Beim Tragen von Corona-Schutzmasken droht kein Sauerstoffmangel

09.12.2020, 11:22 (CET)

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie müssen auch Schulkinder teilweise Masken tragen. Das stößt bei einigen auf Kritik. So kursiert im Internet etwa auf Facebook die Behauptung, dass Masken «physische und psychische Langzeitschäden» verursachen (hier archiviert). Als Beleg wird ein Flyer geteilt, auf dem ein Kind mit einer Mund-Nasen-Bedeckung zu sehen ist. Der Flyer warnt davor, dass beim Tragen der Sauerstoffgehalt im Blut sinke und sich der Kohlendioxidgehalt erhöhe. Die Folgen: Die Entwicklung des Gehirns werde gehemmt, und «Nervenzellen sterben ab». Dabei sei eine Maskenpflicht «aufgrund der Studienlage sinnlos».

BEWERTUNG: Die Gefahr eines Sauerstoffmangels für Maskenträger ist unrealistisch. Auch Langzeitschäden etwa für die Entwicklung des Gehirns bei Kindern sind daher nicht zu befürchten. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist für gesunde Menschen grundsätzlich unbedenklich.

FAKTEN: Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sieht Masken für Kinder als unbedenklich an und weist die Behauptungen zurück.

Das Tragen eines chirurgischen Mund-Nasen-Schutzes oder einer Alltagsmaske führe weder zu einer Einschränkung der Sauerstoffversorgung, noch zu einer «gefährlichen Anreicherung» von Kohlendioxid, erläutert BVKJ-Präsident Thomas Fischbach in der einer Mitteilung. Solche Masken gefährdeten auch sonst in keiner Weise die Gesundheit. Sogar Kinder mit kontrolliertem Asthma ab sechs Jahren könnten sie gefahrlos tragen. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Maske bei ihnen CO2 zurückhält oder ihre Atmung einschränkt.»

Aus ärztlicher Sicht bestünden daher bei gesunden Kindern ab zehn Jahren generell keine Bedenken gegen das Tragen von Masken. Kinder ab sechs Jahren könnten optional eine Maske tragen, sollten sie aber jederzeit auf Wunsch abnehmen können. Abzuraten von Masken sei Kindern unter sechs Jahren und solchen, die etwa schwere Atemprobleme haben.

Diese Empfehlungen basieren auf einer Stellungnahme mehrerer Ärzteverbände. Demnach führt das Tragen von Masken in Abhängigkeit von ihrer Qualität zwar zu einer leichten Erhöhung des Atemwegwiderstandes und der Atemarbeit sowie einer geringen Verminderung der Sauerstoffsättigung und einer geringfügigen Erhöhung der Konzentration von Kohlendioxid im Blut. All diese Veränderungen lägen aber im Bereich der Normalwerte.

Maskengegner wie die Flyer-Autoren warnen dagegen immer wieder, dass ein Sauerstoffmangel durch die Rückatmung der Luft unter der Maske droht. Das ist aber ein Denkfehler. Denn hierbei wird die Atemluft mit der Luft unter der Maske gleichgesetzt. Man atmet aber deutlich mehr Luft ein als nur die unter dem Mund-Nasen-Schutz.

Ein gesunder Erwachsener hat laut Michael Achenbach vom BVKJ im Ruhezustand ein Atemzugvolumen, das von knapp 500 Millilitern bis zu knapp unter einem Liter reicht. Bei Belastung sei dies ohne weiteres auf mehrere Liter steigerbar. Die Luft unter der Maske mache dagegen deutlich weniger als 50 Milliliter aus. Ein Sauerstoffmangel drohe daher durch eine Corona-Alltagsmaske nicht.

Die Luft unter einer Alltagsmaske vermischt sich zudem mit der Luft von außen. Bei solchen Masken wird durch den Stoff geatmet, Luft dringt aber auch von den Seiten her ein.

Auch mit Blick auf die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie gibt es laut dem BVKJ in Studien bislang keine Hinweise darauf, dass das Tragen von Masken Kinder in ihrer seelischen Gesundheit beeinträchtige.

