Covid-Impfungen: Studien liegen vor, Haftung ist geregelt
27.10.2021, 19:36 (CEST)
Um die Bevölkerung über die Covid-19-Impfung zu informieren und zu motivieren, unternahmen die Schweizer Behörden einige Aufklärungsanstrengungen. Kann es da sein, dass den Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang keine klinischen Studien geboten wurden, welche die Sicherheit und Wirksamkeit belegen? Auch gäbe es keine Haftung bei möglichen Impfschäden, lauten die Behauptungen in einem auf Facebook kursierendem Sharepic (archiviert).
Bewertung
Die Behauptungen sind falsch. Bevor Impfstoffe in der Schweiz zugelassen werden, durchlaufen diese mehrere klinische Studienphasen. Die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe werden zudem laufend überwacht. Die Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 wurden nach den üblichen Vorschriften und Verfahren geprüft und zugelassen. Die Haftung bei möglichen Impfschäden ist ebenfalls geregelt. Bei der Covid-19-Impfung kommen die üblichen bestehenden Haftungsregeln zum Einsatz. Über Zulassungsverfahren und Haftungsregeln hat der Bund sehr wohl informiert.
Fakten
Bevor Impfstoffe in der Schweiz eine Zulassung erhalten, müssen sie mehrere Studienphasen durchlaufen. In der präklinischen Phase wird das Arzneimittel an Tieren getestet. Anschliessend folgen die klinischen, an Menschen durchgeführten Testphasen.
In der ersten Phase nehmen mehrere Dutzend Freiwillige teil, in der zweiten mehrere hundert oder tausend und in der dritten mehrere zehn- oder hunderttausend Probandinnen und Probanden. Anfänglich wird besonders auf die Bildung von Antikörpern geachtet, in der zweiten Phase werden die Probanden mehrere Monate lang beobachtet, um die Immunantwort detaillierter zu untersuchen und häufige Nebenwirkungen zu identifizieren. Die dritte Phase dient der Evaluation, ob der Impfstoff vor der Krankheit schützt. Erst nach erfolgreichem Abschluss all dieser Phasen kann die Herstellerfirma des Impfstoffkandidaten eine Zulassung beim Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic beantragen.
Swissmedic prüft die Ergebnisse sämtlicher Studien. Nur wirksame und sichere Arzneimittel erhalten die Zulassung und können hierzulande vertrieben werden. Ist das Arzneimittel auf dem Markt, wird es vom Hersteller weiter untersucht. In der vierten Phase werden sehr seltene, aber schwerwiegende unerwünschte Ereignisse erforscht. Hier nehmen auch Probanden teil, die in den vorhergehenden Studienphasen ausgeschlossen waren – beispielsweise Schwangere. Begleitend werden laufend Nutzen-Risiken-Analysen vorgenommen. Swissmedic stuft das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei den Covid-19-Imfpstoffen als positiv ein (Berichtszeitraum 1.1.2021–12.10.2021).
Trotz Dringlichkeit aufgrund der anhaltenden Pandemie wurden die Impfstoffkandidaten gegen Sars-CoV-2 durch Swissmedic eingehend geprüft und in einem ordentlichen Verfahren zugelassen. Dementsprechend waren bei der Markteinführung jedes Covid-19-Imfpstoffs die klinischen Daten der ersten drei Studienphasen vorhanden.
Bei diesen Impfstoffen gelten dieselben Haftungsregeln wie für anderen Arzneimittel auch. Als Impfschaden gilt, «wenn eine Person eine über das übliche Ausmass einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung erleidet». Liegt ein solcher Fall vor, kommen bei behördlich empfohlenen Arzneimittel drei Instanzen für die Haftung in Frage.
Einerseits kann der Impfstoffhersteller gemäss Produktehaftpflichtgesetz zur Verantwortung gezogen werden, etwa wenn ein Produktionsfehler vorliegt. Die impfende Person haftet, wenn die Sorgfaltspflicht nicht eingehalten wurde und beispielsweise das Arzneimittel fehlerhaft verabreicht wurde. Der Bund gewährt bei Impfschäden nur dann eine Entschädigung, wenn der Schaden nicht anderweitig durch den Hersteller, die verabreichende Person oder durch die Sozial- oder Privatversicherung gedeckt wird. Das seit 2016 in Kraft stehende Epidemiengesetz regelt, wann finanzielle Ansprüche bei Impfschäden geltend gemacht werden können. Die Fälle werden jeweils einzeln geprüft.
Im Vergleich zu anderen Ländern wurden in der Schweiz auch nur selten kleine Gefälligkeiten nach der Impfung angeboten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verteilte im Rahmen der Impfkampagne im Juli Kuchen auf dem Bundesplatz. Kantone belohnten Impfwillige teilweise in unterschiedlichen Aktionen nach einer Impfung. Anfang Oktober gab der Bundesrat Ideen zur Intensivierung der Impfkampagne in Konsultation. Unter anderem wurde dabei auch die Vergabe von 50-Franken-Gutscheinen an Personen, die Mitbürgerinnen und Mitbürger von der Impfung überzeugen konnten, diskutiert. Diese Idee wurde dann aber nach der Konkretisierung verworfen. Einer Studie – basierend auf Daten aus Schweden – zufolge steigt die Impfbereitschaft, wenn eine finanzielle Belohnung geboten wird.
Links
Entwicklungsphasen eines neuen Medikaments laut Interpharma:
- Präklinische Phase (archiviert)
- Klinische Phase (archiviert)
- Zulassung und Markteinführung (archiviert)
Swissmedic: Erklärvideo Zulassung Impfstoffe (archiviert)
Swissmedic: Nutzen-Risiko-Analyse, 15.10.2021 (archiviert)
Infovac: Entwicklung von Impfstoffen (archiviert)
Infovac: Haftungsregel bei Covid-19-Imfpstoffen, 18.01.2021 (archiviert)
BAG: Medienmitteilung Zulassung Covid-19-Impfstoff von Pfizer / Biontech durch Swissmedic, 19.12.2021 (archiviert)
BAG: Rechtliche Grundlage und Haftung bei Covid-19-Impfstoffen (archiviert)
BAG Bulletin: Haftung bei Impfschäden (archiviert)
BAG: Entschädigung und Genugtuung bei Impfschäden (archiviert)
Fedlex: Epidemiengesetz EpG (archiviert)
BAG: Tweet zur Kuchen-Verteilaktion im Rahmen der Impfkampagne (archiviert)
NZZ: Gefälligkeiten im Zusammenhang mit der Covid-19-Imfpung im internationalen Vergleich, 09.06.2021 (archiviert)
AZ: Freifahrt im Lunapark nach Impfung, 02.10.2021 (archiviert)
Bundesrat: Impfoffensive, 01.10.2021 (archiviert)
Bundesrat: Konkretisierung der Impfoffensive, 13.10.2021 (archiviert)
Science: Finanzielle Belohnung erhöht Impfbereitschaft, 07.10.2021 (archiviert)
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