US-Behörde hat Corona-Auffrischungsimpfung nicht verboten

13.10.2021, 14:23 (CEST)

Die US-Behörde Food and Drug Administration (FDA) hat unlängst über eine Auffrischungsimpfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer entschieden. Dabei sei die Impfung aufgrund von «massiven Nebenwirkungen» angeblich verboten worden, behaupten einige Facebook-Beiträge (hier archiviert). Verwiesen wird auf einen TV-Auftritt des früheren FPÖ-Politikers Peter Westenthaler. Der behauptet, aufgrund der Aussagen eines angeblichen Coronaforschers habe sich die FDA dafür ausgesprochen, eine Drittimpfung mit Biontech/Pfizer zu verbieten. Medien hätten nicht darüber berichtet.

Bewertung

Falsch. Die FDA hat eine dritte Impfung mit dem Pfizer-Präparat nicht verboten, sondern nur eingeschränkt für Menschen ab einem Alter von 65 Jahren und für Risikogruppen empfohlen. Der vermeintliche Covid-Forscher ist ein schon häufig kritisierter Elektroingenieur. Seine Berechnungen basieren weder auf belastbaren Daten noch waren sie für die FDA-Entscheidung relevant. Medien haben über die FDA-Empfehlung berichtet, die Impfstoffe gelten als sicher.

Fakten

Am 17. September äußerte sich die FDA zu einer auch «Booster» genannten dritten Impfung mit dem Präparat von Biontech/Pfizer und sprach dabei keine generelle Empfehlung aus. Diese gab es aber für Menschen über 65 Jahre sowie für Menschen über 18, die entweder zu einer Risikogruppen gehören oder regelmäßig Kontakt mit dem Virus haben. Dies wurde in einer Aussendung der FDA vom 22. September bestätigt.

Bei dem vermeintlichen Coronaforscher handelt es sich um einen US-Amerikaner namens Steve Kirsch. Der aber ist weit davon entfernt, ein «sehr bekannter und sehr geschätzter Epidemiologe und Covid-Forscher» zu sein, wie Westenthaler behauptet. Auf der Webseite des ebenfalls erwähnten «Covid 19 Early Treatment Funds» wird er als Elektroingenieur und Informatiker vorgestellt. Kirsch ist für die Verbreitung von Desinformationen bekannt, frühere Faktenchecks haben manche seiner Behauptungen bereits widerlegt.

Tatsächlich hielt Kirsch im Rahmen des FDA-Treffens eine Präsentation, in der er Impf-Nebenwirkungen thematisierte. Diese erfolgte allerdings in der «Open Public Hearing Session» - also einer Phase, in der öffentliche Kommentare zugelassen waren. Dies lässt sich in der Videoübertragung der FDA (bei 4:20:14 Stunden) erkennen und wurde auch von Medien klargestellt. Kirsch hatte nur drei Minuten Redezeit.

Diese nutzte er etwa, um sich auf Daten aus dem amerikanischen Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS) zu beziehen und vermeintliche Risiken und Impftote aufzuzeigen. In dieser Datenbank werden Symptome und Tode in zeitlichem Zusammenhang zu einer Impfung dokumentiert.

Dass die dortigen Daten, auf die sich auch Impfgegner regelmäßig beziehen, nur bedingt aussagekräftig sind und oft falsch interpretiert werden, wurde bereits in einem dpa-Faktencheck aufgezeigt. Die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) selbst warnt vor einer irreführenden Interpretation der Daten. 

Obwohl Westenthaler behauptet, dass es hier keine derartige Datenbanken gebe, existieren auch in Europa Systeme zur Erfassung von möglichen Impfreaktionen - wie etwa EudraVigilance. Auch hier stehen die gemeldeten Symptome nicht kausal mit der Impfung in Verbindung und sind daher nicht belastbar.

Kirsch bezieht auch eine Studie von Pfizer in seine Argumentation mit ein und verweist auf mehrere dort erwähnte Todesfälle nach Corona-Impfungen. Die Studie stellt aber eindeutig klar, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und Todesfällen nicht nachgewiesen werden konnte.

Mögliche Zusammenhänge zwischen Covid-Impfungen und Erkrankungen wie Herzmuskelentzündung (Myokarditis) werden bereits untersucht und beobachtet. So weist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) etwa auf Myokarditis als sehr seltene Folge einer mRNA-Impfung hin.

Eine aktuelle Studie aus Israel zeigt ein erhöhtes Risiko für Myokarditis nach der Biontech/Pfizer-Impfung auf, weist aber zugleich darauf hin, dass dieses Risiko durch eine Corona-Infektion viel höher ausfällt. Auf das positive Risiko-Nutzen-Profil der Impfung verweist auch die Deutsche Herzstiftung.

In Österreich thematisierten gleich mehrere Medien die FDA-Sitzung - so etwa die «Kronen Zeitung» oder die «Salzburger Nachrichten».

(Stand: 12.10.2021)

Links

Posting auf Facebook (archiviert)

«FELLNER! LIVE» vom 22. September (ab Minute 26:57, Videoausschnitt archiviert)

Pressemitteilung Pfizer (archiviert)

«CNBC»-Meldung zur FDA-Entscheidung (archiviert)

FDA-Aussendung nach Sitzung (archiviert)

Präsentation von Kirsch (archiviert)

FDA-Tagesagenda des Meetings (archiviert)

FDA-Videoaufzeichnung mit Präsentation von Kirsch (nicht archivierbar)

Faktencheck «The Bearkshire Eagle» (archiviert)

Kirsch-Tweet zu Redezeit (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Datenbanken zu Impf-Nebenwirkungen

dpa-Faktencheck zu EMA-Datenbank

Disclaimer zu VAERS (archiviert)

CDC-Hinweis zu VAERS (archiviert)

Sechs-Monate-Studie zu Wirksamkeit und Sicherheit von Pfizer-Impftoff (archiviert)

Rote-Hand-Brief des PEI (archiviert)

Studie zu Myokarditis (archiviert)

Deutsche Herzstiftung (archiviert)

Krone»-Artikel zu FDA-Empfehlung (archiviert)

«oe24»-Artikel zu FDA-Entscheid (archiviert)

«SN»-Artkel zu FDA-Empfehlung (archiviert)

Kurzbiographie Steve Kirsch (archiviert)

Faktencheck von «Health Feedback» (archiviert)

Faktencheck von «Politifact» (archiviert)

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