In dem Flyer wird dazu auf eine Studie der Universität Bamberg verwiesen, wonach das Maskentragen «die Emotionswahrnehmung beim Gegenüber» erschwere. Es führe zu Fehldeutungen und greife das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung an. Diese Zusammenfassung der Ergebnisse sei zwar korrekt, wie der Studienautor Prof. Claus-Christian Carbon der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage bestätigte. Er distanzierte sich aber davon, dass die Ergebnisse auf dem Flyer als Beleg für drohende physische und psychische Langzeitschäden bei Kindern infolge des Maskentragens aufgelistet werden.

In der Studie wurde gezeigt, dass Masken es erschweren, den Gesichtsausdruck von anderen richtig hinsichtlich ihres emotionalen Zustands zu deuten. Dabei wurden aber keine Kinder untersucht, sondern nur Erwachsene, wie Carbon erläutert. Auch zu Langzeiteffekten könne die Studie keine Aussagen machen.

In dem Flyer wird auch der Sinn einer Maskenpflicht in Abrede gestellt. Für die Wirksamkeit gibt es aber wissenschaftliche Belege, wie die dpa bereits in einem Faktencheck vom 12. Oktober 2020 gezeigt hat.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine sogenannte Meta-Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC. Demnach bewahrt eine Maske andere vor Ansteckungen. Zusätzlich schützt sie bis zu einem gewissen Grad auch den Träger. Masken könnten «dazu beitragen, zukünftige Lockdowns zu vermeiden» - insbesondere in Kombination mit Abstand halten, Handhygiene und Belüftung, heißt es.

Der im Internet kursierende Flyer wurde von einer Gruppe namens «Ärzte für Aufklärung» erstellt, wie darauf angegeben ist. Vertreter mehrerer Ärztekammern haben sich bereits von diesen distanziert und deren Thesen zurückgewiesen.

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Links:

Flyer: https://freiheitsboten.org/zentraldruck/PCR-Test.pdf (archiviert: http://dpaq.de/W8h3e)

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/1837702203137095/posts/2634188413488466 (archiviert: https://archive.vn/9NLaE)

Stellungnahme der Ärzteverbände zu Masken: http://dpaq.de/PAFR2 (archiviert: http://dpaq.de/XSQje)

Pressemitteilung des BVKJ: https://www.bvkj.de/politik-und-presse/nachrichten/79-2020-11-16-kinder-und-jugendaerzte-zum-mund-nasen-schutz-mund-nasen-bedeckung-schuetzt-und-ist-fuer-kinder-gesundheitlich-unbedenklich (archiviert: https://archive.vn/PUXVz)

Pressemitteilung zur Studie der Universität Bamberg: https://www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/masken-erschweren-mimik-lesen/ (archiviert: https://archive.vn/Rk4hu)

Artikel über die Ärzte für Aufklärung im «Ärzteblatt»: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/117351/Aerzte-Gruppierung-verbreitet-irrefuehrende-Flugblaetter-in-Berlin (archiviert: https://archive.vn/1hwIF)

CDC-Metastudie zum Maskentragen vom 20.11.2020: https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/more/masking-science-sars-cov2.html (archiviert: http://dpaq.de/Q1GaF)

Faktencheck von Mimikama zum Thema: https://www.mimikama.at/aktuelles/sind-atem-masken-besonders-fuer-kinder-gefaehrlich-co2/ (archiviert: https://archive.vn/J2gi4)

dpa-Faktencheck «Video belegt keine CO2-Vergiftung durch Masken»: https://dpa-factchecking.com/germany/200911-99-521640/

dpa-Faktencheck «Mediziner: Kinder sterben nicht allein durch Maske - mehrere Todesfälle erfunden»: https://dpa-factchecking.com/germany/201005-99-829014/

dpa-Faktencheck «Experten-Aussage zu Masken in falschem Kontext verbreitet»: https://dpa-factchecking.com/germany/200930-99-770279/

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