FDA empfiehlt Booster-Impfung mit Biontech/Pfizer für bestimmte Gruppen

15.11.2021, 14:14 (CET)

Eine Auffrischimpfung gegen Corona wird in Deutschland von der Ständigen Impfkommission für Menschen ab 70 Jahren empfohlen. Auch in den USA werden die sogenannten Booster-Impfungen bereits durchgeführt. In den sozialen Netzwerken kursiert nun ein Video, in dem ein früherer österreichischer FPÖ-Politiker behauptet, die US-Gesundheitsbehörde FDA hätte diese dritte Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech/Pfizer «verboten» (archiviert hier, Video hier). Dies ginge auf einen Vortrag eines angeblichen Covid-Forschers zurück. Entsprechende Dokumente seien nun geleakt worden. Was ist dran an den Behauptungen?

Bewertung

Die Booster-Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech/Pfizer ist in den USA nicht verboten - die FDA empfiehlt sie für Menschen ab 65 sowie für Risikogruppen. Der angebliche Corona-Forscher ist ein Elektroingenieur ohne medizinische Ausbildung. Die zitierten Dokumente sind nicht geleakt, sondern frei zugänglich.

Fakten

Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat eine Empfehlung für die dritte Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Menschen ab 65 Jahren ausgesprochen. Auch für Menschen ab 18, die zu einer Risikogruppe gehören oder regelmäßig in Kontakt mit dem Virus kommen - weil sie beispielsweise in der Pflege oder in Kindergärten und Schulen arbeiten - ist sie als sogenannter Booster zugelassen.

Steve Kirsch ist kein «sehr bekannter und geschätzter Epidemiologe und Covid-Forscher», wie der ehemalige FPÖ-Politiker Peter Westenthaler behauptet. Auf der Webseite des erwähnten «Covid-19 Early Treatment Funds» wird er als Elektroingenieur und Informatiker vorgestellt.

Kirsch ist für die Verbreitung von Desinformationen bekannt, frühere Faktenchecks haben manche seiner Behauptungen bereits widerlegt. In wissenschaftlichen Datenbanken wie Google Scholar oder Pubmed sind keine wissenschaftlichen Arbeiten zu Impfungen von Steve Kirsch zu finden.

Richtig ist, dass Kirsch am 17. September 2021 in der erwähnten FDA-Sitzung sprach und diese Präsentation zeigte - allerdings in der «Open Public Hearing Session» - dem Teil der Sitzung, in dem öffentliche Kommentare angehört wurden. Was er dort sagt ist nicht über geleakte Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt, wie Westenthaler behauptet. Die FDA-Sitzung wurde übertragen und ist weiterhin einsehbar.

Kirsch hatte rund drei Minuten Redezeit (ab 4:20:14). Er behauptet in seinem Vortrag unter anderem, dass es bei mit Biontech/Pfizer geimpften Menschen 71-mal häufiger zu einem Herzstillstand gekommen sein soll als in Vergleichsgruppen. Dafür bezieht er sich auf Daten aus dem amerikanischen Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS). An diese Datenbank können Ärztinnen und Ärzte, Gesundheitsdienstleister, aber auch normale Bürger Beschwerden in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung melden.

Auf der Seite der Datenbank wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die VAERS-Berichte nicht allein zur Feststellung herangezogen werden können, «ob ein Impfstoff ein unerwünschtes Ereignis oder eine Krankheit verursacht oder dazu beigetragen hat». Vielmehr könnten die Berichte «Informationen enthalten, die unvollständig, ungenau, zufällig oder nicht nachprüfbar sind» und Verzerrungen beinhalten. Diese Einschränkungen erwähnt Kirsch in seinem Vortrag aber nicht.

Auch die dpa hat bereits in einem Faktencheck aufgezeigt, dass die VAERS-Daten, auf die sich auch Impfgegner regelmäßig beziehen, nur bedingt aussagekräftig und anfällig für Fehlinterpretationen sind.

In Europa gibt es - anders als Westenthaler behauptet - ebenfalls solche Datenbanken. Die EudraVigilance beispielsweise sammelt Impfreaktionen - aber auch hier stehen die gemeldeten Symptome nicht kausal in Zusammenhang mit der Impfung und sind deshalb nicht belastbar. Auch beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland können vermutete Impf-Nebenwirkungen gemeldet werden.

Kirsch erwähnt in seinem Vortrag auch eine Studie von Pfizer und verweist auf mehrere dort erwähnte Todesfälle nach Corona-Impfungen. Die Studie stellt aber eindeutig klar, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und Todesfällen nicht nachgewiesen werden konnte.

Mögliche Zusammenhänge zwischen Covid-Impfungen und Erkrankungen wie Herzmuskelentzündung (Myokarditis) werden bereits untersucht und beobachtet. So weist das Paul-Ehrlich-Institut etwa auf Myokarditis als sehr seltene Folge einer mRNA-Impfung hin.

Eine aktuelle Studie aus Israel zeigt ein erhöhtes Risiko für Myokarditis nach der Biontech/Pfizer-Impfung auf, weist aber zugleich darauf hin, dass dieses Risiko durch eine Corona-Infektion viel höher ausfällt. Auf das positive Risiko-Nutzen-Profil der Impfung verweist auch die Deutsche Herzstiftung.

(Stand: 11.11.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

archiviertes Video aus dem Facebook-Post

FDA-Entscheidung (archiviert)

Covid-19 Early Treatment Fund (archiviert)

Faktencheck von Health Feedback (archiviert)

Faktencheck von PolitiFact (archiviert)

Google-Scholar-Suche (archiviert)

PubMed-Suche (archiviert)

Präsentation Kirschs (archiviert)

FDA-Tagesagenda des Meetings (archiviert)

FDA-Meeting in voller Länge (nicht archivierbar)

Kirsch-Tweet zur Redezeit (archiviert)

VAERS-Hinweise (archiviert)

dpa-Faktencheck zur VAERS-Datenbank

EudraVigilance-Datenbank (archiviert)

dpa-Faktencheck zur EMA-Datenbank

PEI-Meldeformular für vermutete Impf-Nebenwirkungen (archiviert)

Pfizer-Studie (archiviert)

Studie zu Myokarditis (archiviert)

PEI zur Myokarditis (archiviert)

Deutsche Herzstiftung (archiviert)

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