Dringend benötigter Regen

Im April war es in Österreich so nass, wie seit 29 Jahren nicht mehr

10.05.2023, 15:45 (CEST)

Den vergangenen April haben viele Menschen in Österreich als sehr nass und kalt erlebt. Das Wetter war in den Sozialen Medien daher häufig Thema. Teilweise wurde in den Beiträgen aber auch übertrieben. Ein österreichischer User behauptete etwa, es sei der nasseste April seit 50 Jahren gewesen. «Wir werden Alle (sic!) ertrinken», heißt es in dem oft geteilten Posting zusammen mit dem Hashtag «Klimahysterie».

Bewertung

Der April 2023 war tatsächlich nass, trüb und relativ kühl. Genauso viel geregnet hat es österreichweit gesehen aber zuletzt im Jahr 1994, also vor 29 Jahren. Nur auf Basis des Wetters im April auf das Klima zu schließen, hat keine Aussagekraft.

Fakten

Der vorläufigen Monatsbilanz der Geosphere Austria zufolge war die Temperatur im April 2023 im Tiefland Österreichs 1,7 Grad unter dem Mittel der letzten Jahrzehnte und die österreichweite Niederschlagsmenge 76 Prozent über dem Mittel. Demnach lag die Niederschlagsmenge in fast allen Regionen Österreichs über dem Durchschnitt, was zuletzt im April 2017 der Fall war.

Tatsächlich war der April einer der zehn nassesten Aprilmonate seit Beginn der Niederschlagsmessungen im Jahr 1858, schreibt Geosphere Austria. Der nasseste April seit 50 Jahren war es in Österreich aber nicht.

Auf Anfrage teilte Geosphere Austria der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, dass der April 2023 im Flächenmittel Österreichs 119 Millimeter Niederschlag gebracht habe. Ein Millimeter entspräche einem Liter pro Quadratmeter. Ebenfalls 119 Millimeter gab es demnach in einem April in Österreich zuletzt in den Jahren 1994 und 1989 - also vor 29 und 34 Jahren. Deutlich mehr war es mit 148 Millimeter im April 1972.

Bei der Auswertung nach einzelnen Regionen hätten sich deutliche Unterschiede gezeigt: Im Westen Österreichs sei es der nasseste April seit 2008 gewesen. Im Norden und Osten Österreichs war es laut Geosphere Austria der nasseste April seit 1965. Im Süden sei zuletzt der April 2006 nasser gewesen.

Helmut Habersack, der Leiter des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), betonte für einen früheren Faktencheck zu dem Thema gegenüber der dpa, dass es mehr regnen müsse, um die vorangegangenen trockenen Monate auszugleichen. Es handle sich daher bloß um eine kurzfristige Entspannung. Die Niederschläge würden nicht ausreichen, um die Grundwasserspeicher zu füllen, so Habersack. Die im Post geäußerte Angst, zu «ertrinken», ist also unbegründet.

Rückschlüsse auf Klima ohne Aussagekraft

Mit Blick auf den nasskalten April Rückschlüsse auf die Klimakrise zu ziehen, hat keine Aussagekraft. Die Österreichische Unwetterzentrale schrieb etwa in einem Facebook-Beitrag, dass die letzten drei Aprilmonate in Wien zwar zu kühl gewesen seien, jene 17 davor aber teilweise viel zu warm. «Auch in Zeiten der Klimaerwärmung sind zu kalte Monate natürlich jederzeit möglich, so wie der heurige April».

Auch Geosphere Austria betonte gegenüber der dpa, dass einzelne Monate keine Rückschlüsse auf die Entwicklung des Klimas zuließen. Dafür müssten längere Zeiträume betrachtet werden. Der Klimatologe Alexander Orlik von Geosphere Austria sagte etwa: «Da die Aprilmonate in den vergangenen 20 Jahren sehr häufig Rekordwärme brachten, wirkte dieser April sogar ungewöhnlich kalt, verglichen mit einem April vor dem Jahr 2000 war das Temperaturniveau jedoch nicht außergewöhnlich tief.»

Temperaturzunahme in den letzten Jahrzehnten

Fest steht, dass das kühle Regenwetter im April nicht als Beleg für die Nichtexistenz der Klimakrise verstanden werden sollte. Das Wetter bedeutet auch nicht, dass die Klimakrise doch nicht so gravierende Folgen hat, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sagen. Tatsächlich wird es nämlich immer wärmer. Einzelne kältere Tage oder Woche ändern nichts am globalen Anstieg der Lufttemperatur.

Der März 2023 in Österreich war beispielsweise einer der 20 wärmsten bisher gemessenen Märzmonate. Weltweit war der vergangene März sogar der zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Winterhalbjahr von Oktober 2022 bis März 2023 war laut Geosphere Austria im Vergleich zum Mittel der Jahre 1991 bis 2020 um 1,7 Grad Celsius wärmer und ebenfalls das zweitwärmste der 256-jährigen Messgeschichte. Das gesamte vergangene Jahr war um 1,2 Grad wärmer im Vergleich zum Mittel der Jahre 1991 bis 2020. Verglichen mit dem Zeitraum von 1961 bis 1990 sind es sogar 2,4 Grad.

Österreich gehört Geosphere Austria zufolge «zu den Regionen, in denen die Temperaturzunahme stärker als im weltweiten Mittel ausgefallen ist – und zwar etwa doppelt so stark». Weltweit gab es demnach seit 1900 einen Anstieg der Lufttemperatur um etwa ein Grad. Nach Angaben des Umweltbundesamtes würden sich die Folgen der Klimakrise in Österreich nicht nur durch gestiegene Temperaturen, sondern auch durch Starkregenereignisse, Gletscherschmelze, Hitze und Dürre zeigen.

Auch Geosphere Austria teilte der dpa mit, dass sich in den letzten Jahrzehnten ein Trend zu mehr Niederschlag in kürzerer Zeit gezeigt habe, was sich auch in einer Studie über Klimaszenarien für Österreich (ÖKS15) nachlesen lässt (S. 38). Zudem ist die Verdunstung des Wassers gestiegen, da es in den letzten Jahrzehnten deutlich wärmer geworden ist und warme Luft mehr Feuchte aufnehmen kann. Auch die Pflanzen würden aufgrund der längeren Vegetationsphase den Böden mehr Wasser entziehen.

(Stand: 9.5.2023)

Links

April-Monatsbilanz von Geosphere Austria (archiviert)

Beitrag der Österreichischen Unwetterzentrale (archiviert)

APA-Bericht über Wetter im März in Österreich (archiviert)

«Deutsche Welle»-Bericht über Temperaturen im März 2023 (archiviert)

Jahreszeitenmittel der Lufttemperatur für Winter 2022/2023 (archiviert)

Jahresmittelwert der Lufttemperatur für 2022 (archiviert)

Geosphere Austria über Erwärmung in Österreich (archiviert)

Umweltbundesamt über Folgen des Klimawandels in Österreich (archiviert)

Studie zu Vergangenheit und Zukunft des Klimas in Österreich (ÖKS15) (archiviert)

Früherer dpa-Faktencheck zu dem Thema

Facebook-Posting (archiviert)

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