Wer heizt zu viel?

Gefälschtes Plakat verwirrt mit Denunziationsaufruf

13.09.2022, 15:37 (CEST), letztes Update: 13.09.2022, 15:55 (CEST)

Gasmangel droht auch in der Schweiz, die Behörden arbeiten an einer angemessenen Lösung. Welche Temperatur empfiehlt der Bund für die private Stube?

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine drosselte Russland mehrfach die Erdgaslieferungen nach Europa. Davon ist auch die Schweiz betroffen, auch hierzulande ist im kommenden Winter eine Gasmangellage möglich. Nun soll der Bund angeblich einen Aufruf gestartet haben, Nachbarn zu melden, welche die Wohnung auf über 19 Grad heizen würden. «200 Franken Belohnung» würde man für die Denunzierung erhalten, steht auf einem vermeintlichen Plakat des Bundes. Will so die Schweizer Behörden eine Gasmangellage vorbeugen?

Bewertung

Das Plakat ist gefälscht, eine derartige Forderung stammt nicht von den Schweizer Behörden, bestätigte der Bund. Die Behörden empfehlen eine Raumtemperatur von 20 Grad Celsius in den Privathaushalten.

Fakten

Die Schweizer Behörden distanzierten sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur von dem Plakat. «Der Bund hat mit diesem Aufruf, der seit Samstag in den Sozialen Medien kursiert, nichts zu tun», stellte Emanuela Tonasso vom Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) klar.

Die auf dem Plakat aufgeführte Telefonnummer ist zwar die des Bundesamtes UVEK, doch diese ist einfach im Internet zu finden. Tonasso spricht von einem Missbrauch der Telefonnummer sowie des Logos der Schweizer Eidgenossenschaft: «Weder gibt es solche Plakate des Bundes noch entsprechende Aufrufe, es handelt sich offensichtlich um eine Manipulation.» Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden.

Auch andere Hinweise deuten auf eine Fälschung hin. So ist das für das Plakat verwendete Foto mit der telefonierenden Frau über eine Foto-Rückwärtssuche in der Bilddatenbank Alamy zu finden. Das Foto der Werbetafel und ihrer Umgebung ist in einer anderen Bilddatenbank Freepik zu sehen. Das Plakatfeld ist hier jedoch leer. Es ist daher durchaus möglich, ein Bild darüberzulegen, damit es wie ein echtes Poster aussieht. Eine Recherche in der russischen Suchmaschine Yandex zeigt, dass das Hintergrundbild bereits in anderem Kontext erschienen ist. Dabei wurde die leere Werbefläche mit jeweils unterschiedlichen Bildern bestückt.

Seit längerem arbeiten die Schweizer Behörden intensiv an einer Lösung, um die drohende Energieknappheit abzuwenden. Aktuell ist die Versorgungssicherheit der Schweiz gewährleistet. Für den kommenden Winter sollen physische Reserven insbesondere in den Nachbarstaaten aufgebaut sowie die Möglichkeiten für den Erwerb von nicht-russischem Gas sichergestellt werden.

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse teilte Anfang September mit, dass Katar bereit sei, die Schweiz mit Flüssigerdgas zu beliefern. Solidaritätsabkommen mit Deutschland, Frankreich und Italien sollen bei Engpässen die nachbarschaftliche Unterstützung gewährleisten.

Ende August 2022 lancierte der Bund zudem eine Kampagne, welche über diverse Möglichkeiten zum Energiesparen informiert. Dabei hält der Bund die Empfehlung fest, die privaten Wohnräumlichkeiten auf maximal 20 Grad Celsius zu erwärmen. Im Badezimmer wird eine Temperatur von 23 Grad empfohlen, in den Schlafzimmern 17 Grad. Zudem wird geraten, in wenig genutzten Räumen die Heizung abzuschalten.

Ein Entwurf einer Verordnung zur Kontingentierung des Gasbezuges von Ende August 2022 sieht eine Beschränkung von mit Gas betriebene Heizungen von Innenräume eine maximale Temperatur von 19 Grad Celsius vor. Der Entwurf ist nicht verbindlich und die Konsultation dauert an. In einem Faktenblatt über die Massnahmen im Falle einer schweren Gasmangellage sieht der Bund erst an dritter Stelle eine verbindliche Beschränkung der Heiztemperaturen vor. Dabei werden erst öffentlich Gebäude und Büroräumlichkeiten betroffen sein, anschliessend die Privathaushalte. Dabei hält der Bund fest, dass die entsprechenden Verordnungsentwürfe erst im Falle einer schweren Mangellage in Kraft gesetzt werden und unter Berücksichtigung der aktuellen Lage angepasst werden.

(Stand: 13.9.2022)

Links

Alamy: Originalfoto (archiviert)

Freepik: Foto der leeren Werbetafel (archiviert)

Yandex: Recherche nach Foto mit der leeren Werbetafel (archiviert)

Verband der Schweizerischen Gasindustrie: Verflüssigtes Erdgas (archiviert)

Economiesuisse: Wirtschaftsbeziehungen Kater – Schweiz, 06.09.2022 (archiviert)

UVEK: Kontakt (archiviert)

UVEK: Faktenblatt über die Massnahmen zur Stärkung der Energie-Versorgungssicherheit, 07.09.2022 (archiviert)

UKEK: Kampagne zum Energiesparen (archiviert)

UVEK: Energiespar-Tipps Heizung (archiviert)

Bundesrat: Entwurf der Verordnung über die Kontingentierung des Gasbezugs, 31.08.2022 (archiviert)

Bundesrat: Entwurf der Verordnung über Verbote und Beschränkungen der Gasverwendung, 31.08.2022 (archiviert)

WBF: Faktenblatt - Massnahmen im Fall einer schweren Gasmangellage, 31.08.2022 (archiviert)

Bundesrat: Medienmitteilung – Massnahmen bei einer Gasmangellage in der Konsultation, 31.08.2022 (archiviert)

dpa-Faktencheck: Unpassender Vergleich: Deutschland kauft immer noch russisches Gas

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