Keine Überraschung: Corona-Impfstoffe nicht zu 100 Prozent wirksam

27.05.2021, 19:29 (CEST)

In Österreich hat die Impfkampagne gegen Covid-19 zuletzt Fahrt aufgenommen. Über vier Millionen Dosen wurden bereits verabreicht. Einige Menschen sehen das kritisch und weisen immer wieder auf vermeintliche Gefahren in Zusammenhang mit der Impfung hin. Derzeit heißt es etwa in einem Artikel von «unzensuriert», der auf Facebook verbreitet wird (hier archiviert), dass einer «erschreckenden Studie» zufolge 80 Geimpfte an Corona erkrankt seien, 20 davon schwer. «Nun stellt sich heraus, dass man trotz Vollimmunisierung am Coronavirus erkranken kann», heißt es dort. Angeblich würde diese Information in den Medien «komplett» untergehen. Als Quelle wird das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) genannt.

Bewertung

Tatsächlich ist laut dem BASG bis 14. Mai 2021 bei 80 vollimmunisierten Menschen die Schutzwirkung ausgeblieben, wie mehrere Medien berichteten. Dass dies möglich ist, ist nicht neu. Gemessen an allen bis dahin vollständig gegen Corona Geimpften in Österreich ist das eine sehr niedrige Zahl, die im Bereich der Studienergebnisse der Impfstoffhersteller liegt.

Fakten

Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) berichtet regelmäßig über Meldungen vermuteter Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen. Es informiert auch über Covid-19-Erkrankungen bei Vollimmunisierten – eine Studie ist dieser Bericht aber nicht. Das Ausbleiben der Schutzwirkung eines Impfstoffs wird als Impfdurchbruch bezeichnet. Er tritt ein, wenn eine Person Sars-CoV-2 positiv ist sowie Symptome aufweist, bei der nach der zweiten Dosis ein Zeitraum von sieben Tagen bzw. der einzigen Dosis ein Zeitraum von 28 Tagen oder mehr verstrichen ist.

Bis 14. Mai 2021 seien 80 solcher Fälle gemeldet worden. Acht Personen seien verstorben und ein Fall wurde demnach als lebensbedrohlich eingestuft. 959 176 Menschen in Österreich hatten laut dem Gesundheitsministerium bis 7. Mai einen vollständigen Impfschutz (Anm.: Vollimmunisierung eine Woche nach zweiter Dosis, also am 14. Mai). Gemessen daran wären mit 80 Personen nur 0,008 Prozent der vollständig Geimpften an Covid-19 erkrankt, also etwa eine von 10 000.

Das liegt völlig im Rahmen der von Zulassungsstudien angegebenen Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer hat den Studien zufolge eine Wirksamkeit von 95 Prozent, jener von Moderna eine von 94,1 Prozent, der von Astrazeneca eine von 59,5 Prozent und der von Johnson & Johnson eine von 66,9 Prozent. Die Angaben variieren von Quelle zu Quelle leicht, da bei dem Impfstoffen noch Beobachtungsstudien laufen, die in diesen Faktencheck aber nicht miteinfließen.

Die Wirksamkeit zeigt die Wahrscheinlichkeit an, im Vergleich zu Placebo-geimpften Studienteilnehmerinnen und –teilnehmern an dem Virus zu erkranken. In Bezug auf den Schutz vor schweren oder tödlichen Krankheitsverläufen kann die Wirksamkeit sogar noch höher liegen.

Bei den Impfstoffstudien von Biontech/Pfizer erkrankten acht der 18 198 geimpften Menschen, sowie 162 der 18 325 nicht-geimpften. 0,044 Prozent der Geimpften erkrankten also. Bei Moderna sind es 0,078 Prozent, bei Astrazeneca 1,2 Prozent und beim Impfstoff von Johnson & Johnson 0,336. Das zeigt, dass offenbar weniger Menschen in Österreich nach einem vollständigen Impfschutz an Covid-19 erkrankten, als während der Zulassungsstudien beobachtet.

Bei allen in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffen gilt die Wirksamkeit als hoch. Zu beachten ist, dass die Parameter in den Zulassungsstudien leicht abweichen voneinander und auch von den Parametern, die das BASG verwendet.

Markus Zeitlinger, Leiter der Abteilung für klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage, dass 80 Impfdurchbrüche überhaupt keine hohe Zahl sei. Einerseits müsse man diese – wie oben dargelegt – in Relation zu den verabreichten Impfungen sehen, andererseits in Hinblick darauf, wie stark die Pandemie grassiert: «Wenn sich insgesamt nur 100 Leute in Österreich infiziert hätten und 80 davon sind Geimpfte, dann würde es nicht gut ausschauen. Aber (…) es haben sich viel mehr jeden Tag infiziert und selbst jetzt infizieren sich ja noch jeden Tag mehr Leute und damit ist 80 keine hohe Zahl.»

Prinzipiell gilt, dass Menschen, die trotz vollständiger Corona-Impfung erkranken, nicht genügend Antikörper oder keine effizienten Antikörper gebildet hätten, so Zeitlinger. Hier spielt das Immunsystem eine Rolle, bei älteren Menschen etwa spricht es weniger auf die Impfung an. Es gibt auch Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, zum Beispiel bei Organ-Transplantierten: «Das sind Personen, die hier besonders gefährdet sind».

Bei den acht Menschen, die nach Erlangen des vollständigen Impfschutzes verstorben waren, hat es sich laut Zeitlinger vor allem um alte und sehr alte Menschen gehandelt. Diese sind ohnehin gefährdeter an Covid-19 zu sterben oder einen schweren Krankheitsverlauf zu haben – das spielt auch bei einem Impfdurchbruch eine Rolle.

Auch die Zeit ist ein wichtiger Faktor. Vor allem am Anfang seien die ältesten Menschen geimpft worden. Diese hätten daher auch mehr Zeit gehabt, zum sogenannten «Impfversager» zu werden. «Wenn man jetzt vor einer Woche die zweite Impfung bekommen hat, dann hat man noch gar keine Zeit gehabt, sich zu infizieren, weil erst nach der zweiten Teilimpfung begonnen wird, zu zählen. (…) Und die anderen haben jetzt doch schon vier, fünf Monate Zeit gehabt sozusagen, sich zu infizieren.» Die Gründe dafür, trotz vollständigem Impfschutz zu erkranken, akkumulieren sich also momentan bei der älteren Generation.

Dass diese Daten in den Medien «komplett» untergehen würden, wie im «unzensuriert»-Artikel behauptet, ist falsch. Sowohl die APA, als auch der ORF berichteten ausführlich über den aktuellen BASG-Bericht. Den APA-Bericht übernahmen unter anderem «Kurier», «oe24», die «Wiener Zeitung» und die «Kleine Zeitung».

(Stand: 27.5.2021)

Links

Stand der Impfungen in Österreich (archiviert am 25.5.2021)

BASG-Bericht (archiviert)

Wirksamkeit von Biontech/Pfizer-Impfung (archiviert)

Wirksamkeit von Moderna-Impfung (archiviert)

Wirksamkeit von Astrezeneca-Impfung (archiviert)

Wirksamkeit von Janssen-Impfung (archiviert)

APA-Artikel

APA-Bericht im «Kurier» (archiviert)

APA-Bericht bei «oe24» (archiviert)

APA-Bericht in der «Wiener Zeitung» (archiviert)

APA-Bericht in der «Kleinen Zeitung» (archiviert)

ORF-Artikel (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

«Unzensuriert»-Artikel (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com