

(Stand: 14.11.2023)