Rentner sind in der Regel bessergestellt als Asylsuchende

26.3.2024, 11:07 (CET)

Die Ausgaben für Sozialleistungen in der Schweiz steigen tendenziell. Neben AHV-Beziehende erhalten auch Asylbewerber Geld vom Staat. Wer erhält wie viel?

Wer bekommt mehr Geld vom Staat, AHV-Beziehende oder Asylbewerber? In einem Facebook-Post wird behauptet, dass «der Schweizer» nach 44 Jahren Arbeit 1616 Franken pro Monat erhalte, welche zu versteuern seien. Hingegen würde ein nicht-arbeitender Asylbewerber mit drei Kindern monatlich 6724 Franken steuerfrei erhalten. Was hat es mit den Zahlen auf sich?

Bewertung

Die Zahlen haben so pauschal keine Faktengrundlage. Anerkannte Flüchtlinge haben auf dieselben Sozialhilfeleistungen Anspruch wie Schweizer Staatsbürger. Asylsuchende, wie sie im Posting genannt werden, erhalten hingegen Asylsozialhilfe, die deutlich niedriger ist.

Die Sozialhilfe ist föderal organisiert, folglich variieren die konkreten Beträge. Je nach Umstand übernimmt die Sozialhilfe gewisse zusätzlich anfallende Kosten, doch das ist nicht die Norm.

Verglichen mit einem Asylsozialhilfe-Empfänger sind AHV-Beziehende bessergestellt. Doch die Höhe der AHV-Leistungen hängt allerdings von der Anzahl der Beitragsjahre sowie dem Einkommen ab.

Fakten

Die finanziellen Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge variieren je nach Aufenthaltsstatus. Da zudem die Sozialhilfe föderal strukturiert ist, unterscheiden sich die Leistungen von Kanton zu Kanton, teilweise liegt dies sogar in der Verantwortung der Gemeinden.

Folglich ist eine konkreter Geldbetrag, den Asylbewerber bekommen, nicht zu generalisieren. Asylsozialhilfe ist eine reduzierte Sozialhilfeleistung, welche Asylsuchenden (Ausweis N), vorläufig aufgenommene Ausländern (Ausweis F) und Schutzbedürftigen (Ausweis S) zusteht. Das Asylgesetz (AsylG) Artikel 82, Absatz 3 schreibt vor, dass den Asylsuchenden und den Schutzbedürftigen «Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen» erhalten sollen. Der Ansatz für die Unterstützung habe zudem «unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung» zu liegen.

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) gibt «Richtlinien zur Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe» heraus. Auf dpa-Anfrage schreibt die SKOS: «Die von den Kantonen erlassenen Regelungen stützen sich auf das Asylgesetz, sind jedoch sehr unterschiedlich.» Der Ansatz für Einzelpersonen bleibe im Vergleich mit dem SKOS-Grundbedarf etwa bei 19 bis 71 Prozent unter den Ansätzen der ordentlichen Sozialhilfe. Dies sind Stand September 2022 für eine Einzelperson pro Monat 295 bis 815 Franken, für eine Vier-Personen-Familie 1065 bis 1898 Franken. Laut SKOS beträgt der Ansatz in der Asylsozialhilfe bei einer vierköpfigen Familie 10 bis 50 Prozent weniger als die ordentliche Sozialhilfe.

Hingegen haben anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge Anspruch auf dieselbe Sozialhilfe wie die einheimische Bevölkerung. Wohnkosten im ortsüblichen Rahmen sowie Kosten für die Krankenkasse werden von der Sozialhilfe übernommen. Für einen Einpersonenhaushalt empfiehlt die SKOS für den Grundbedarf 1031 Franken pro Monat, für einen Vierpersonenhaushalt 2206 Franken, für fünf Personen 2495 Franken. Auch das ist weit unterhalb des behaupteten Betrages von 6724 Franken.

Die SKOS-Mediensprecherin Ingrid Hess schreibt zudem: «Es kann jedoch während gewisser Zeiten oder bestimmten Umständen vorkommen, dass zusätzliche Kosten für Ausbildung oder für die Gesundheit [wie beispielsweise Zahnarztkosten] zusätzlich von der Sozialhilfe übernommen werden.» Dies sei aber keinesfalls der Normbetrag. Sozialhilfe ist grundsätzlich in der Schweiz steuerfrei. Doch generell gelten dabei die jeweiligen kantonalen Sozialhilfegesetze oder Verordnungen, schreibt Hess.

