Häufung von Notfällen nicht nachgewiesen

Die Vorstellung, dass der Pilot eines Fluges wegen gesundheitlichen Problemen ausfällt, ist für viele Menschen beunruhigend. Diese Angst schürt eine Telegram-Nachricht mit einer Auflistung von angeblichen medizinischen Notfällen bei Flugzeugführern im August dieses Jahres. Demnach habe es vier solcher Vorfälle im Cockpit gegeben, zwei Piloten seien verstorben. Des Weiteren wird ein angeblicher Zusammenhang mit der Corona-Impfung angedeutet. Bisher gibt es allerdings keine belastbare Grundlage für diese Behauptung. 

Bewertung

Bei keinem der vier erwähnten Fälle ist ein Herzinfarkt bestätigt. Laut der Europäischen Agentur für Flugsicherheit gibt es keine Hinweise dafür, dass die Zahl medizinischer Probleme bei Piloten während des Fluges zugenommen hat. 

Fakten

Als angeblichen Beweis für das «Pilotensterben» wurden vier Fälle präsentiert, in denen angeblich Piloten an Bord eines Flugzeugs medizinische Notfälle erlitten hätten. In zwei Fällen habe dies zum Tod geführt. Tatsächlich war einer der vier Fälle nicht nachweisbar, in den anderen drei wurden keine Informationen zu den Ursachen der Erkrankung oder des Todes veröffentlicht. Somit sind die Behauptungen von «Herzproblemen» wie auch «plötzlichen und unerwarteten Todesfällen» nicht richtig, da über die Ursachen nur spekuliert wurde.  

Keine Hinweise auf Herzprobleme

Im Fall des Tigerair-Flugs IT237 von Japan nach Taiwan berichtete die taiwanesische Verkehrssicherheitsbehörde, dass der Co-Pilot nach der Landung in Taipeh am 7. August 2023 das Bewusstsein verloren habe. Er sei wieder aufgewacht, als das Flugzeug die Parkposition erreicht hatte, und sei im Anschluss medizinisch untersucht worden. Laut einem Medienbericht, der sich auf ein Statement von Tigerair beruft, sei der Kopilot am darauffolgenden Tag aus dem Krankenhaus entlassen. Ob Herzprobleme den Vorfall ausgelöst hatten, wurde nicht berichtet.  

Zum zweiten Fall lässt sich nur ein Posting auf der Plattform X (ehemals Twitter) vom 9. August 2023 finden. Es zeigt nur eine angebliche Zusammenfassung des Vorfalls auf einem Screenshot. Ein Pilot soll demnach einen Herzinfarkt einem United-Airlines-Flug 1309 von Sarasota, Florida, nach Newark, New Jersey, erlitten haben. Allerdings gibt es keine Angabe, woher diese Zusammenfassung stammt, oder ein genaues Datum des Vorfalls. Zuverlässige Quellen oder Medienberichte lassen sich nicht finden. Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat United Airlines bisher nicht geantwortet. Somit bleibt unklar, wann und ob dieses Ereignis überhaupt stattgefunden hat.  

Im Fall des Piloten vom LATAM Flug LA505 am 14. August von Miami nach Santiago de Chile haben Medienmehrfach berichtet. Ein chilenisches Medium veröffentlichte auch die Stellungnahme der Fluglinie Latam, auf die sich viele Medien bezogen. Laut dem Bericht verlor der Pilot das Bewusstsein, woraufhin eine Notlandung durchgeführt wurde. Trotz Wiederbelebungsversuchen wurde er für tot erklärt. Auch in diesem Fall gab es keine Informationen darüber, woran der Pilot starb.

Über den Mann im Qatar Airways Flug QR579 von Delhi (Indien) nach Doha (Qatar) berichteten «Times of India» und «Doha News». Der Verstorbene sei ein Pilot, der sich als Passagier auf dem Flug befunden habe. Quellen jenseits von Medienberichten wie etwa eine Mitteilung der Fluggesellschaft sind zu diesem Fall nicht auffindbar. Über ein Portal für Flighttracking lässt sich aber nachvollziehen, dass der Flug wie berichtet außerplanmäßig in Dubai landete. Woran der Passagier starb, wurde nicht berichtet. 

Medizinische Notfälle häufen sich nicht, sagte Pilotenvereinigung schon 2021

Weil es keine einheitliche weltweite Statistik von medizinischen Notfällen bei Piloten während des Fluges gibt, ist eine Untersuchung von Häufungen oder Trends nur limitiert möglich. Noch dazu bezieht sich die Behauptung auf einen sehr kurzen Zeitraum. Sowohl ein Vergleich mit anderen Zeiträumen, als auch ein Bezug zur Gesamtzahl der Flüge fehlen. Doch allein mehrere Fälle aufzuzählen, ist als Beleg nicht geeignet. Hinzu kommt, dass in allen Fällen völlig unklar ist, was die medizinischen Probleme ausgelöst hat.

Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) teilte der dpa auf Anfrage mit, dass sie derzeit keine Auffälligkeiten beobachte. «Der EASA liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Anteil der Flugunfähigkeitsfälle höher ist als in den Jahren vor der Pandemie», schrieb eine Sprecherin. Gerüchte zu diesem Thema waren der Behörde bereits bekannt. Bisher seien jedoch keine glaubwürdigen Informationen präsentiert worden, die diese Behauptung belegen könnten. 

Bereits 2021 dementierte die Pilotenvereinigung Alpa, die Piloten US-amerikanischer und kanadischer Fluggesellschaften vertritt, dass es Rekordzahlen bei Piloten-Todesfällen gebe. Sie reagierte damit auf eine Liste mit Erinnerungen an Verstorbene, die zuvor falsch interpretiert wurde.  

Medizinische Notfälle von Flugpersonal während des Fluges werden von Behörden genau beobachtet, da sie im schlimmsten Fall eine erhebliche Gefahr für Reisende und Luftverkehr darstellen können. 

Im Jänner 2023 hat die US-amerikanische Luftfahrtbehörde (FAA) die Nachrichtenagentur AP informiert, dass keine Belege vorliegen, die Unfälle oder Fluguntauglichkeiten von Piloten in Zusammenhang mit medizinischen Komplikationen von Covid-Impfungen bringen.  

Gegner der Covid-Impfung versuchen immer wieder, unerwartete Todesfälle oder medizinische Notfälle, die medial verbreitet werden, mit der Impfung in Verbindung zu bringen. Dass das meistens falsch oder reine Spekulation ist, wurde bereits in mehreren dpa-Faktenchecks belegt. 

(Stand: 21.9.2023)