Papst-Video für antisemitische Erzählung verwendet
23.10.2024, 17:17 (CEST), letztes Update: 23.10.2024, 17:17 (CEST)
Im Mai 2014 hat Papst Franziskus bei einer Reise nach Israel die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht und für die Opfer des Nationalsozialismus gebetet. Ein Videoausschnitt von diesem Besuch wird seit Ende September 2024 für einen judenfeindlichen Verschwörungsmythos missbraucht. Im Text zum Video heißt es: «Alle küssen dem Papst die Hand, nur die Familie Rothschild nicht, die bekommt die Hand vom Papst geküsst!» Und: «Die wahre Macht steht im Hintergrund», heißt es im Video.
Bewertung
Diese Behauptung stimmt nicht. Bei vielen Anlässen küsste der Papst die Hände anderer Menschen, auch von verschiedenen Religionen. Bei dem Video von 2014 sind es die Hände von Holocaust-Überlebenden, von denen keine Rothschild heißt. «Familie Rothschild» ist ein Begriff, der immer wieder von Antisemiten verwendet wird, um Verschwörungsmythen über jüdische Menschen zu verbreiten.
Fakten
Am 26. Mai 2014 traf Papst Franziskus bei seinem Jerusalem-Besuch unter anderem Überlebende der Shoah. Bei der Gedenkveranstaltung nahmen sechs Holocaust-Überlebende teil. Diese waren den Angaben der Gedenkstätte zufolge Avraham Harshalom, Chava Shik, Joseph Gottdenker, Moshe Ha-Elion, Eliezer Grynfeld und Sonia Tunik-Geron.
Die Holocaust-Gedenkstunde mit Papst Franziskus wurde schon in der Vergangenheit für judenfeindliche Falschbehauptungen verwendet (siehe dpa-Faktenchecks dazu hier und hier).
In längeren Videos des Treffens (hier, ab Minute 4:01), sieht man, wie der Papst die Hände der jüdischen Überlebenden küsst und ihren Erzählungen zuhört. Bei keinem der sechs Menschen handelt es sich um Familienmitglieder der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild, die heute noch in Bankgeschäften tätig ist.
Rothschild als antisemitischer Code
Die Rothschild-Familie muss schon seit dem 19. Jahrhundert als Verschwörungsbild herhalten. Aufgrund der Rolle im Finanzwesen wird sie immer wieder von Antisemiten als Code für einen weit verbreiteten Mythos über eine meistens jüdische angebliche Elite, die heimlich das Weltgeschehen kontrolliere. Angebliche Verbindungen zu den Rothschilds sind in judenfeindlichen Verschwörungsmythen sehr beliebt, wie auch die EU-Kommission 2021 in einem entsprechenden Bericht festhielt.
Papst küsst Hände und sogar Füße
Ganz alltäglich ist es zwar nicht, dass der Papst Menschen auf die Hände oder Füße küsst. Aber es ist auch kein Einzelfall.
Am Gründonnerstag ist es eine katholische Tradition, dass das Kirchenoberhaupt einigen ausgewählten Menschen die Füße wäscht. Die Demutsgeste erinnert an die bekannte Szene aus der Bibel, in der Jesus die Füße seiner Jünger beim letzten Abendmahl gewaschen hat. 2024 sah man auf Fotos, wie er bei den Osterfeierlichkeiten auch die Füße von weiblichen Häftlingen küsste.
Der Papst küsste beispielsweise auf einer Kanada-Reise im Juli 2022 die Hand einer Vertreterin der indigenen Völker. Er bat um Vergebung für die von Christen begangenen Grausamkeiten gegenüber den ursprünglichen Bewohnern des nordamerikanischen Kontinents. In einem anderen Beispiel küsste er die Hand des Obdachlosen Gian Piero, genannt Wue, bei der Auszeichnung mit dem Mutter-Teresa-Preis.
(Stand: 23.10.2024)
Links
Facebook-Behauptung (archiviert, Video)
Yad Vashem über Papst-Treffen mit Holocaust-Überlebenden (archiviert)
Video von Papst-Treffen mit Holocaust-Überlebenden (archiviert)
Rothschild & Co über eigene Geschichte (archiviert)
Rothschild-Archiv über eigene Familienmitglieder (archiviert)
Bericht der EU-Kommission über Antisemitismus (archiviert)
Schweizer Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus über die Rothschild-Familie (archiviert)
Vatikan über Fußwaschung (archiviert)
Bibel über Fußwaschung Jesu (archiviert)
«Euronews» über Fußwaschung des Papstes an Gründonnerstag 2024 (archiviert, Video archiviert)
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