Patent soll sinnvolle Impf-Priorisierung entwickeln

22.10.2021, 12:19 (CEST)

Weiterhin lassen Impfgegner nicht davon ab, vor der Corona-Impfung zu warnen und Menschen mit falschen und irreführenden Behauptungen zu verunsichern. In einem Blog-Artikel, der aktuell in Sozialen Medien (hier archiviert) kursiert, wird etwa auf ein Patent hingewiesen, demzufolge «Gen-Gespritzte» mittels Künstlicher Intelligenz überwacht werden sollen.

Bewertung

Es geht darum, eine sinnvolle Impf-Priorisierung während einer Pandemie zu erstellen. Kriterien sind individuelle Faktoren wie persönliche Kontakte, Beruf oder Gesundheitszustand. Mit Hilfe elektronischer Geräte, zum Beispiel mit einer Smartphone-App, wird eine Punktzahl erhoben. Die Daten sollen anonymisiert und/oder verschlüsselt werden. Es geht also nicht darum, Menschen mit Hilfe implantierter Chips zu überwachen.

Fakten

Der «Wochenblick»-Artikel bezieht sich auf ein Interview mit einer angeblichen Ex-Mitarbeiterin des Pharmakonzerns Pfizer. Das betreffende Patent ist in der Datenbank des US-Patentamts United States Patent and Trademark Office (USPTO) abrufbar und wurde bereits im November 2020 von der israelischen Kanzlei «Ehrlich & Fenster» eingereicht.  

Die Idee hinter dem Patent ist folgende: Während einer Pandemie und einer möglichen Impfstoffknappheit - wie es auch zeitweise in der Corona-Krise der Fall war - soll eine möglichst sinnvolle Impf-Priorisierung entworfen werden. Dies hätte zur Folge, dass die Herdenimmunität schnell erreicht werden könnte und negative Auswirkungen auf die Gesellschaft möglichst gering gehalten würden.

Im Patent-Text ist zumeist von einer «Behandlung» («treatment») und nicht explizit von einer Impfung die Rede. Das liegt daran, dass Patenthalter möglichst viele Szenarien mit ihrer Idee abdecken wollen und deshalb oft allgemeine Begriffe verwenden. Neben der Impfung zählt als «Behandlung» auch das Testen von Krankheiten, etwa Covid-19.

In dem Patent wird argumentiert, die Strategie zur Impf-Priorisierung sei auf «kritische Gruppen» wie Gesundheitspersonal oder Hochrisikogruppen begrenzt. Da diese aber nur zwei bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, stelle sich für Regierungen weiter die Frage, in welcher Reihenfolge der Rest der Bevölkerung geimpft werden sollte.

Mittels eines «superspreading score» - also einer Punktezahl, die angibt, wer andere am meisten ansteckt - soll eine sinnvolle Reihenfolge entworfen werden, in welcher Menschen oder Gruppen von Menschen eine «Behandlung» erhalten. Je höher der «score», desto höher das «Potential» für ein Individuum, die Krankheit weiterzugeben – desto schneller müsse das Individuum auch etwa geimpft oder getestet werden.

Eine hohe Punktezahl wird unter anderem durch viele persönliche Kontakte erreicht. Es gibt aber noch weitere Faktoren, die den «score» ergeben - etwa den Beruf eines Menschen, Bevölkerungseigenschaften, medizinische Daten, besuchte Orte oder Informationen von Dritten. All das soll zum Beispiel in einer App gesammelt sowie ausgewertet werden und schließlich die Punktezahl ergeben.

Die Daten werden dabei verschlüsselt und/oder anonymisiert, so dass sie nicht auf einzelne Personen zurückgeführt werden können. Der gesamte Datenaustausch zwischen verschiedenen Geräten und externen Quellen könnte beispielsweise nur mehr über eine Nummer erfolgen, die einer Person zugewiesen wird.

Corona-Tracing-Apps werden in Europa schon jetzt mit automatisch generierten Schlüsseln eingesetzt, die keine Rückschlüsse auf die Menschen zulassen. In Bezug auf die Corona-App des Roten Kreuzes in Österreich etwa gaben Datenschützer grünes Licht. 

Anders als im Blog-Artikel beschrieben, geht es in dem Patent also nicht darum, dass speziell oder ausschließlich Geimpfte «überwacht» werden sollen. Aus dem Patent geht zudem nicht hervor, dass Geimpfte datenschutzrechtliche Nachteile im Vergleich zu Nicht-Geimpften hätten, wie im Artikel suggeriert wird. Genauso wenig erweckt das Patent den Eindruck, als würde mit einer Impfung etwas anderes als nur die «Vermeidung von Krankheiten» bezweckt.

Die Verwendung von Apps fällt auch nicht unbedingt in den Bereich von Künstlicher Intelligenz (KI). Keine Belege gibt es für die Behauptung, dass eine Diagnose ohne Arzt erfolge und in der App auch «Wertesysteme oder politische Einstellungen» sichtbar wären.

Alle Corona-Impfstoffe wurden in der EU vor ihrer Zulassung umfangreich auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet und werden weiter überwacht. Eingriffe in das Erbgut durch mRNA-Impfstoffe sind unmöglich. Dazu gibt es bereits mehrere dpa-Faktenchecks (hier, hier).

(Stand: 21.10.2021)

Links

Patent 20210082583 (archiviert)

Gal Ehrlich (archiviert)

Maier Fenster (archiviert)

SN/APA-Artikel über Corona-App des Roten Kreuzes (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Zulassung und Sicherheit von Corona-Impfstoffen in EU

dpa-Faktencheck zu mRNA-Impfung und Erbgut

Wochenblick-Artikel (archiviert)

Interview mit Karen Kingston (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com