Gesundheitspolitik

Pandemie-Vereinbarung der WHO noch in Arbeit

14.07.2022, 17:46 (CEST)

Die WHO will künftig besser auf Pandemien reagieren. Wie das funktionieren soll, wird noch diskutiert. Das Vorhaben ist aber weder gescheitert, noch soll die Souveränität der Staaten ausgehebelt werden.

Rund um die Jahreskonferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kursieren viele Falschinformationen über einen WHO-Plan zur Pandemieprävention. Dabei werden vor allem die Befugnisse der WHO falsch dargestellt. «Es kann nicht sein, dass die WHO die Gesetze aller Länder aushebelt», steht im einem auf Facebook kursierendem Sharepic (archiviert). Das Afrika-Büro habe die Pläne aber zunichtegemacht.

Bewertung

Die Mitglieder der WHO planen, in denen nächsten Jahren eine Vereinbarung zur Pandemiebewältigung zu treffen. Ein möglicher Vertrag existiert bislang nicht einmal als Entwurf. Die WHO kann die Souveränität der Mitgliedsländer nicht abschaffen.

Fakten

Die Weltgesundheitsorganisation hat vom 22. bis 28. Mai 2022 in Genf ihre jährliche Weltgesundheitsversammlung abgehalten. Der angebliche Plan, Gesetze aller Länder auszuhebeln, war dort aber nicht Thema.

Die Mitgliedsländer planen eine WHO-Vereinbarung zur Pandemiebewältigung. Doch sie existiert bisher nicht einmal als Entwurf. Vielmehr hat sie noch einen weiten Weg vor sich: Die 194 WHO-Mitglieder haben am 1. Dezember 2021 beschlossen, eine Übereinkunft zu treffen, um Pandemien künftig besser bewältigen zu können.

Zur Debatte stehen etwa: bessere Werkzeuge, um Pandemien früh zu erkennen, neue Entscheidungsgremien und mehr Geld. Erst im Mai 2024 plant die WHO, die neue Vereinbarung oder einen Vertrag zu beschließen. Erste Diskussionsrunden haben aber bereits stattgefunden, mit Public Hearings will die WHO die Öffentlichkeit einbeziehen.

Es steht aber noch nicht einmal fest, ob der Vertrag auch ein Vertrag wird - also für alle Unterzeichnerstaaten verbindlich sein würde. Möglich wäre auch nur eine Resolution mit Empfehlungen. Die Europäische Union und rund 40 weitere Länder stehen hinter einer Vereinbarung als Vertrag. Die USA und China waren bislang skeptisch.

Souveränität der Mitgliedstaaten gewährleistet

Das globale Pandemie-Instrument solle zu 100 Prozent von den Mitgliedstaaten und deren Vereinbarungen bestimmt werden, hat der Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesu gesagt. Er betonte mehrfach, dass dabei die Souveränität der Mitgliedstaaten gewährleistet bleiben soll.

Grundsätzlich enthalten bindende WHO-Vereinbarungen stets Hinweise darauf, dass die Unterzeichnerstaaten das Abkommen im Rahmen ihrer nationalen verfassungsmäßigen Ordnung anwenden müssen. So ist es in Artikel 19 der WHO-Verfassung festgeschrieben. Das stellt im Grundsatz sicher, dass ein internationaler Vertrag Demokratie und Parlamente eines WHO-Mitglieds nicht aushebeln kann. Zweifelt das jemand in einem konkreten Fall an, könnten Verfassungsgerichte entscheiden.

Und wogegen stimmte nun das Afrika-Büro?

In Genf hat die WHO über Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (International Health Regulations - IHR) diskutiert. Die IHR von 2005 geben der WHO das Recht und die Pflicht, eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» zu erklären. Diese kann mit Empfehlungen - jedoch nicht verpflichtenden Weisungen - für restriktive Massnahmen verbunden sein. Von diesem Recht hat die WHO bei der Covid-19-Pandemie Gebrauch gemacht. Am Ende entscheiden aber die Mitgliedsstaaten über Massnahmen zur Pandemiebekämpfung, wie internationale Instrumente dies vorsehen.

Die an der Weltgesundheitsversammlung 2022 diskutierten IHR-Änderungsvorschläge stammten von den USA, wobei es dabei unter anderem um schärfere Vorschriften zur schnelleren Meldung von Gesundheitsnotfälle ging. Dagegen hat sich Botswana im Namen der Afrikanischen Region am Morgen des 24. Mai 2022 ausgesprochen. Internationale Medien haben davon berichtet.

Angenommen wurden die Änderungsvorschläge für die IHR nicht. Stattdessen einigten sich die Delegierten darauf, dass künftig Änderungen an der IHR nicht innerhalb von 24 Monaten, sondern innerhalb von 12 Monaten in Kraft treten. Ausserdem einigten sie sich darauf, in einer Arbeitsgruppe weitere Vorschläge für mögliche Änderungen der IHR auszuarbeiten.

(Stand: 14.7.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Infoseite zur diesjährigen Weltgesundheitsversammlung

Vorläufige Tagesordnung (archiviert)

Beschluss der WHO zum Plan der Pandemievereinbarung vom Dezember 2021 (archiviert)

dpa-Faktencheck «Tragweite des geplanten Pandemie-Vertrages wird überschätzt - WHO kann Demokratien nicht entmachten»

Zu den Diskussionsrunden (archiviert)

WHO-Verfassung mit Artikel 19 (archiviert)

WHO: Public Hearings (archiviert)

WHO: Eröffnungsrede beim Public Hearing zu einem neuen internationalen Instrument zur verbesserten Pandemieprävention, 12.04.2022 (archiviert)

WHO: Eröffnungsrede beim Covid-19-Medienbriefing, 17.05.2022 (archiviert)

WHO: Eröffnungsrede beim Kongressprogramm des Aspen Institute, 01.06.2022 (archiviert)

WHO: FAQ zum globalen Instrument für eine verbesserte Pandemieprävention, 20.05.2022 (archiviert)

WHO: Internationale Gesundheitsvorschriften (IHR), Stand 2005 (Download) (archiviert)

WHO: IHR-Änderungsvorschläge der USA, 18.01.2022 (archiviert)

WHO: Update über Entscheide der 75. Weltgesundheitsversammlung, 24.05.2022 (archiviert)

WHO: Update über Entscheide der 75. Weltgesundheitsversammlung, 27.05.2022 (archiviert)

WHO: Provisorische Tagesordnung für die 75. Weltgesundheisversammlung (archiviert)

WHO: Videoaufzeichnungen der Weltgesundheitsversammlung Mai 2022 (archiviert)

WHO: Statement vom Mitglied Botswana zur Weltgesundheitsversammlung 2022, 25.05.2022 (archiviert)

Reuters: Berichterstattung über Afrikas Einspruch gegen die IHR-Änderungsvorschlägen aus den USA, 24.05.2022 (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

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