AHV-Beiträge sind je nach individueller Situation unterschiedlich

Die Altersvorsorge in der Schweiz basiert auf einem Dreisäulensystem: der staatlichen, der beruflichen sowie der privaten Vorsorge. Wie hoch die Rentenbeiträge ausfallen, hängt von mehreren Faktoren ab.

Die obligatorische staatliche Vorsorge – die erste Säule – ist die die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) (ab Seite 16). Die Höhe der AHV-Rente hängt durchschnittlichen Jahreseinkommen sowie von der Anzahl der Beitragsjahre ab.

Um den vollständigen AHV-Betrag zu erhalten, müssen für mindestens 44 Jahre die geforderten Minimalbeträge einbezahlt worden sein - diese Zahl wird auch im Posting genannt. Die Minimale Altersrente beträgt seit Januar 2024 1225 Franken, also mehr als die im Posting genannten 1616 Franken. Die Maximale AHV-Rente beträgt 2450 Franken, ein Ehepaar erhält Maximum 3675 Franken. Gibt es Beitragslücken, werden die Renten gekürzt.

Den Rentnerinnen und Rentnern kommen im Rentenalter neben den AHV-Beiträgen auch die individuellen Beträge der berufliche sowie der privaten Vorsorge, die sogenannte zweite und dritte Säule, zugute.

Reichen die Renteneinkommen nicht zur Existenzsicherung aus, werden Ergänzungsleistungen (EL) gezahlt. Die AHV-Beiträge, die Beträge der Pensionskassen sowie das Vermögen der Dritten Säule sind in der Tat steuerpflichtig. Doch zusätzliche Hilfsmittel der AHV sind steuerfrei.

Behauptungen, wonach Asylsuchende mehr Sozialleistungen vom Schweizer Staat erhalten würden als Schweizer, kursieren in unterschiedlicher Form häufig in den sozialen Netzwerken. Die dpa hat dies bereits mehrfach widerlegt.

(Stand: 22.3.2024)

Links

Facebook-Post (archiviert)

UNHCR: Asyl in der Schweiz (archiviert)

Amnesty International: Asyl in der Schweiz, 30.03.2022 (archiviert)

BFS: Sozialhilfebeziehende, Datenstand 2023 (archiviert)

BFS: Ausgaben der Sozialen Sicherheit, Datenstand 2023 (archiviert)

SODK: Unterstützungsleistungen im Asylbereich nach Kanton, Stand Februar 2021 (archiviert)

SODK: Sozialhilfeleistungen im Asylbereich (archiviert)

SKOS: Fachverband für Sozialhilfe (archiviert)

SKOS: Grundbedarf für Asylsozialhilfe, Januar 2023 (archiviert)

SKOS: Grundbedarf für Sozialhilfe, März 2023 (archiviert)

SKOS: Richtlinien Materielle Grundsicherung (archiviert)

SKOS: Richtlinien Rückerstattung (archiviert)

SEM: Ausweis N – Asylsuchende (archiviert)

SEM: Ausweis F – Vorläufig aufgenommene Ausländer (archiviert)

SEM: Ausweis S – schutzbedürftige (archiviert)

Bundesgesetz: Asylgesetz (AsylG) (archiviert)

Pro Infirmis: Besteuerung von Sozialleistungen (archiviert)

Jusletter: Sozialhilferechtliche Rückerstattungen, 19.03.2018 (archiviert)

BSV: Broschüre Altersvorsorge, Dezember 2023 (Download) (archiviert)

BSV: AHV-Beiträge Stand Januar 2024 (Download) (archiviert)

BSV: Dreisäulensystem (archiviert)

BSV: Beitragsdauer (archiviert)

BSV: Vollrente (archiviert)

BSV: Beitragslücke (archiviert)

BSV: Broschüre Ergänzungsleistungen, Dezember 2022 (Download) (archiviert)

AHV: Ergänzungsleistungen (archiviert)

dpa-Faktencheck: Rentner sind gegenüber Asylsuchenden deutlich bessergestellt, 30.06.2023

dpa-Faktencheck: AHV-Ansprüche von Ukrainern weniger umfangreich als behauptet, 04.09.2023

SKOS: Richtlinien Materielle Grundsicherung (archiviert)

SKOS: Richtlinien finanzieller Grundbedarf (archiviert)

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