Kein Bezug zu Erdbeben

Video mit Lichtkegel zeigt Raketenstart in Kasachstan 2022

17.2.2023, 15:13 (CET)

Ein heller Lichtkegel am dunklen Himmel, Monate später das Erdbeben in der Türkei. Ein behaupteter Zusammenhang ist schon wegen der tausende Kilometer weiten Entfernung völlig abwegig.

Am 6. Februar haben verheerende Erdbeben die Türkei und Syrien erschüttert. In den sozialen Netzwerken kursiert derzeit ein Video, das Nutzerangaben zufolge «vor dem Erdbeben in der Türkei» aufgenommen wurde. Es zeigt einen hellen Lichtkegel, der in den dunklen Himmel steigt und dort ballonartige Lichtspuren hinterlässt. Hängt die Erscheinung am Himmel mit den Erschütterungen des Erde zusammen, wie der Post suggeriert?

Bewertung

Dieses Video hat keinen Bezug zu den Erdbeben in der Türkei. Es wurde schon im September 2022 veröffentlicht und lässt sich tausende Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt lokalisieren.

Fakten

Mithilfe einer Bilderrückwärtssuche zeigt sich, dass das Video schon einige Monate vor dem Erdbeben in der Türkei am 6. Februar gepostet wurde. Auf der Plattform Telegram war es etwa bereits am 25. September 2022 mit der Ortsangabe Балкаш (Balqasch) in Kasachstan online. Den ältesten Post des Videos hat die Deutsche Presse-Agentur am 22. September 2022 auf einem russischen Blog gefunden. In der Bildunterschrift werden weder die Türkei noch Erdbeben erwähnt.

Unter dem Beitrag führt ein Link zu einem russischen Artikel vom 21. September 2022. Dort wird das Leuchten am Himmel auf den Start einer Sojus-Rakete zur Internationalen Raumstation ISS zurückgeführt. Menschen hatten den Angaben des Artikels nach Fotos und Videos von der Lichtkugel in sozialen Medien geteilt.

Die Rakete war am 21. September vom Raketenstartplatz Kosmodrom Baikonur im Süden Kasachstans gestartet. Mit der Sojus-Trägerrakete waren zwei Russen und ein US-Astronaut gemeinsam ins All gestartet. Auch auf anderen Fotos im Netz zu dem Ereignis sind ähnliche ballonartige Lichtmuster wie auf dem geteilten Video zu sehen.

Dies deutet darauf hin, dass die Szene nicht in der Türkei aufgenommen wurde. Das haben das Recherchenetzwerk Correctiv und zuvor bereits der belgische Fernsehsender RTBF in einer Geolokalisierung auch nachgewiesen. Demnach wurde das Video in der kasachischen Stadt Balqasch aufgezeichnet, die 900 Kilometer Luftlinie östlich des Raketenstartplatzes liegt: Die auf Google Maps gezeigten Gebäude stimmen mit denen im Video überein.

Die Aufnahme entstand also tatsächlich «vor dem Erdbeben», allerdings mehrere Monate vorher. Auf keinen Fall wurde das Video in der Türkei aufgenommen, sondern fast 3300 Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt in Kasachstan. Ein Zusammenhang ist mithin ausgeschlossen.

Trotzdem sind in einigen Kommentaren weit hergeholte Theorien zur Ursache des Erdbebens in der Türkei und in Syrien mit über 42 000 Toten zu lesen. Ein Nutzer etwa behauptet, ein amerikanisches Forschungsprogramm namens HAARP habe die Katastrophe ausgelöst.

Haarp steht für das «High-frequency Active Auroral Research Program», ein Projekt in Alaska, bei dem mit Hochfrequenz-Wellen ein bestimmter Teil der Erdatmosphäre untersucht wird. Jedoch kann eine Technologie, wie sie beim Haarp verwendet wird, keine Erdbeben auslösen. Die Deutsche Presse-Agentur hat diese Behauptung bereits widerlegt.

(Stand: 17.02.2023)

Links

Facebook-Claim (archiviert)

Facebook-Claim kommentiert (archiviert)

Bilderrückwärtssuche (archiviert)

Informationen des MDR zum Raketenstart (archiviert)

Artikel auf Russisch vom 21. September 2022 (archiviert)

Video auf Telegram (archiviert)

Video auf einem russischen Blog vom 22. September 2022 (archiviert)

dpa-Faktencheck zum Video (französisch)

Ort der Videoaufnahme (archiviert)

Stadt Balqasch auf Google Maps (archiviert)

Entfernung Kahramanmaras-Balqasch (archiviert)

Informationen zum Start der Sojus-Rakete - dpa-Artikel (archiviert)

Bilder zum Start der Sojus-Rakete (archiviert)

Faktencheck von Correctiv (archiviert)

Geolokalisierung RTBF (archiviert)

Artikel zu Erdbebenopfern - dpa Artikel(archiviert)

dpa-Faktencheck zu HAARP

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