Mehrere Todesfälle erfunden - Mediziner: Kinder sterben nicht durch Maske

8.10.2020, 15:55 (CEST)

In Corona-Zeiten ist die Alltagsmaske für viele Schulkinder ein treuer Begleiter. Häufig wird die Behauptung vorgebracht, der Mund-Nasen-Schutz gefährde die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler. Auf Facebook wird in verschiedenen Varianten sogar behauptet, die Maskenpflicht habe bei mehreren Kindern in Deutschland zum Tod geführt. In einem Posting (hier archiviert) ist etwa die Rede von einem 6-jährigen Mädchen aus Schweinfurt und einem Mädchen aus Wiesbaden, die gestorben sein sollen. In einem anderen Posting (hier archiviert) ist zusätzlich die Rede von einem 13-jährigen Mädchen, welches in Rheinland-Pfalz aufgrund des «Maskenzwangs» zusammengebrochen und gestorben sein soll.

BEWERTUNG: Es gibt keinerlei Beweise für die vermeintlichen Todesfälle in Deutschland. Wenn es sich um eine luftdurchlässige Alltagsmaske handelt, besteht laut Medizinern für Kinder keine Gefahr.

FAKTEN: Zu den angeblichen Fällen im Einzelnen:

Büchelberg (Rheinland-Pfalz): Am 7. September brach eine 13 Jahre alte Schülerin in einem Schulbus bei Wörth am Rhein (Landkreis Germersheim) zusammen und starb später im Krankenhaus. Nach den seinerzeit vorliegenden Ergebnissen der rechtsmedizinischen Untersuchung sei die Todesursache noch unklar, teilte die Staatsanwaltschaft Landau am 1. Oktober mit. Weitere Untersuchungen seien in Auftrag gegeben worden. Auf Facebook wird in einem der Postings hingegen ohne jegliche Quelle behauptet, das Mädchen sei wegen des «Maskenzwangs» gestorben.

Schweinfurt (Bayern): Zu einem weiteren Todesfall soll es am 28. September in der Nähe von Schweinfurt gekommen sein. Vermeintlich soll ein sechsjähriges Mädchen, das eine Maske getragen habe, im Schulbus bewusstlos geworden und später verstorben sein. Die Polizei in Unterfranken nahm bereits am 1. Oktober dazu Stellung: «Das sind Internetmärchen, die seit Dienstag auf verschiedenen Social-Media-Kanälen in der Region verbreitet werden», erläuterte eine Sprecherin. «Das ist tatsächlich falsch.» Weder in Schweinfurt noch in der Umgebung sei eine Sechsjährige deshalb erkrankt oder gar ums Leben gekommen.

Wiesbaden (Hessen): In einigen Beiträgen in sozialen Netzwerken heißt es, auch in Wiesbaden sei ein Mädchen wegen einer Mund-Nasen-Bedeckung gestorben. Als Quelle ist hier «eine befreundete Ärztin aus Weinheim» angegeben. In einem Posting heißt es, das Kind habe an Asthma gelitten. Die Staatsanwaltschaft in Wiesbaden teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, ihr sei kein derartiger Fall bekannt.

Ostfriesland (Niedersachsen): Sogar die Todesanzeige eines 13-Jährigen aus Ostfriesland wird missbraucht, um gegen die Maskenpflicht zu argumentieren. Der Junge sei angeblich «im Schulbus kollabiert» und «an der Maske erstickt», heißt es. Wenn es Anzeichen für eine unnatürliche Todesursache - etwa einen Unfall - gibt, muss laut Paragraf 159 der Strafprozessordnung die Staatsanwaltschaft informiert werden. Sie beantragt dann zum Beispiel eine Obduktion. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilte die zuständige Staatsanwaltschaft in Aurich mit, dass der Junge weder in einem Schulbus noch in der Schule gestorben ist. Auch habe sein Tod nichts mit der Maskenpflicht zu tun.

Der Berliner Mediziner und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, sagte der dpa auf Anfrage, dass es «unmöglich» sei, dass ein Kind durch das Tragen einer Alltagsmaske ums Leben kommen könne. Auch kleine Kinder könnten einen Mundschutz tragen. «Das ist gar kein Problem», sagte der Experte.

Doch selbst angenommen, ein Kind würde tatsächlich nicht genügend Sauerstoff oder zu viel CO2 einatmen, dann würde es müde werden und sich abgeschlagen fühlen, so der Mediziner. In diesem Fall würde das Kind die Maske von allein abnehmen. «Davon stirbt man aber auf gar keinen Fall», erklärte der Experte.

Dominic Dellweg, Chefarzt für Pneumologie am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft (Nordrhein-Westfalen), veranschaulichte: «Wenn Luft durch die Maske geht, gehen auch Sauerstoff und CO2 durch.» Auch er schloss aus, dass ein gesundes Kind durch die Verwendung einer Alltagsmaske stirbt.

Allgemein gilt für Kinder, die noch nicht das Volksschulalter erreicht haben, eine «Kann-Empfehlung» für Masken, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Säuglinge sollten der Empfehlung zufolge keine Maske tragen. Bei Kindern, die aufgrund einer Erkrankung in ihrer Herz- oder Lungenfunktion eingeschränkt sind, soll das Risiko der Maske individuell mit dem Arzt abgeklärt werden. In Österreich sind Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr von der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ausgenommen.

In einem anderen Faktencheck hat sich die dpa darüber hinaus bereits Behauptung angenommen, dass derzeit in Wien zehn Kinder mit einer maskenbedingten Lungenpilzinfektion im Krankenhaus liegen. Dafür gibt es keine Hinweise. In sämtlichen Krankenhäusern mit Kinderambulanzen ist kein einziger derartiger Fall bekannt.

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Links:

Facebook-Posting 1: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=203574417797815&set=a.114079873413937&type=1&theater (archiviert: http://dpaq.de/fwEL0)

Facebook-Posting 2: http://dpaq.de/9OUnz (archiviert: http://dpaq.de/5cIUw)

Artikel in der «Rheinpfalz» (1. Oktober 2020): https://www.rheinpfalz.de/politik/rheinland-pfalz_artikel,-ursache-f%C3%BCr-tod-von-sch%C3%BClerin-nach-zusammenbruch-unklar-_arid,5117091.html (archiviert: http://dpaq.de/GKtoI)

Mitteilung der Staatsanwaltschaft Landau: https://stald.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/todesermittlungsverfahren-nach-tod-einer-13-jaehrigen-am-07092020/ (archiviert: http://dpaq.de/5IGht)

Warnung der Polizei Unterfranken bei Facebook: https://www.facebook.com/PolizeiUnterfranken/posts/3440630375990940 (archiviert: http://dpaq.de/Vs95c)

§ 159 Strafprozessordnung: https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__159.html

§ 4 Niedersächsisches Bestattungsgesetz: http://www.voris.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsvorisprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-BestattGND2005V2P4

Maskenempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Meldungen_2020/200504_DGKJ_Maskenempfehlung_aktualisiert.pdf (archiviert: http://dpaq.de/JfiR0)

Facebook-Posting 3: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2652561518330920&set=a.2000886793498399&type=3&theater (archiviert: http://dpaq.de/p86jg)

Regelung zu Mund-Nasen-Schutz (MNS) in Österreich: https://www.oesterreich.gv.at/public/Mund-Nasen-Schutz.html (archiviert: http://dpaq.de/JDRHK)

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