Bei milden und kurzen Covid-Verläufe produziert das Immunsystem weniger Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein
19.1.2022, 15:18 (CET)
Die Herstellerfirmen von Covid-Vakzinen betonten seit Beginn der Impfkampagnen, dass eine Durchbruchsinfektion auch bei vollständig Geimpften möglich sei. Nun kursiert in den sozialen Medien (archiviert) ein Bericht, wonach Geimpfte angeblich nie wieder eine volle Immunität erreichen würden und dauerhaft weniger Antikörper hätten. Dabei wird auf einen Bericht der britischen Gesundheitsbehörden verwiesen. Diese Inhalte griffen bereits andere Onlinemedien im Oktober 2021 auf.
Bewertung
Geimpfte bilden bei einer Corona-Infektion tatsächlich durchschnittlich weniger Antikörper gegen ein spezifisches Protein. Das ist jedoch kein Zeichen für eine verminderte Immunität. Gemäss dem Bericht der britischen Behörden sei dies auf den Impfschutz zurückzuführen, da bei Geimpften bereits einige Antikörper vorhanden seien und die Corona-Infektion mehrheitlich milder und kürzer verlaufe.
Fakten
Die Beiträge mit den Falschbehauptungen basieren auf dem Situationsbericht der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) zur Covid-Lage in der Kalenderwoche 42, also vom 18. bis 24. Oktober 2021. Darin wird unter anderem über die Häufigkeit von spezifischen Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut berichtet. Diese Werte dienen als Nachweis für eine bestehende oder bereits durchgemachte Infektion.
Die britische Gesundheitsbehörde unterscheidet in ihren Berichten zwei Antikörper-Arten: Die S-Antikörper werden durch einen Spike-Test nachgewiesen, N-Antikörper durch einen Nukleoprotein-Test.
Der Spike-Test dient dem Nachweis von Antikörper gegen Spike-Proteine im Blut. Über dieses Protein kann das Sars-CoV-2-Virus sich an die menschliche Körperzelle andocken und diese infizieren. Die in der Schweiz zugelassenen mRNA-Impfstoffe und Vektorimpfstoffe liefern den Bauplan für Spike-Proteine und regen damit die natürliche Produktion von Antikörper an. Der Spike-Test kann also Antikörper gegen das Spike-Protein nachweisen, die entweder durch den Impfstoff induziert wurde oder wenn eine Person eine natürliche Infektion durchlitt.
Der Nukleoprotein-Test dient der Untersuchung von Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein der Coronaviren. Diese Antikörper werden nicht nach einer Impfung gebildet. N-Antikörper sind also nur in Personen, die eine Sars-CoV-2-Infektion erlitten, vorzufinden.
Folglich sind S-Antikörper verbreiteter, dies auch in Anbetracht, dass in Grossbritannien mehr als 80 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft ist. Bei einer Durchbruchsinfektion ist das Immunsystem von Geimpften bereits auf das Spike-Protein vorbereitet. Die britische Gesundheitsbehörde hielt auch in ihrem Bericht in der Kalenderwoche 51 die Beobachtung fest, dass bei Patienten mit einer Durchbruchsinfektion den S-Antikörperspiegel signifikant erhöht sei.
Hingegen sei der N-Antikörperspiegel bei Geimpften, welche sich trotzdem mit dem Coronavirus infizieren, niedriger als bei Ungeimpften. Dies ist Lagebericht der britischen Behörden im Oktober zu entnehmen und wird im Bericht der Ende Dezember wiederholt. Die Behörden erklären den niedrigen N-Antikörperspiegel bei Personen mit einer Durchbruchsinfektion, dass diese Patientengruppe eher einen milden und kürzeren Krankheitsverlauf erleidet als eine ungeimpfte Person.
Aufgrund des Impfstoffes, welches lediglich auf das Spike-Protein abzielt, ist das Immunsystem der Geimpften nicht gegen das Nukleokapsid-Protein vorbereitet. Geimpfte sowie Ungeimpfte regieren darauf und bilden N-Antikörper. Diese werden bei schweren Krankheitsverläufen aber vermehrt gebildet als bei milden. Folglich produziert das Immunsystem von ungeimpften Patientinnen und Patienten mehr Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein.
Fazit: Mehrere Onlinebeiträge schlussfolgern aus diesen Erkenntnissen fälschlicherweise, dass Geimpfte anfälliger für Mutationen des Spike-Proteins seien bei einer Durchbruchsinfektion. Dies begründen sie damit, dass geimpfte Menschen weniger Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein bilden. Doch gemäss der britischen Gesundheitsbehörde bilden Geimpfte lediglich weniger N-Antikörper, weil sie bei einer Durchbruchsinfektion mildere und kürzere Krankheitsverläufe erleiden.
(Stand: 19.1.2022)
Links
The European: Artikel über britischen Bericht, 28.12.2021 (archiviert)
Corona-Transition: Artikel über britischen Bericht, 27.10.2021 (archiviert)
Britische Behörde: Situationsbericht Kalenderwoche 42 (archiviert)
Britische Behörde: Situationsbericht Kalenderwoche 51 (archiviert)
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