Impfdurchbrüche und asymptomatische Übertragungen gibt es bei vielen Krankheiten
4.9.2021, 12:20 (CEST)
Die Kritik an Corona-Impfungen flaut in den Sozialen Netzwerken nicht ab. Impfkritiker weisen derzeit gerne darauf hin, dass man sich ja auch trotz Impfungen infizieren könne. So heißt es in einem Facebook-Beitrag (hier archiviert) etwa: «!!!! Medizinisches Wunder !!! Dank den Errungenschaften der Medizin, kann man ZUM ERSTEN MAL IN DER GESCHICHTE DER MENSCHHEIT eine Krankheit, die man „NICHT HAT“, an jemanden übertragen, der dagegen „GEIMPFT IST“!!» (sic!). Diese Behauptung findet sich auch in anderen Postings in verschiedenen Versionen.
BEWERTUNG
Impfdurchbrüche sind schon seit langem bei mehreren Krankheiten bekannt. Ebenso ist das Risiko von Übertragungen durch asymptomatisch Infizierte nichts Neues.
FAKTEN
Auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) findet sich ein Hinweis darauf, dass es zum Beispiel auch bei der Influenza-Impfung zu sogenannten «Impfversagern» kommen kann. Dadurch könnten sich auch Geimpfte mit dem Erreger anstecken, oft komme es dann aber zu Krankheitssymptomen, die mild oder sogar unbemerkt blieben.
Nicht nur bei Corona, auch bei zahlreichen anderen Krankheiten sind Impfdurchbrüche dokumentiert. Das heißt: Impfungen bieten zwar einen hohen Schutz, können aber dennoch kein hundertprozentiger Garant für die Verhinderung von Erkrankungen, schweren Verläufen oder sogar Todesfällen sein. Beispiele sind die Impfung gegen Hepatitis, Masern, Windpocken, Keuchhusten oder die durch Zecken übertragene FSME. Das haben mehrere dpa-Faktenchecks bereits aufgezeigt.
In den Beiträgen auf Facebook wird auch behauptet, es lasse sich erstmals eine Krankheit übertragen, die man «nicht hat». Auch das ist falsch. Denn Krankheitserreger lassen sich oft auch von einer Person weitergeben, die nicht daran erkrankt ist. Das liegt daran, dass eine Infektion auch ohne symptomatische Erkrankung erfolgen kann. Hier spricht man von einer asymptomatischen Infektion, wenn sich gar keine Krankheitssymptome bilden oder von einer präsymptomatischen Infektion, wenn sich bei einer Erkrankung noch keine Reaktionen zeigen.
Das Fachwörterbuch für Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie des RKI spricht bei diesen Infektionen von Ausscheidern bzw. Keimausscheidern. Konkret handle es sich um eine «Person, die mit einem bestimmten Infektionserreger infiziert, aber nicht erkrankt ist, und die diesen Erreger z. B. über den Magen-Darm-Trakt oder den oberen Respirationstrakt nach außen abgibt („ausscheidet”), sodass sie bei normalen sozialen Kontakten oder durch praktisch mögliche Übertragungsvorgänge zu einer Infektionsquelle für andere bzw. für die Allgemeinheit werden kann.»
Im Jahr 2014 berechnete eine Studie, die sechs Influenza-Saisonen in England auswertete, dass etwa drei Viertel aller Infektionen asymptomatisch verliefen. Nach der Meinung von Peter William Hornby, einem Infektiologen an der Universität Oxford, könnte der große Anteil an milden oder asymptomatischen Infektionen einen erheblichen Beitrag zum Infektionsgeschehen beisteuern.
Asymptomatische Übertragungen kommen laut RKI auch bei Respiratorischen Synzytial-Viren (RSV) vor. Das RSV ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. Für das Infektiologikum Frankfurt bildet auch beim Aids-Erreger eine lange asymptomatische Infektionsphase die Basis für weitere Neuinfektionen.
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Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com
Links
Posting auf Facebook (archiviert)
RKI-Hinweis zu Impfdurchbrüchen bei Influenza-Impfung (archiviert)
RKI-Bulletin zu Masern (archiviert)
Beitrag im Ärzteblatt zu Keuchhusten-Impfdurchbrüche (archiviert)
Aussendung des Paul-Ehrlich-Instituts beim Informationsdienst Wissenschaft (archiviert)
Kölner Stadtanzeiger-Artikel zu Windpocken-Impfdurchbrüchen (archiviert)
Beantwortung parlamentarischer Anfrage zu FSME-Impfung (archiviert)
dpa-Faktencheck u.a. zu Gründen für Impfdurchbrüche
RKI zu Asymptomatischer und Präsymptomatischer Übertragung (archiviert)
Studie aus England zu Influenza-Saisonen (archiviert)
Kommentar zur Studie (archiviert)