Keine Belege für angeblich tausende Todesopfer durch Corona-Impfungen

5.8.2021, 14:45 (CEST)

Mehr als zwei Drittel aller EU-Bürger haben sich nach Angaben der EU-Kommission inzwischen mindestens einmal gegen das Coronavirus impfen lassen (Stand 29. Juli 2021). Doch gerade im Netz halten sich Vorbehalte gegen die Impfung. Auf Facebook etwa wird ein Tweet (archiviert) verbreitet, der die vermeintliche Gefahr der Impfstoffe thematisiert. Wörtlich heißt es: «Im Jahr 2021 wird nach fast 19 000 Toten in der EU behauptet, das sei der sicherste "Impfstoff"». Der Post suggeriert also, infolge von Corona-Impfungen seien in der EU fast 19 000 Menschen gestorben.

Bewertung

Es gibt keine Belege für diese Zahl. Europäische Gesundheitsbehörden verzeichnen zwar mehrere Todesfälle, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit Corona-Impfungen aufgetreten sind. Ob diese Menschen allerdings tatsächlich wegen der Impfung gestorben sind, ist nicht bewiesen. In vielen dieser Fälle ist das aus Sicht von Experten unwahrscheinlich.

Fakten

Die im Tweet verbreitete Zahl lässt sich weder durch eine Internetrecherche noch durch eine Anfrage bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bestätigen. Die EMA ist für die Überwachung von Arzneimitteln und Impfstoffen in der EU zuständig. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilte eine Sprecherin mit, die im Tweet genannte Zahl sei der EMA nicht bekannt.

Allerdings finden sich im Internet mehrere Beiträge mit ähnlichen Behauptungen. Auch sie suggerieren, infolge der Corona-Impfungen seien hunderte oder gar tausende Menschen gestorben. Viele dieser Beiträge beziehen sich auf die EMA-Datenbank «EudraVigilance». Dort tragen die EU-Mitgliedstaaten Fälle möglicher Nebenwirkungen durch Arzneimittel und Impfstoffe ein. In der Datenbank finden sich auch tödliche Ereignisse.

Die in den Beiträgen behaupteten Zahlen über vermeintliche Todesopfer infolge von Corona-Impfungen kommen häufig wie folgt zustande: Die Todesfälle, die in der EMA-Datenbank in Verbindung mit den einzelnen Corona-Impfstoffen aufgeführt sind, werden summiert. Das Ergebnis zeige angeblich die Gesamtzahl der Todesopfer infolge von Corona-Impfungen, behaupten die Verfasser. Auf diese Weise werden die Daten allerdings falsch interpretiert. Ein solcher Schluss ist aus zwei Gründen nicht haltbar.

Erstens werden in der EMA-Datenbank einzelne Fälle mehrfach aufgeführt, wenn Betroffene nach der Impfung mehrere Symptome zeigen, also mehrere mögliche Nebenwirkungen. Das ist auch der Fall, wenn sie sterben. Dazu heißt es von der EMA auf dpa-Anfrage: «Da ein Einzelfall mehr als eine vermutete Nebenwirkung enthalten kann, ist die Summe der tödlichen Fälle (...) immer höher als die Gesamtzahl der tödlichen Fälle.» Die tatsächliche Zahl der Todesopfer ist also geringer und lässt sich nicht aus der Datenbank ableiten.

Zweitens führt die Tabelle lediglich Verdachtsmeldungen von Fällen auf, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung registriert wurden. Der Datensatz trifft also keine Aussagen darüber, ob die Betroffenen tatsächlich aufgrund der Impfung gestorben sind. «Die Tatsache, dass jemand ein medizinisches Problem hatte oder nach der Impfung gestorben ist, bedeutet nicht unbedingt, dass dies durch den Impfstoff verursacht wurde», so die EMA-Sprecherin. 

Das Beispiel Deutschland zeigt, wie die Zahlen zu solchen Verdachtsfällen zu bewerten sind. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verzeichnet dem aktuellem Sicherheitsbericht zufolge (Stand 30. Juni 2021) 1028 Todesfälle, die in zeitlichem Zusammenhang mit Corona-Impfungen aufgetreten sind.

Darunter sind auch einige Fälle infolge sogenannter Sinusvenenthrombosen, die das PEI ursächlich auf die Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson zurückführt. Für die Mehrheit der 1028 Fälle sieht die Behörde allerdings nicht die Corona-Impfungen als Todesursache, wie eine Sprecherin der dpa mitteilte: «Es ist davon auszugehen, dass die meisten Todesfälle nach der Impfung (nicht wegen der Impfung) zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind.»

Zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffezu Meldungen von Impf-Nebenwirkungen und zu anderen irreführenden Behauptung zur EMA-Datenbank gibt es bereits mehrere dpa-Faktenchecks.

(Stand: 05.08.2021)

Facebook-Post (archiviert)

EU-Kommission zum Impffortschritt in der EU (archiviert)

Hintergrund zur EMA-Datenbank (archiviert)

Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (archiviert)

Einschätzung PEI zu Sinusvenenthrombosen (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Sicherheit und Zulassung der Covid-19-Impfstoffe

dpa-Faktencheck zu Meldungen von Impf-Nebenwirkungen

dpa-Faktencheck zur EMA-Datenbank

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com