Bundestagswahl
Rede des deutschen Bundespräsidenten enthält keine Passage zu Wahl-Annullierung
23.1.2025, 15:34 (CET)
Am 23. Februar 2025 wählen die Wahlberechtigten in Deutschland ein neues Parlament, den Bundestag. Online verbreitet sich eine angebliche Ankündigung des deutschen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier (SPD), zur Wahl. «Steinmeier droht: Wahl könnte annulliert werden, wenn die FALSCHE Partei gewinnt», heisst es auf einem Foto-Sharepic, das auch Nutzer in der Schweiz verbreiten. «Neuwahl kann annuliert werden!» (Schreibweise im Original) steht noch einmal gross in der Mitte des Fotos.
Bewertung
Nirgends ist eine solche Aussage von Frank-Walter Steinmeier über eine mögliche Annullierung der Wahl und die Bezeichnung einer Partei als «falsch» zu finden. Es handelt sich um eine freie Interpretation einer Rede, in welcher der Bundespräsident zu einem fairen Wahlkampf aufruft und sich gegen äussere Einflussversuche ausspricht.
Fakten
Das Foto-Sharepic, das im deutschsprachigen Raum in mehreren Sozialen Netzwerken kursiert, wird teilweise zusammen mit einem Youtube-Video verbreitet. In diesem wird die gleiche Behauptung aufgestellt, wonach Bundespräsident Steinmeier gedroht habe, dass die Wahl annulliert werden könnte. In den Beschreibungen zum Video wird als Quelle wiederum auf einen Text des rechtskonservativen Portals «Tichys Einblick» verwiesen.
Doch in diesem Text werden ebenfalls keine konkreten Zitate erwähnt, in denen Steinmeier von einer Annullierung spricht. Stattdessen wird eine Interpretation der Rede angekündigt, die Steinmeier anlässlich der Auflösung des Bundestags Ende Dezember 2024 hielt. «Wie einst in den Reden der SED-Funktionäre liegt das, was Steinmeier sagt, zwischen den Zeilen. Genauer gesagt: Es muss interpretiert werden», beschreibt der Autor des Textes sein Vorgehen.
Die Interpretation, Steinmeier habe eine Annullierung der Neuwahl angedroht, soll sich aus folgendem Abschnitt ergeben, der hier dem offiziellen Redemanuskript entnommen wurde: «Und ich erwarte auch, dass der Wahlkampf mit fairen, mit transparenten Mitteln geführt wird. Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie - sei sie verdeckt, wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien, oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird. Ich wende mich entschieden gegen alle äußeren Einflussversuche. Die Wahlentscheidung treffen allein die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.»
Wahlberechtigte können Einspruch einlegen
Von der Möglichkeit einer Annullierung der Wahl spricht Steinmeier in seiner Rede nicht. Eine angeblich «falsche Partei» erwähnt er dort ebenso wenig. Die Reden und Äusserungen des Bundespräsidenten sind üblicherweise alle auf seiner Webseite verzeichnet. Suchen nach den Stichworten «Annulierung» oder «annuliert» führen hier zu keinem Treffer. «Die Zitate sind frei erfunden, sie sind keine Aussagen des Bundespräsidenten», bestätigte eine Sprecherin des Bundespräsidenten.
Ganz allgemein hätte in Deutschland der Bundespräsident nicht die verfassungsgemässe Macht, ein Wahlergebnis zu annullieren: Jeder Wahlberechtigte kann gegen eine Bundestagswahl Einspruch einlegen. Für die Wahlprüfung ist dann der Bundestag, genauer gesagt der Wahlprüfungsausschuss, zuständig.
Gegen eine Entscheidung des Bundestages über eine Wahlprüfung kann Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden. So ist es im Grundgesetz, im Wahlprüfungsgesetz und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht festgeschrieben. Eine aktive Rolle des Bundespräsidenten in diesem Verfahren ist nicht vorgesehen.
(Stand: 22.2.2025)
Links
Behauptung in Youtube-Video (archiviert)
Behauptung in Blogbeitrag (archiviert)
Bundesministerium der Justiz: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 41 (archiviert)
Bundesministerium der Justiz: Wahlprüfungsgesetz (archiviert)
Bundesministerium der Justiz: Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (archiviert)
Der Bundespräsident: Rede zur Auflösung des Bundestags, 27.12.2024 (archiviert)
Deutscher Bundestag: Jeder Wahlberechtigte kann Einspruch gegen die Bundestagswahl einlegen, 27.9.2021 (archiviert)
Google-Suche nach Stichworten auf Webseite des Bundespräsidenten (archiviert)
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