Stimmzettel in Frankreich sind trotz kleiner Risse gültig
1.5.2022, 09:39 (CEST)
Die Regeln für den Umgang mit Wahlunterlagen sind in vielen Ländern sehr streng. In einem auf Facebook verbreiteten Video ist ein Mann zu sehen, der mehrere leicht eingerissene Stimmzettel für die französischen Präsidentschaftswahlen zeigt. Darauf zu sehen ist der Name der rechtsradikalen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen. Das Video wird in den sozialen Medien mit der Botschaft verbreitet, das seien «Indizien für Wahlbetrug», da die Stimmzettel für Marine Le Pen «ungültig (Riss) gemacht wurden» (archiviert). Aber weist dieses Video wirklich auf Wahlbetrug hin, weil die beschädigten Stimmzettel bei der Abstimmung nicht gezählt worden wären?
Bewertung
Tatsächlich sind in Nordfrankreich solche leicht beschädigten Stimmzettel aufgetaucht. Laut Aussage des französischen Innenministeriums reichen derart leichte Beschädigungen aber nicht aus, um sie für ungültig zu erklären. Außerdem hatten Bürger die Möglichkeiten, sich im Wahllokal einen neuen, unbeschädigten Stimmzettel aushändigen zu lassen.
Fakten
Das Video wurde bereits am 22. April auf YouTube hochgeladen. Einem Artikel der französischen Zeitung «Libération» zufolge erklärte die Frau des Mannes aus dem Video, dass das Paar im Norden Frankreichs lebt und dass in ihrer Region einige Bürger zerrissene oder verschmierte Stimmzettel geschickt bekommen hatten. Die zuständige Präfektur Nord bestätigte Libération den Fall.
Auch das Regionalmedium «La Voix du Nord» schrieb darüber am Tag vor dem zweiten Wahlgang. In 16 (von 648) Gemeinden wurden den Wählern demnach leicht beschädigte Wahlzettel nach Hause geschickt. Die Kommission, die die Wahlen beaufsichtigte, habe davon gewusst. Die Präfektur sagt nichts darüber, für welchen Kandidaten diese beschädigten Scheine bestimmt waren.
Wie kam es dazu?
Ein Sprecher des französischen Innenministeriums erklärte der Deutschen Presse-Agentur dpa, dass in sehr kurzer Zeit sehr viele Stimmzettel verteilt wurden: «Es handelt sich um eine groß angelegte Operation: mehr als 200 Millionen Wahlzettel für die zweite Runde. Während des Produktionsprozesses oder beim Einlegen in die Umschläge ist es durchaus möglich, dass die Stimmzettel gelegentlich Druckfehler aufweisen oder beschädigt werden. Das kann vor allem dann passieren, wenn der Einführungsprozess mechanisch erfolgt.»
Wie sind die gesetzlichen Regelungen zu Stimmzetteln?
Nach Artikel 66 des französischen Wahlgesetzes werden Stimmzettel «mit inneren oder äußeren Kennzeichen (...) bei der Auszählung nicht berücksichtigt». Das passiert aber nicht bei Stimmzetteln, die so leicht beschädigt sind, wie die in dem Video gezeigten. «In diesem besonderen Fall kann der sehr geringe Schaden keinen Grund für die Nichtigkeit darstellen», teilte das französische Innenministerium der dpa mit. Außerdem könnten Wähler am Wahltag im Wahllokal einen weiteren Stimmzettel beantragen, sagte der Sprecher weiter. Zunächst entscheide der Vorsitzende des Wahllokals über die Ungültigkeit, letztlich unterliege diese aber einer gerichtlichen Überprüfung.
Insgesamt waren 2,29 % der im zweiten Wahlgang am 24. April abgegebenen Stimmen auf nationaler Ebene ungültig - deutlich weniger, als nötig wären, um das Ergebnis der Wahl zu ändern. In der fraglichen Präfektur liegt dieser Wert bei 2,10 %. Das entspricht in etwa dem landesweiten Wert und hätte auch dort nicht für ein anderes Ergebnis gereicht. Bereits kurz nach der Wahl am 24. April kursierten mehrere falsche Behauptungen über die französischen Präsidentschaftswahlen, über die die dpa bereits in anderen Faktenchecks hier und hier berichtete.
(Stand: 28.4.2022)
Links
Video auf Youtube (archiviert)
Artikel 66 des französischen Wahlgesetzes (archiviert)
Artikel in «Liberation» (archiviert)
Artikel in «La Voix du Nord» (archiviert)
Regelungen zur Stimmabgabe in Frankreich (archiviert)
Informationen zu ungültigen Stimmen beim französischen Innenministerium (archiviert)
Ausgang der Stichwahl zum französischen Präsidenten (archiviert)
Ausgang der Stichwahl in der Präfektur Nord (archiviert)
dpa-Faktencheck zum Vorwurf des Wahlbetrugs in Frankreich
weiterer dpa-Faktencheck zum Vorwurf des Wahlbetrugs in Frankreich
Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com