Studie zu Impfrisiken weder von fünf Universitäten noch mit belastbaren Zahlen

07.07.2021, 11:46 (CEST)

Einer «Studie von fünf Universitäten» zufolge sollen Risiko und Nutzen der Corona-Impfungen bisher zu positiv bewertet worden sein: «Für drei durch die Impfung verhinderte Todesfälle müssen wir zwei durch die Impfung verursachte Todesfälle in Kauf nehmen», wird das Studien-Fazit in mehreren Beiträgen auf Facebook (archiviert) zitiert.

Bewertung

Die Studie weist Fehlinterpretation von Daten auf, die zu falschen und verzerrten Schlussfolgerungen führen. Sie wurde unterdessen vom Verlag zurückgezogen. Nicht fünf Universitäten, sondern drei einzelne Wissenschaftler haben die Studie erstellt.

Fakten

Die Studie zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe wurde vom Multidisciplinary Digital Publishing Institute (MDPI) im Juni 2021 herausgegeben. Die wissenschaftlichen Artikel auf der Plattform sind frei zugänglich.

Der Artikel wurde stark kritisiert und vom Verlag noch Ende Juni mit einer «Expression of Concern» versehen. Dort heißt es, dass es «ernsthafte Bedenken» bezüglich des Artikels gebe, die vor allem eine Missinterpretation der Daten sowie die Schlussfolgerung daraus betreffen. Die Behauptung, die Todesfälle stünden in kausalem Zusammenhang mit den Impfstoffen, sei «falsch und verzerrt». Weiteren Untersuchungen und entdeckten Mängeln folgte die Rücknahme des Artikels am 2. Juli.

Wie kamen die Wissenschaftler zu ihrem fehlerhaften Fazit? Die verwendeten Daten zur Berechnung der Anzahl schwerer oder tödlicher Nebenwirkungen pro 100 000 Einwohner stammen aus dem Lareb-Bericht. Die unabhängige Stiftung Lareb ist das niederländische Melde- und Wissenszentrum für Nebenwirkungen von Medikamenten und Impfstoffen.

Das Institut weist ausdrücklich darauf hin, dass die Berichte von Patienten, Gesundheitsdienstleistern sowie Impfstoffherstellern stammen. Im Disclaimer heißt es wörtlich (aus dem Niederländischen übersetzt): «Die Anzahl der Meldungen sagt nichts darüber aus, wie oft eine Nebenwirkung auftritt.» Und auch, dass jeder berechtigt sei, Meldung zu erstatten. Zudem seien Beschwerden kurz nach einer Impfung nicht grundsätzlich auf den Impfstoff zurückzuführen, sondern haben oft andere Ursachen.

Die Autoren der Studie haben die gemeldeten Vorfälle jedoch in einen kausalen Zusammenhang mit den Impfstoffen gestellt. Ein solcher Zusammenhang kann aus den Daten nicht abgeleitet werden und müsste durch weitere wissenschaftliche Untersuchungen festgestellt werden.

Daten aus Meldesystemen für Impf-Nebenwirkungen wurden schon öfter falsch interpretiert. So hat die Deutsche Presse-Agentur bereits in mehreren Faktenchecks (u.a. hier, hier und hier) auf ähnliche Fehlinterpretationen hingewiesen.

Die Behauptung, «fünf Universitäten» hätten bei der Studie zusammengearbeitet, scheint den Ergebnissen hohe Glaubwürdigkeit zu verleihen. Von den angeblich fünf Universitäten bleiben bei genauerer Betrachtung aber nur wenige übrig: Einer der drei Autoren ist zugleich an der Medizinischen Universität in Posen (Polen) beschäftigt und laut eigenen Angaben Gastprofessor an der Universität Witten/Herdecke (NRW). Beim dritten in der Publikation angegebenen Lehrstuhl handelt es sich um ein von ihm selbst gegründetes Institut.

Die Veröffentlichung der Studie zur Impfstoffsicherheit zog empörte Reaktionen nach sich. Mehrere renommierte Wissenschaftler kündigten an, nicht mehr für das Fachmagazin «Vaccines» schreiben zu wollen.

(Stand: 6.7.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Original Publikation, 24.06.2021, archiviert

Zurückgezogene Publikation, 2.07.2021 (archiviert) DOI: https://doi.org/10.3390/vaccines9070693

Expression of Concern, 28.06.2021 (archiviert)

Retraction, 02.07.2021 (archiviert)

Tweet zur Kritik an der Publikation (archiviert)

Tweet zum Rückzug der Publikation (archiviert)

Erklärung Lareb und Berichterstattung pro Covid19-Impfstoff (archiviert)

Nebenwirkungen von CovidImpfstoffen (archiviert)

Medinside: Wissenschaftler verlassen das Magazin «Vaccines», 03.07.2021 (archiviert)

Biographie Harald Walach (archiviert)

CHS-Institut (archiviert)

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