Teurer als Wasserstoff

Forscher: Energiepreise steigen in Synfuels-Szenario besonders stark

13.6.2023, 13:22 (CEST)

Menschliche Aktivitäten beeinflussen das Klima global. Dabei spielen die Treibhausgase eine wesentliche Rolle. Welchen CO2-Ausstoss verzeichnet die Schweiz im globalen Vergleich?

Am 18. Juni 2023 stimmt die Schweizer Bevölkerung über das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit ab (Erläuterungen des Bundesrates, Download). Stimmt es, dass bei Inkrafttreten des Gesetzes 5000 neue Windräder gebaut und die Energiekosten pro Kopf monatlich um 550 Franken steigen würden, wie in einem Video behauptet wird? Und ist die Schweiz tatsächlich für 0,1 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich?

Bewertung

Weder die genannte Zahl der Windräder noch die Mehrkosten gehen aus dem Gesetz hervor. Es gibt mehrere Szenarien, die mit unterschiedlichen Kostenaufwänden verbunden sind - zum Teil deutlich weniger als die genannten 550 Franken. Im internationalen Vergleich stösst die Schweiz zwar innerhalb der eigenen Grenzen wenig CO2 aus, importiert aber viele Güter, welche im Ausland CO2-Emissionen verursachen.

Fakten

Die Schweiz ist im Hinblick auf fossile Energieträger vom Ausland abhängig. Das im Juni 2023 zur Abstimmung stehende Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit soll gemäss Behörden die Schweiz unabhängiger machen.

Das Ziel einer klimaneutralen Schweiz ist auf mehreren Wegen erreichbar. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) und der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) haben drei mögliche Szenarien verglichen und die jeweiligen Kosten errechnet. Dabei wurde das Szenario der Elektrifizierung der Energieversorgung angeschaut insbesondere durch Wasserkraft, eine Wasserstoffwirtschaft mittels Solarstrom sowie die Versorgung mit synthetischen Treibstoffen – auch Synfuels genannt – aus Ökostrom.

Bei dem dritten Szenario dürfen bestehende Öl- und Gasheizungen weiter betrieben werden, auch Fahrzeuge, welche mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sind weiterhin zugelassen. Weitere Stauseen seien gemäss den Forschern nicht nötig, dafür aber etliche Solarzellen. Das Synfuels-Szenario sei gemäss der Kalkulation verglichen mit den heutigen Energiekosten monatlich 550 Franken pro Kopf teurer. Beim Wasserstoff-Modell sei hingegen nur mit rund 120 Franken Mehrkosten verglichen mit heute zu rechnen.

Mit wie vielen Windrädern oder Solarzellen der Ausbau von erneuerbaren Energien erreicht werden soll, ist nicht definiert. Georg Schwarz, ehemaliger stellvertretender Direktor beim Nuklearinspektorat Ensi, kritisiert gegenüber Medien die Energiestrategie des Bundes und geht davon aus, dass dafür 5000 neue Windräder notwendig seien.

CO2-Ausstoss der Schweiz

Es gibt mehrere Treibhausgase, den grössten Teil der Treibhausgasemissionen in der Schweiz und in der EU macht Kohlendioxid (CO2) aus. Mehrere CO2-Emissionsgrössen geben Auskunft über den effektiven CO2-Ausstoss eines Landes:

Einerseits wird ermittelt, wie viel CO2 auf dem Territorium eines Staates ausgestossen wird. Dabei handelt es sich um produktionsbasierte CO2-Emissionen. Die Emissionen der importierten Güter werden hierbei nicht berücksichtigt, da diese im Ausland ausgestossen werden. Weiter gibt die Bevölkerungsgrösse darüber Auskunft, wie hoch der CO2-Ausstoss pro Kopf ist.

Nach Daten der EU stiess die Schweiz im Jahr 2021 etwa 35 Megatonnen CO2 aus, was etwa 0,1 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses entspricht. Dabei handelt es sich ausschliesslich um produktionsbasierte CO2-Emissionen.

Die konsumbasierten CO2-Ausstösse der Schweiz sind deutlich höher, im Jahr 2020 betrugen sie rund 107 Megatonnen. Die Schweiz importiert deutlich mehr Güter, bei deren Produktion CO2 freigesetzt wird, als sie exportiert. Weltweit gehört die Schweiz zu den grössten CO2-Importeuren.

Werden diese Grössen in Relation zur Bevölkerung von 8,7 Millionen im Jahr 2021 gesetzt, ergibt sich der CO2-Ausstoss pro Kopf. Bei den im Inland anfallenden CO2-Emissionen verzeichnet die Schweiz einen Pro-Kopf-Ausstoss von etwa 4 Tonnen und steht im internationalen Vergleich auf Platz 68. Wird dies handelsbereinigt, kommt man auf etwa 12 Tonnen CO2 pro Kopf und somit auf Platz 15 der grössten CO2-Verursacher. Auch der Bund schreibt auf seiner Webseite, dass der «Treibhausgas-Fussabdruck der Schweiz deutlich über dem weltweiten Durchschnitt» liege.

(Stand: 12.6.2023)

Links

Facebook-Post (Video archiviert)

BAFU: Treibhausgasinventar der Schweiz (archiviert)

BAFU: Klima – Ausstoss von Treibhausgasen (archiviert)

EU: Treibhausgase, 23.03.2023 (archiviert)

EU: CO2-Emissionen aller Länder weltweit (archiviert)

My Climate: CO₂-Ausstoss der Schweiz (archiviert)

Global Carbon Atlas: Weltweites Ranking des CO2-Verbrauches pro Kopf und Staat (archiviert)

Our World in Data: CO2-Länderprofil Schweiz (archiviert)

Our World in Data: Produktions- versus konsumbasierte CO2-Emissionen pro Kopf, Schweiz (archiviert)

Our World in Data: Vergleich von Handelsbereinigte CO2-Emissionen, 07.10.2019 (archiviert)

Our World in Data: Konsumbasierter CO2-Ausstoss im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt, 2020 (archiviert)

BFS: Bevölkerung Schweiz 2021 (archiviert)

Bundesrat: Erklärvideo zum Klima und Innovationsgesetzt zur Abstimmung vom 18.06.2023 (archiviert)

Bundesrat: Abstimmungsbüechli zur Abstimmung vom 18.06.2023 (Download) (archiviert)

Bundesrat: Kosten einer klimaneutralen Schweiz – drei Szenarien, 17.02.2022 (archiviert)

Avenergy Suisse: Synfuels (archiviert)

Swissinfo: Kritik an der Energiestrategie des Bundes, 24.01.2023 (archiviert)

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