Weder Anklage noch Ermittlungen wegen Corona-Maßnahmen am Internationalen Strafgerichtshof

02.01.2022, 13:38 (CET)

Am Internationalen Strafgerichtshof (ICC) im niederländischen Den Haag sind immer wieder bekannte Politiker oder Militärs nach dem Völkerstrafrecht verurteilt worden - etwa wegen Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nun berichtet ein Blog (archiviert): Wegen der Einführung von Corona-Maßnahmen und der Impfungen gegen Covid-19 gebe es am ICC angeblich eine Anklage, unter anderem gegen den britischen Premierminister Boris Johnson, den US-Milliardär Bill Gates sowie den Vorsitzenden des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab. Stimmt das?

Bewertung

Es gibt keine solche Klage am Internationalen Strafgerichtshof und auch keine entsprechenden Ermittlungen der Ankläger dort. Der Artikel beruht auf einer Fehlinterpretation eines Schreibens von Aktivisten, von denen viele bereits zuvor durch das Verbreiten von falschen Informationen zur Pandemie und zur Sicherheit der Impfstoffe aufgefallen sind. Auch der Blog-Artikel und das Schreiben enthalten mehrfach widerlegte Falschbehauptungen.

Fakten

Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag ist für etwas mehr als 120 Staaten der Erde zuständig und verhandelt Verstöße gegen das Völkerstrafrecht. Eine wichtige Institution ist dabei der am Gericht angesiedelte Ankläger («Prosecutor»). Dieser kann eigenständig ermitteln und anschließend Anklage gegen Beschuldigte erheben - vergleichbar mit einem Staatsanwalt an deutschen Strafgerichten.

Gemäß dem Gründungsdokument des ICC, dem Römischen Statut, kann der Ankläger unter anderem aufgrund von Hinweisen von außen aktiv werden. Auf der Website des ICC werden die derzeit laufenden Untersuchungen und Verfahren in verschiedenen Kategorien aufgelistet: Voruntersuchungen («Preliminary Examinations»), Ermittlungen («Investigations») und tatsächliche Verfahren («Cases»). In keiner dieser Kategorien findet sich die auf dem Blog behauptete Klage im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen und Impfungen.

Die Angaben im Blog stützen sich offenbar auf einen im Internet kursierenden Brief an das Büro des Anklägers. Darin fordern Aktivisten Ermittlungen und ein Verfahren vor dem Strafgerichtshof - unter anderem gegen den britischen Premierminister Boris Johnson und zwei seiner Minister, den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation Tedros Adhanom Ghebreyesus, Milliardär Bill Gates, den Vorsitzenden des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab sowie Funktionäre von Pharmaunternehmen.

Das Schreiben datiert auf den 6. Dezember 2021. Über eine Reaktion des Anklägers oder des ICC ist nichts bekannt. Der Ankläger hat keine Verpflichtung, Voruntersuchungen oder Ermittlungen aufzunehmen. Wie ältere ICC-Dokumente zeigen, werden viele Hinweise von außen gar nicht aufgegriffen.

Unter den Absendern des Briefs sind bekannte Gegner der Corona-Maßnahmen und der Impfung gegen das Virus. Viele der Autorinnen und Autoren sind bereits mit Falschinformationen zur Pandemie und zur Sicherheit der Impfstoffe aufgefallen. Der Brief und der Blog-Artikel enthalten mehrfach widerlegte Falschbehauptungen unter anderem über die Maßnahmen gegen das Coronavirus, mRNA-Impfstoffe sowie die Testverfahren.

(Stand: 02.01.2021)

Links

Informationen zum Internationalen Strafgerichtshof (archiviert)

Informationen zum Ankläger (archiviert)

Überblick der Voruntersuchungen (archiviert)

Überblick der Ermittlungen (archiviert)

Überblick der Verfahren (archiviert)

Römisches Statut des ICC (archiviert)

Englischsprachiger Artikel mit Auszügen aus dem Brief an den Ankläger (archiviert)

ICC-Zahlen von 2011 über nicht aufgegriffene Hinweise (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Masken gegen Corona (4.3.2021)

dpa-Faktencheck zu mRNA-Impfstoffen (25.3.2021)

dpa-Faktencheck u.a. zu PCR-Tests (23.10.2021)

Artikel auf «Unser Mitteleuropa» (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com