Gefälschtes Regierungspapier zu Kinder-Impfungen im Umlauf

26.05.2021, 11:22 (CEST)

Die Europäische Arzneimittelbehörde prüft zurzeit den Zulassungsantrag eines Covid-19-Impfstoffes für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren. In sozialen Medien wird dagegen bereits über Details einer möglichen Impfkampagne für Kinder spekuliert. Auf Facebook verbreitet sich das Foto eines Dokuments, das aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) stammen soll (hier archiviert). Titel: «Diskussionspapier zu Maßnahmen gegen Erziehungsberechtigte die bzgl. der Covid-19-Impfung ihrer Schutzbefohlenen eine ablehnende Verweigerungshaltung einnehmen». Unter dem offiziellen Logo des BMG werden vermeintlich zur Diskussion stehende Maßnahmen aufgelistet wie eine «Gefährderansprache des Erziehungsberechtigten» bis hin zu «Zwangshaft» oder «Inobhutnahme des Kindes».

Bewertung

Das Diskussionspapier ist eine Fälschung, bestätigte das Bundesgesundheitsministerium. Wenn eine Impfung für Kinder und Jugendliche kommt, wird sie nach derzeitigem Stand freiwillig sein. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor eine Verpflichtung zur Impfung ausgeschlossen.

Fakten

Schon einige Details des Papiers deuten auf eine Fälschung hin: Es fallen Grammatikfehler oder fehlende Kommas auf. Auch ein Datum stimmt nicht: In dem Schriftstück heißt es, die vermeintlich vorgeschlagenen Maßnahmen sollten im Gesundheitsausschuss des Bundestages am 1. Juni 2021 diskutiert werden. An diesem Tag ist aber laut der offiziellen Internetseite des Ausschusses kein Termin angesetzt.

Das Bundesgesundheitsministerium bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass es sich nicht um ein offizielles Dokument handele: «Das Papier ist eine Fälschung», teilte ein Sprecher mit.

Die Entwicklung von Konzepten für die Impfung von Kindern und Jugendlichen ist nach Angaben des Ministeriumssprechers Aufgabe der Bundesländer - nicht des Bundesgesundheitsministeriums. Das hat die Gesundheitsministerkonferenz von Bund und Ländern Anfang Mai beschlossen. In dem Beschluss ist von einem «Impfangebot» die Rede. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Mitte Mai eine Verpflichtung zur Impfung ausgeschlossen - es bleibe eine freiwillige Entscheidung.

Bislang ist noch kein Corona-Impfstoff für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren in Deutschland zugelassen. Biontech und Pfizer haben bei der Europäischen Arzneimittelbehörde Ende April einen Antrag gestellt, um für ihren Impfstoff für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren eine Zulassung zu erhalten. Dieser wird noch geprüft.

Auch ob die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland eine Empfehlung aussprechen wird, ist derzeit noch unklar. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte ihr Vorsitzender Thomas Mertens, er könne nicht ausschließen, dass die Stiko die Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche verweigert. Sein Gremium prüfe derzeit noch, wie hoch das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung für diese Gruppe tatsächlich sei.

Die Lücke bis zum Zeitpunkt, an dem gesicherte Entscheidungen feststehen, füllen in sozialen Medien mitunter Falschmeldungen. In den vergangenen Wochen hat das Faktencheck-Team der dpa etwa falsche Informationen über eine angebliche Impfpflicht und unbelegte Behauptungen zur vermeintlichen Gefahr durch Impfstoffe geprüft.

Links

Internetauftritt des Gesundheitsausschuss mit Terminkalender (archiviert: http://dpaq.de/LFCuq)

Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zur Impfung von Personen zwischen 12 und 18 Jahren (6. Mai 2021) (archiviert: https://archive.ph/gEjBC)

Bericht in der «Ärztezeitung» mit Aussagen von Gesundheitsminister Jens Spahn zur Freiwilligkeit der Impfung (12. Mai 2021) (archiviert: https://archive.ph/Jpoyd)

Deutschlandfunk-Interview mit dem Stiko-Vorsitzenden Thomas Mertens (25. Mai 2021) (archiviert: https://archive.ph/Wi0Ck)

dpa-Faktencheck «Beschlusspapier falsch interpretiert: Ärztetag forderte keine Impfpflicht für Kinder» (22. Mai 2021)

dpa-Faktencheck «Video enthält irreführende Behauptungen zu Kindern und Corona» (21. Mai 2021)

dpa-Faktencheck «Keine Belege für angeblichen Tod einer Zweijährigen nach Impfung - Studie startete erst später» (23. April 2021)

Facebook-Beitrag mit dem gefälschten Schriftstück (22. Mai 2021) (archiviert: https://archive.ph/crije)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com