Planspiel mit Affenpocken

Fiktive Übungsszenarien dienen der Krisenvorbereitung

09.08.2022, 14:47 (CEST)

Bei jedem grösseren Ausbruch einer Krankheit behaupten Einzelne, alles sei geplant - so auch bei den Affenpocken. Doch die angeblichen Beweise halten einer Prüfung nicht stand.

Die Frage, wie Pandemien entstehen, ist nicht leicht zu beantworten. Dennoch behaupten einige Social-Media-Nutzer, sie hätten eine einfache Antwort darauf: Pandemien werden angeblich geplant. In einem bei Facebook (archiviert) verbreiteten Artikel ist im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den Affenpocken-Ausbruch die Rede von «Absprachen und Planungen einer verschwörerischen globalen Elite». Dazu ein Hinweis auf «eine Übung für eine Affenpocken-Pandemie» im März 2021. Was geschah damals?

Bewertung

Im März 2021 führte die Münchner Sicherheitskonferenz zusammen mit der Nuclear Threat Initiative eine fiktive Übung zur Reduzierung biologischer Bedrohungen durch. Für solche Szenarien werden meist Erreger ausgewählt, die eine reale Gefahr für mögliche Ausbrüche darstellen - nicht nur Affenpocken. Daher ist es nicht überraschend, dass irgendwann nach einem theoretischen Planspiel tatsächlich Ausbrüche gibt.

Fakten

Die Organisationen Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und Nuclear Threat Initiative (NTI) führten im März 2021 eine Tableto-Übung durch. Anhand einer fiktiven Geschichte diskutierten Experten und Führungskräfte, wie man auf derartige biologische Risiken reagieren kann.

Die Übung im Jahr 2021 baute auf Übungen aus den Jahren 2019 und 2020 auf, um – speziell angesichts der Corona-Pandemie – Lücken in der nationalen und internationalen Biosicherheit und Pandemievorsorge zu untersuchen und Verbesserungsmassnahmen zu identifizieren.

Für die Übung wurde bewusst ein plausibler Erreger gewählt, der aber anderen Merkmalen als Sars-CoV-2 aufweist. So breitete sich im fiktiven Übungsszenario nach einem Anschlag auf ein ungenügend gesichertes Labor ein gegen Impfstoffe resistentes Affenpockenvirus aus. Das für die Übung erfundene modifizierte Virus verbreitete sich anschliessend weltweit und forderte innert 18 Monaten 270 Millionen Todesopfer.

Das Übungsszenario unterscheidet sich wesentlich vom aktuellen Affenpockenausbruch. Seit dem 13. Mai 2022 werden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vermehrt Fälle von Affenpocken der westafrikanischen Gruppe ausserhalb des Endemiegebietes West- und Zentralafrika gemeldet. Die Mehrheit der Fälle registrierte man in Europa und Zentralasien.

Bis Anfang August wurden weltweit über 28 000 Fälle registriert. In der Schweiz wurden bis anhin 316 bestätigte Fälle gezählt. Am 23. Juli 2022 erklärte der WHO-Generaldirektor der Affenpockenausbruch zu einem gesundheitspolitischen Notfall von internationaler Bedeutung. Die Schweizer Behörden gehen Anfang August 2022 von einer «mässigen Gefahr für die Bevölkerung» aus.

In der Schweiz gibt es zwar aktuell keinen spezifischen Affenpocken-Impfstoff, jedoch schützt der Pockenimpfstoff der ersten und zweiten Generation wirksam. Seit den 1970-er Jahren wurde dieser zwar nicht mehr eingesetzt, erwies sich vorher aber als nützlich für die Ausrottung der Pocken. Zudem gibt es einen Pockenimpfstoff der dritten Generation, welcher aber zurzeit nicht in der Schweiz zugelassen ist. Dies befindet sich in behördlichen Abklärungen.

Entgegen dem Übungsszenario von 2021 entstammt das Virus, welchen für den Affenpockenausbruch im Jahr 2022 verantwortlich ist, nicht aus dem Labor. Wirksame Impfungen gegen die Affenpocken existieren zudem seit längerem. Das NTI bezeichnet den Affenpockenausbruch in mehreren Ländern als Zufall. Die Bedrohung durch dieses Virus war seit längerem bekannt: Forscher warnten seit längerem davon, dass seit Jahren in Subsahara-Afrika Fälle von Affenpocken zunehmen.

Auch das pandemische Potenzial von Coronaviren war schon vor der aktuellen Pandemie bekannt, Forschungsprojekte dazu liefen schon lange vor dem Ausbruch von Sars-CoV-2. So wurden auch mit Coronaviren Übungsszenarien durchgespielt. Auch andere Krankheitserreger mit pandemischen Potential wurden bereits für derartige Übungen verwendet.

(Stand: 9.8.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Artikel mit Falschbehauptung, 25.05.2022 (archiviert)

NTI: Medienmitteilung über die jährliche fiktive Übung mit MSC zur Reduzierung von biologischen Risiken, 18.03.2021 (archiviert)

NTI: Bericht über die Übungseinheit im März 2021 (archiviert)

NTI: Stellungnahme und FAQ zur fiktiven Übung von 2021, 24.05.2022 (archiviert)

NTI: Bericht 2019 (archiviert)

NTI: Bericht 2020 (archiviert)

WHO: Situationsupdate zum Affenpockenausbruch, 10.06.2022 (archiviert)

WHO: Erklärung zu den Affenpocken des Regionalbüros Europa, 26.07.2022 (archiviert)

WHO: WHO-Generaldirektor erklärt den Affenpockenausbruch zu einem gesundheitspolitischen Notfall von internationaler Bedeutung, 23.07.2022 (archiviert)

CDC: Statistik zu den Fällen von Affenpocken weltweit, 05.08.2022 (archiviert)

BAG: Affenpocken, Stand 05.08.2022 (archiviert)

BAG: Pockenimpfstoffe wirken auch bei Affenpocken (archiviert)

Nature: Affenpocken in Afrika, 23.06.2022 (archiviert)

Journals: Die sich ändernde Epidemiologie der menschlichen Affenpocken. 11.02.2022 (archiviert)

Center for Health Security: Event-201 - Übungsszenario mit Coronaviren (archiviert)

Center for Health Security: Projekt (archiviert)

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