Etliche Pannen bei Bundestagswahl, aber keine Belege für Manipulation
4.10.2021, 12:20 (CEST)
Etliche Nutzerinnen und Nutzer unterstellen in ihren Social-Media-Beiträgen, dass die Bundestagswahl manipuliert gewesen sei. Oft sollen anekdotische Geschichten oder Bilder vom Wahltag als Beleg dienen. Ein Facebook-Post (archiviert) behauptet, der angebliche «Wahlbetrug» sei in «150 Fällen dokumentiert» und verweist auf eine Sprachnachricht im Messenger-Dienst Telegram (archiviert).
Bewertung
Keines der Beispiele aus der Telegram-Nachricht liefert einen Beweis für Wahlbetrug. Einige Beschreibungen beziehen sich auf Pannen am Wahltag. Manches lässt sich nicht nachvollziehen.
Fakten
In der Sprachnachricht auf Telegram zählt ein Nutzer etliche Beispiele auf, die zeigen sollen, dass bei der Wahl betrogen wurde. Angeblich liegen ihm für all diese Anekdoten Belege vor. Das lässt sich hier nicht überprüfen. Die Behauptungen im Einzelnen:
Bei der Wahl seien Bleistifte benutzt worden, das mache die Stimmabgabe ungültig: Das ist falsch. Nach Informationen des Bundeswahlleiters sind Bleistifte ausdrücklich erlaubt. Wer Bedenken habe, könne einen eigenen Stift mitbringen.
Etliche Wahllokale, besonders in Berlin, seien geschlossen worden, weil nicht genug Stimmzettel vorhanden waren. In diesen Wahllokalen sei auch über 18 Uhr hinaus gewählt worden: Es stimmt, dass in Berlin einige Wahllokale nicht ausreichend Stimmzettel hatten und manche deswegen auch zwischenzeitlich schließen mussten. Das ist durch zahlreiche Medienberichte belegt. So hat etwa der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) die Details der Pannen beschrieben. Menschen, die sich vor 18 Uhr angestellt hatten, durften tatsächlich auch noch später wählen. Das ist durch die Bundeswahlordnung gedeckt, wenn die Wähler «vor Ablauf der Wahlzeit erschienen sind und sich im Wahlraum oder aus Platzgründen davor befinden».
Es wurden Kartons und sogar Mülltonnen als Wahlurnen verwendet, Wahlurnen seien nicht versiegelt gewesen: Für Kartons als Wahlurnen lassen sich keine Belege finden. Umgebaute Mülltonnen werden aber durchaus immer wieder eingesetzt, etwa hier in Berlin. Allerdings waren diese Urnen nicht für die Bundestagswahl vorgesehen, sondern für die ebenfalls am 27. September durchgeführte Wahl für das Berliner Abgeordnetenhaus, die Bezirksverordnetenversammlung und einen Volksentscheid. Sie wären aber durchaus auch für die Bundestagswahl zugelassen gewesen. Urnen müssen nur bestimmte in der Bundeswahlordnung festgelegte Maße haben und verschließbar sein. Sie müssen nicht versiegelt sein, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits in einem anderen Faktencheck darlegte.
Die AfD sei nicht auf den Auszählungslisten aufgetaucht, die Stimmen der Partei deshalb nicht gezählt worden: In Göttingen sind tatsächlich Auszählungslisten in die Wahllokale geliefert worden, auf denen die Spalte für die Zählung der AfD fehlte. Wie die dpa in einem anderen Faktencheck darstellte, sind die Listen aber rechtzeitig vor der Auszählung ausgetauscht worden. Auch die AfD-Stimmen wurden gezählt.
In Rheinland-Pfalz wurden fehlerhafte Briefwahlunterlagen nur mit Spalte für die Erststimme verschickt: Das ist richtig. Wie die dpa in einem anderen Faktencheck erläutert hat, konnten die fehlerhaften Wahlunterlagen gegen eine eidesstattliche Versicherung in korrekte umgetauscht werden. Durch den Vermerk der Wahlscheinnummern in den Wahllokalen wird eine doppelte Stimmabgabe ausgeschlossen. Das entspricht dem Vorgehen, das der Bundeswahlordnung zufolge angewendet wird, wenn Briefwahlunterlagen auf dem Weg zu Wählerinnen und Wählern in der Post verloren gehen.
Es wurde zweimal gewählt: Der Verfasser der Sprachnachricht behauptet, es hätten sich Menschen bei ihm gemeldet, die ihre Stimmen doppelt abgegeben hätten. Wie das möglich gewesen sein soll, erklärt er nicht. Diese Behauptung lässt sich nicht überprüfen, Belege dafür gibt es nicht.
Die Auszählung der Stimmen begann in einigen Wahllokalen schon um 14 Uhr: Auch diese Behauptung lässt sich ohne nähere Angaben nicht überprüfen. Belege dafür lassen sich nicht finden.
(Stand: 04.10.2021)
Links
Sprachnachricht mit Behauptungen im Messenger-Dienst Telegram (archiviert)
Bundeswahlleiter zu erlaubten Stiften beim Wählen (archiviert)
RBB-Artikel zu Pannen am Wahltag in Berlin (archiviert)
Foto mit zur Urne umgebauter Mülltonne (archiviert)
Vorgaben zur Urnen in der Bundeswahlordnung (archiviert)
dpa-Faktencheck zu Siegeln an Wahlurnen
dpa-Faktencheck zu fehlerhaften Auszählungslisten in Göttingen
dpa-Faktencheck zu fehlerhaften Briefwahlunterlagen in Rheinland-Pfalz
Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com