«Open Banking»

Kanadas Finanzsystem funktioniert weiterhin ohne Sozialkreditsystem

26.9.2024, 12:25 (CEST)

Kanada arbeitet unter dem Begriff «Open Banking» an neuen Plänen für das Finanzsystem. Das hat aber nichts mit der Einführung eines Sozialkreditsystems zu tun.

Der Begriff Sozialkreditsystem taucht vor allem in Zusammenhang mit China, umfassender Überwachung sowie Strafen für kleine Vergehen im Alltag auf. Plant auch Kanada, wie in einem via Facebook-Post verbreiteten Artikel behauptet wird, die Verknüpfung von Bankkonten mit einem Sozialkreditsystem?

Bewertung

Es gibt keine Belege dafür, dass die kanadische Regierung die Bankkonten mit einem Sozialkreditsystem verknüpfen will. Zwar plant die Regierung die Einführung eines sogenannten «Open Banking». Allerdings soll mit diesem System den Kundinnen und Kunden lediglich die Möglichkeit gegeben werden, auf freiwilliger Basis Daten an ausgewählte Drittanbieter weiterzuleiten.

Fakten

Das Sozialkreditsystem taucht primär in Zusammenhang mit China auf und ist dort teilweise bereits eingeführt worden. Das Gabler Wirtschaftslexikon beschreibt es als «elektronisches Überwachungs-, Erfassung- und Bewertungssystem». Bürgerinnen und Bürger werden im Rahmen des Systems je nach Lebenssituation, Sozialverhalten oder Wirtschaftsaktivitäten mit Punkten bewertet.

Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) berichtete 2018 in der Sendung «Rundschau» von einer Testphase des Sozialkreditsystems in chinesischen Städten wie Shanghai oder Chongqing. Gemäss dem Fernsehbericht können schlechte Werte im Sozialkreditsystem dazu führen, nicht mehr Fliegen oder Zugfahren zu dürfen.

Mit einem Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild haben die kanadischen Pläne zu «Open Banking» jedoch nichts zu tun. Gemäss der kanadischen Regierungsbehörde «Financial Consumer Agency of Canada» ist «Open Banking» dazu gedacht, dass Kontoinhaber Bankdaten auf sichere Weise mit Drittanbietern (zum Beispiel Finanzapps oder Bezahlungsdienste) teilen können. Zum Teilen der Daten ist das Einverständnis des Kontoinhabers notwendig. Dank «Open Banking» soll vermieden werden, dass Kontoinhaber den Zugriff auf ihr gesamtes Online-Banking inklusive Benutzername und Passwort freigeben müssen.

Bundesrat spricht sich für «Open Finance» aus

«Open Banking» respektive «Open Finance» (betrifft neben Bankdaten unter anderem Daten zu Versicherungen und Pensionskassen) ist auch in der Schweiz ein Thema. Der Bundesrat spricht sich für «Open Finance» aus, allerdings gibt es gemäss der Landesregierung gegenwärtig in der Schweiz keine gesetzliche Verpflichtung für Finanzinstitute, Drittanbietern auf Wunsch der Kundschaft Finanzdaten zugänglich zu machen. Es wird auf die Eigeninitiative der Unternehmen im Finanzsektor gesetzt.

Weder in Kanada noch in der Schweiz sind jedoch Hinweise ersichtlich, dass das Einführen von «Open Banking» mit der Etablierung eines Sozialkreditsystems verbunden sein wird oder bereits verbunden ist.

(Stand: 20.9.2024)

Links

Facebook-Post (archiviert)

tkp.at: Kanada verknüpft Bankkonten der Bürger mit Sozialkreditsystem (archiviert)

Gabler Wirtschaftslexikon: Sozialkreditsystem (archiviert)

NZZ: China forciert die Einführung eines Sozialkreditsystems, 27.11.2022 (archiviert)

SRF Rundschau: Der perfekte Chinese, 25.4.2018

Financial Consumer Agency of Canada, 14.2.2024 (archiviert)

Bundesrat: Fortschritte bei der Umsetzung von Open Finance in der Schweiz , 19.6.2024 (archiviert)

SIF: Open Finance birgt grosses Potential, 23.12.2020 (archiviert)

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