Studien nicht vergleichbar

Musk-Video irreführend: Wirksamkeit der Covid-Impfung belegt

31.10.2023, 16:57 (CET), letztes Update: 6.11.2023, 13:48 (CET)

Die Diskussion um die Corona-Impfung reißt einfach nicht ab. Nach wie vor kursieren falsche Analysen zu ihrer Wirksamkeit. Jüngst schlägt Elon Musk in diese Kerbe.

Anhand von mehr als 100 englischsprachigen Zeitungsausschnitten soll die nachlassende Wirksamkeit der Corona-Impfungen belegt werden. Ende September teilt auch Elon Musk, Chef von X (ehemals Twitter) und Tesla, unter seinen mehr als 150 Millionen Followern ein schon lange im Netz zirkulierendes Video mit einer schnellen Abfolge von Überschriften und Zitaten. Der Clip erweckt den Eindruck, die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen den Covid-Erreger Sars-CoV-2 habe mit der Zeit immer weiter abgenommen.

Bewertung

Mehrfach irreführend. Erstens: Es ist keine chronologische Anordnung der Zeitungsartikel, die Daten gehen durcheinander. Zweitens: Es werden Studien angeführt, die nicht sinnvoll miteinander vergleichbar sind, da die Datenlage oftmals völlig verschieden ist.

Fakten

Die Abfolge der Slideshow erweckt den Anschein, mit der Zeit hätten die Corona-Impfstoffe an Sicherheit und Wirksamkeit verloren: Zu Beginn des Videos ist von einer 100-prozentigen Wirksamkeit die Rede (im Video ab 0:04 Min.), später von 85 Prozent (ab 0:25 Min.), dann von 50 (ab 0:50 Min.) und 39 Prozent (ab 0:55 Min.). Am Schluss wird gefragt (ab 1:31 Min.), wie unwirksam die Impfstoffe denn nun wirklich seien. Für die vermeintliche Dramatik ist Edvard Griegs «In der Halle des Bergkönigs» musikalisch unterlegt.

Überschriften nicht chronologisch

Tatsächlich wurden die mehr als 100 Artikeltitel oder Zitate überwiegend zwischen September 2020 und Oktober 2021 veröffentlicht. Das war eine wichtige Phase in der Impfstoffentwicklung: Die ersten Vakzine wurden im Dezember 2020 erstmals für den regulären Gebrauch am Menschen außerhalb von Studien genehmigt.

Die Reihenfolge der Veröffentlichung ist in Wahrheit eine ganz andere als in Musks Video: Die Artikel, in denen über die geringste Wirksamkeit berichtet wird, sind sehr früh in der Impfstoffentwicklung entstanden - teils sogar in der Zeit vor den ersten Impfungen überhaupt.

Einer der Ausschnitte ist besonders irreführend: Die Überschrift «Japan halts vaccines after deaths of 4 children» (ab 1:18 Min.) stammt aus dem Jahr 2011 und bezieht sich gar nicht auf das Coronavirus, sondern auf Impfungen gegen Lungenentzündungen.

Die Nachrichten in der Zusammenstellung sind grundsätzlich nicht ohne weiteres vergleichbar - schon gar nicht, wenn man nur Zitate oder Headlines gegenüberstellt.

Verschiedene Impfstoffe

Die aufgeführten Artikel behandeln Studien über unterschiedliche Impfstoffe - etwa von Biontech/Pfizer, Moderna oder AstraZeneca. Untersuchungsergebnisse des einen Vakzins können nicht mit denen eines anderen in eine sinnvolle Reihe gestellt werden.

So wird etwa einmal auf einen Artikel in der Zeitschrift «Pharmaceutical Technology» mit dem Titel «Bharat Biotech's Covid-19 vaccine shows interim efficacy of 81%» hingewiesen (ab 0:29 Min.). Darin geht es um die Effektivität der Biontech-Impfung auch gegen neue Corona-Varianten.

Demgegenüber behandelt die «India Times» in ihrem Artikel «Johnson & Johnson Vaccine Is 68% Effective on COVID-19 Strains, Seeks FDA Approval» (ab 0:39 Min.) den Impfstoff von Johnson & Johnson, der trotz niedrigerer Effektivität trotzdem zugelassen wurde.

Beide Mittel unterscheiden sich sowohl in der Verabreichung (im Gegensatz zu den anderen wird Johnson & Johnson zunächst als Einzeldosis verabreicht) als auch in der Herstellung.

Verschiedene Corona-Varianten

Im Laufe der Zeit hat sich das Coronavirus gewandelt, und neue Varianten und Mutationen sind aufgetaucht. Ein Impfstoff, der für die eine Variante entwickelt wurde und sich höchst wirksam gegen diese zeigt, dessen Schutz muss bei einer anderen nicht unbedingt genauso ausgeprägt sein.

Einem CNN-Bericht vom März 2021 mit dem Titel «Pfizer/BioNTech says its Covid-19 vaccine is 100% effective and well tolerated in adolescents» (ab 0:05 Min.) zufolge hatte der Impfstoffhersteller sehr gute Resultate in einer klinischen Studie.

