Klimawandel

Bodensee war auch während Dürre im 16. Jahrhundert nicht ausgetrocknet

18.08.2022, 11:51 (CEST), letztes Update: 22.08.2022, 15:38 (CEST)

Dürreperioden sind auch in unseren Breitengraden nichts Neues. Das wird immer wieder genutzt, um den menschengemachten Klimawandel in Frage zu stellen. Diesmal der Beleg: Der Bodensee sei angeblich im 16. Jahrhundert ausgetrocknet gewesen.

Wer den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt, macht oft eine einfache Rechnung auf: Es gab auch schon früher extrem Wärme und Dürre, also können solche Phänomene heute nicht durch CO2 und andere Gase verursacht sein. Das suggeriert eine im Netz verbreitete vermeintliche Meldung von MeteoSchweiz. Im Jahr 1540 soll der Bodensee austrocknet gewesen sein. Gleichzeitig wirft das Sharepic die Frage auf, wo damals die CO2 ausstossenden Flugzeuge und Autos gewesen seien. «Klimakrisenlüge im 21. Jahrhundert» kommentiert ein User die angebliche Meteo-Meldung.

Bewertung

Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz teilte mit, dass es keine derartige Meldung veröffentlicht habe. Der Bodensee sei damals auch nicht vollständig ausgetrocknet gewesen. Solche historischen Klimaextreme widerlegen nicht die vom Menschen beeinflusste globale Erwärmung, die ungefähr in der Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzte.

Fakten

Woher der abfotografierte Text ursprünglich kommt, ist unklar. Der Titel «Laut Meldung Meteo Schweiz» legt aber nahe, dass das Statement vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie komme. Dem widerspricht eine Sprecherin des Bundesamtes auf Anfrage von Keystone-SDA: Die angebliche Meldung stamme nicht von MeteoSchweiz.

Trockenperioden wie die hier thematisierte sind im Gebiet der heutigen Schweiz in den letzten 500 Jahren immer wieder aufgetreten. Die Schweiz begann Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts mit der systematischen hydrometrischen Messung durch Messinstrumente, berichtete Michèle Oberhänsli vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf Anfrage von Keystone-SDA.

«Die ersten hydrometrischen Aufzeichnungen am Bodensee erfolgten am Obersee in Konstanz ab 1817», schreibt die Hydrologin vom BAFU. Mittels historischer Dokumente und Chroniken lassen sich die relevantesten vergangenen Wetterextremen rekonstruieren.

Dürresommer 1540

Im Jahr 1540 war ganz Europa von einer extremen Trockenheit betroffen. Für eine Studie der Universität Bern untersuchten die Forscher mehr als 300 historische Dokumente aus mehreren europäischen Staaten. Im Gebiet der heutigen Schweiz regnete es demnach damals zwischen Februar und September 1540 kaum.

Chroniken rapportieren über extrem niedrige Pegelstände der grossen Gewässer. Auch der Bodensee, der drittgrösste Binnensee Mitteleuropas, war davon betroffen. Im August 1540 sank der Wasserpegel so tief, dass der hügelige Seeboden fast an der Oberfläche auftauchte. Die Insel Lindau konnte damals umwandert werden. Der rund 250 Meter tiefe See trocknete aber nicht vollständig aus. Das Schweizerische Nationalmuseum hat dazu einen ausführlichen Blogeintrag veröffentlicht.

Dies bestätigte auch Barbara Galliker von MeteoSchweiz. Auf Anfrage von Keystone-SDA schreibt sie, dass eine vollständige Austrocknung des Bodensees innerhalb eines extremen Hitzesommers physikalisch nicht möglich sei. Selbst mehrere aufeinanderfolgende extreme Trockenjahre würden dafür nicht ausreichen.

Eine jahrelange vollständige Umstellung unseres Klimasystems wäre notwendig, um die komplette Austrocknung des Bodensees zu erwirken, schreibt Stephan Bader von MeteoSchweiz. Dafür müssten etwa die Gletscher allesamt abgeschmolzen sein, da sie den See im Sommer mit Wasser versorgen.

Stefan Brönnimann von der Universität Bern vermutet, dass länger andauernde blockierende Hochdrucklagen, auch Omega-Block genannt, über Mitteleuropa den Hitzesommer 1540 ausgelöst haben könnte. Diese Ereignisse können zufällig entstehen und waren extrem selten. «Heute ist die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse höher, und sie wird weiter zunehmen», führt der Klimatologe aus. 

Fussabdruck der menschlichen Klimabeeinflussung durch Treibhausgase

Derartige Wetterextremen wie der Dürresommer 1540 wurden in der Vergangenheit mehrfach verzeichnet. Doch solcher Phänomene aus einer Zeit, als es noch keine CO2-ausstossenden Verkehrsmittel gab, widerlegen nicht den Einfluss des Menschen auf die Klimaerwärmung. Barbara Galliker von Meteoschweiz zufolge zeigten physikalische Berechnungen, dass «ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts beim globalen Temperaturanstieg die menschliche Klimabeeinflussung durch Treibhausgase […] klar sichtbar ist.»

Auf seiner Seite schreibt das Bundesamt: «Der vermehrte Ausstoss von Treibhausgasen ist hauptverantwortlich für die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur der letzten 50 bis 60 Jahre. Natürliche Faktoren können die – erdgeschichtlich gesehen – aussergewöhnlich rasche Erwärmung im 20. Jahrhundert nicht erklären.»

Seit Messbeginn 1864 sind die Temperaturen in der Schweiz um 2 Grad Celsius gestiegen. Die Daten zeigen eindeutig, dass sie Temperaturen insbesondere in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen sind. Extremwetter wie Hitzetage nehmen zu, Frosttage nehmen ab, die Sommermonate werden trockener, im den Wintermonaten fällt weniger Schnee.

Im Netz wird immer wieder der Einfluss des Menschen auf die globale Klimaerwärmung verharmlost. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat schon einige solche Falschbehauptungen widerlegt.

Stand: 18.8.2022 

Links:

Facebook-Post (archiviert)

HLS: Dürreperioden (archiviert)

Climatic Change: Studie der Universität Bern über die Dürre von 1540, 28.06.2014 (archiviert)

IGKB: Der Bodensee (archiviert)

Schweizerisches Nationalmuseum: Blog über den Hitzesommer 1540, 01.09.2020 (archiviert)

SCNAT: Typische Wetterlagen für Wetterextremen in der Schweiz (archiviert)

Met Office: Omega-Block (archiviert)

MeteoSchweiz: Klimafakten (archiviert)

Meteoschweiz: KLimawandel (archiviert)

Klimawandel und Jahreszeiten, 2020 (archiviert)

dpa-Faktenchecks zum Klimawandel:

- Schäden durch Erderwärmung überwiegen Düngeeffekte bei CO2Zunahme

- Meeresspiegel steigt Bilder der Freiheitsstatue sind kein Gegenbeweis

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