Klimawandel

Grundwasserspeicher in Österreich trotz nasskalten April-Wetters nicht gefüllt

27.04.2023, 16:42 (CEST)

In Teilen Österreich hat es im April 2023 viel geregnet. Die Defizite in den Grundwasserspeichern hat das aber noch nicht ausgeglichen. Manch einer wünscht sich dennoch sonnigeres Wetter.

Das Klima ist ein komplexes Thema. In sozialen Medien führen verkürzte Informationen daher häufig zu Missverständnissen. So verstehen User etwa aktuell ein virales Facebook-Video von Ex-BZÖ-Politiker Gerald Grosz als Relativierung der Klimakrise. Grosz sagt, dass während Medien und Klimaschützer wegen der Erderwärmung Panikmache betreiben würden, es im April bei Dauerregen nur neun Grad gehabt habe. «Es gibt keinen Klimawandel» oder «Die Temperaturen haben sich schon immer auf und ab bewegt!» kommentierten daraufhin User unter dem Video.

Bewertung

Laut Gerald Grosz war das Video satirisch gemeint. Das nasskalte Wetter im April ist in jedem Fall kein Beleg dafür, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt. Darüber hinaus lag der Großteil Österreichs in Bezug auf den Niederschlag im Bereich eines durchschnittlichen Aprils. Die Vormonate hingegen waren sehr trocken.

Fakten

Wie Gerald Grosz dem Faktencheckteam der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mitteilte, habe er in dem Video die Klimakrise nicht leugnen, sondern «die mediale Hysterie rund um das Thema kritisch bisweilen satirisch» beleuchten wollen.

Fest steht, dass das kühle Regenwetter im April nicht als Beleg für die Nichtexistenz der Klimakrise verstanden werden sollte. Das Wetter bedeutet auch nicht, dass die Klimakrise doch nicht so gravierende Folgen hat, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sagen. Tatsächlich wird es nämlich immer wärmer. Einzelne kältere Tage oder Woche ändern nichts am globalen Anstieg der Lufttemperatur.

In Österreich war der März 2023 beispielsweise einer der 20 wärmsten bisher gemessenen März-Monate. Weltweit war der vergangene März sogar der zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen.

Daten von Geosphere Austria zufolge war in Österreich das Winterhalbjahr von Oktober 2022 bis März 2023 im Vergleich zum Mittel der Jahre 1991 bis 2020 um 1,7 Grad Celsius wärmer und ebenfalls das zweitwärmste der 256-jährigen Messgeschichte. Das gesamte vergangene Jahr war um 1,2 Grad wärmer im Vergleich zum Mittel der Jahre 1991 bis 2020. Verglichen mit dem Zeitraum von 1961 bis 1990 sind es sogar 2,4 Grad.

Bei Geosphere Austria handelt es sich um einen heuer ins Leben gerufenen Zusammenschluss von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der Geologischen Bundesanstalt (GBA).

Österreich gehört laut Geosphere Austria sogar «zu den Regionen, in denen die Temperaturzunahme stärker als im weltweiten Mittel ausgefallen ist – und zwar etwa doppelt so stark». Weltweit gab es demnach seit 1900 einen Anstieg der Lufttemperatur um etwa 1 Grad. Nach Angaben des Umweltbundesamtes würden sich die Folgen der Klimakrise in Österreich nicht nur durch gestiegene Temperaturen, sondern auch durch Starkregenereignisse, Gletscherschmelze, Hitze und Dürre zeigen.

Winter brachte zu wenig Niederschläge

Im April 2023 hat es in Österreich tatsächlich viel geregnet und es war vergleichsweise kühl. Wie ein Pressesprecher von Geosphere Austria der dpa mitteilte, lag die Niederschlagsmenge im Großteil Österreichs von 1. Jänner bis 19. April 2023 - vor allem durch das Wetter Mitte des Monats - aber im Bereich des vieljährigen Durchschnitts (1991-2020).

In einigen Regionen lag es 20 bis 30 Prozent über, im Großteil von Tirol, im Pinzgau und in Oberkärnten unter dem Durchschnitt. Eine Karte zur Jahressumme des Niederschlags für 2023 auf der Webseite von Geosphere Austria zeigt eine ähnliche Verteilung.

In Bezug auf die Grundwasserspeicher war der Regen aber nicht ausreichend. Aus dem Landwirtschaftsministerium hieß es am 20. April gegenüber dpa, dass obwohl die Niederschlagssummen für April in Teilen Österreichs über den Vergleichswerten lagen, die Defizite in den Grundwasserständen vor allem im Osten noch nicht ausgeglichen werden konnten. Trotzdem habe der Regen «eine wesentliche Niederschlagsversorgung für Getreide und Grünland» gebracht.

Auch Helmut Habersack, der Leiter des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), bestätigte gegenüber dpa einen kurzen Aufwärtstrend durch überdurchschnittliche April-Niederschläge. Es müsse aber mehr regnen, um die vorangegangenen trockenen Monate auszugleichen, daher handle es sich bloß um eine kurzfristige Entspannung. Die Niederschläge würden nicht ausreichen, um die Grundwasserspeicher zu füllen, so Habersack.

Der Neusiedlersee

Grosz griff in seinem Video noch ein anderes Thema auf, das bereits in der Vergangenheit von vielen Usern als Beleg für eine «Klimalüge» verwendet wurde und zu dem es bereits einen Faktencheck von dpa gibt: das Austrocknen des Neusiedlersees von 1865 bis 1870. Tatsächlich trocknete der See im Burgenland vor etwas mehr als 150 Jahren, wie auch schon mehrmals davor, aus.

Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zu heute. Damals lag trockenen Jahren, selbst wenn sie aufeinander folgten, keine generelle Tendenz zu permanent steigenden Durchschnittstemperaturen zugrunde. Obwohl es beispielsweise im April 2023 viel geregnet hat, ist der Wasserstand des Neusiedlersees aktuell immer noch mehr als zehn Zentimeter niedriger als im April 2022.

An einer Stelle des Videos lässt Grosz in einem Wasserglas Eiswürfel schmelzen, um zu demonstrieren, dass sich der Wasserspiegel im Glas nicht erhöht. Tatsächlich steigt der Wasserspiegel nicht bei freischwimmendem Eis. Auf die Klimakrise und abschmelzendes Festland-Eis, welches den Wasserspiegel ansteigen lässt, ist es allerdings nicht übertragbar.

Das Ansteigen des Meeresspiegels hat zudem noch einen anderen wesentlichen Grund: Die Ozeane erwärmen sich aufgrund der gestiegenen Lufttemperatur und das Wasser dehnt sich aus.

(Stand: 27.4.2023)

Links

Facebook-Video (archiviert, Video archiviert)

Facebook-Kommentar 1 (archiviert)

Facebook-Kommentar 2 (archiviert)

APA-Bericht über Wetter im März in Österreich (archiviert)

«Deutsche Welle»-Bericht über Temperaturen im März 2023 (archiviert)

Jahreszeitenmittel der Lufttemperatur für Winter 2022/2023 (archiviert)

Geosphere Austria über Erwärmung in Österreich (archiviert)

Umweltbundesamt über Folgen des Klimawandels in Österreich (archiviert)

Karte zur Jahressumme des Niederschlags für 2023 in Österreich (archiviert)

Karte zur Monatssumme des Niederschlags für April 2023 in Österreich (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Neusiedlersee

Wasserstand des Neusiedlersees (archiviert)

«Arte»-Video über Anstieg des Meeresspiegels (Video archiviert)

«Quarks» über Anstieg des Meeresspiegels (archiviert)

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