In einem Artikel der «Daily Mail» nur fünf Monate später mit der Überschrift «Pfizer's Covid vaccine is only 42% effective against Indian 'Delta' variant while Moderna's jab is 76% effective, Mayo Clinic suggests» (ab 0:53 Min) wird dann eine viel niedrigere Effektivität gegen die Delta-Variante angegeben.

Der Unterschied zwischen den Artikeln: Der CNN-Bericht behandelt eine Studie zur Biontech-Wirksamkeit gegen den Urtyp des Coronavirus, die «Daily Mail» hingegen betrachtet die Effektivität desselben Mittels gegen die später aufgetretene, neue Delta-Variante.

Unterschiedliches Studiendesign

Die in den verschiedenen Artikeln erwähnten Studien unterscheiden sich unter anderem in der Umsetzung der Untersuchung und in ihrer Zielsetzung.

So beschreibt etwa die zur ersten Überschrift in der Videomontage («AstraZeneca COVID-19 Vaccine 100% Effective In Preventing Deaths, Hospitalization: US Study») gehörende Pressemitteilung des Impfstoffherstellers die Ergebnisse einer Phase-III-Studie des AstraZeneca-Impfstoffs - also die letzte Stufe einer klinischen Studie, bevor das Medikament auf den Markt kommt.

Die Meldung «CDC: Pfizer, Moderna vaccines are 90% effective in real-world conditions» (ab 0:21 Min.) hingegen bezieht sich auf eine Real-Life-Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC, in der die Teilnehmer anders ausgewählt werden als bei klinischen Studien. Das kann zu erheblichen Unterschieden bei den Resultaten führen.

Genauer gesagt: Bei der Phase-III-Studie von AstraZeneca wurden die Resultate von drei Studien aus Großbritannien, Brasilien und Südafrika mit insgesamt 17 177 Teilnehmern zusammengefasst. Die mindestens 18 Jahre alten Teilnehmer in allen drei Studien waren gesund oder hatten stabil eingestellte chronische Erkrankungen. Zudem hatten sie ein erhöhtes Risiko, mit Sars-CoV-2 in Kontakt zu kommen. Sie wurden nach der Impfung mehrmals im Jahr getestet, um Viruslast und Impfabdeckung zu überprüfen.

Bei der CDC-Real-Life-Studie wiederum wurden 4000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Gesundheitssystem oder in systemerhaltenden Jobs wöchentlich getestet, um die Wirkung der Impfungen von Pfizer und Moderna zu beobachten - nicht aber der von AstraZeneca.

Wie wirksam die Covid-Impfstoffe wirklich sind

Tatsächlich sind Geimpfte oft noch ansteckend, tragen aber eine wesentlich niedrigere Viruslast und verringern somit die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung anderer. Auch schützt die Impfung nicht zwingend vor einer Ansteckung der geimpften Person, sondern vor einem schweren Verlauf, vor Spitalaufenthalten und oft vor Todesfällen, wie die US-amerikanische Johns Hopkins Universität schreibt.

Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge gab es Ende Oktober 2023 weltweit mehr als 771 Millionen bestätigte Covid-Fälle und knapp sieben Millionen Tote. Mehr als 13,5 Milliarden Impfdosen wurden demnach weltweit verabreicht.

Die Deutsche Presse-Agentur hat in der Vergangenheit bereits mehrfach Falschbehauptungen über die Wirksamkeit der Impfstoffe entkräftet: etwa hier, hier, hier, hier, hier und hier.

(Stand: 31.10.2023)

Berichtigung

Im vorletzten Absatz wurde berichtigt, dass weltweit mehr als 13,5 Milliarden Impfdosen verabreicht wurden, nicht 13,5 Millionen.

Links

Elon Musk Slideshow (Post archiviert, Clip archiviert)

Fox-News-Meldung (archiviert)

NPR-Meldung zur Impfeffektivität (archiviert)

CNN-Meldung zur Coronaimpfung in September 2020 (archiviert)

«Daily Mail»-Artikel vom August 2021 (archiviert)

«Consumer Affairs» zur Pfizer-Impfung in Israel im Juli 2021 (archiviert)

NBC über Impfungen gegen Lungenentzündungen in Japan im März 2011 (archiviert)

Astrazeneca Phase III Studie Februar 2021 (archiviert)

Astrazeneca Phase III Studie März 2021 (archiviert)

«Axios» über CDC-Studie (archiviert)

WHO-Dashboard über Covid-Fälle und Impfungen (archiviert am 30.10.2023)

EMA zur Genehmigung der ersten Corona-Impfung (archiviert)

FDA zur Genehmigung der ersten Corona-Impfung in den USA (archiviert)

Johns Hopkins Universität über Corona-Impfungen (archiviert)

«India Times» zu Johnson & Johnson (archiviert)

«New York Times» zu Impfstoff-Unterschieden (archiviert)

«Pharmaceutical Technology» zu Biontech (archiviert)

CNN-Meldung zu Pfizer/BioNTech Vakzin (archiviert)

dpa-Faktenchecks über Wirksamkeit der Corona-Impfungen: hier, hier, hier, hier, hier und hier

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