Jüngere Menschen länger ohne Impfschutz – ältere generell mehr von schweren Verläufen betroffen

6.8.2021, 11:48 (CEST)

Nützen die Covid-19-Impfstoffe auch gegen die Mutationen? In einem Facebook-Post (archiviert) heisst es: «Geimpfte Menschen haben ein 600% höheres Risiko, an einer Covid-Variante zu sterben als ungeimpfte Menschen.» Begründet wird dies mit Daten der britischen Gesundheitsbehörden. Diesen zufolge sei die Wahrscheinlichkeit, an der Delta-Variante zu sterben, angeblich sechs Mal höher.  

BEWERTUNG

Die Berechnung, die der Behauptung zugrunde liegt, ist irreführend. Unbeachtet bleibt, dass sich deutlich mehr jüngere Menschen mit geringerem Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf mit der Delta-Variante anstecken. Ebenso wenig wird berücksichtigt, dass junge Menschen länger ohne Impfschutz auskommen mussten. In Britannien erhielten zuerst Risikogruppen und somit ältere Generationen Zugang zur Covid-Impfung. Der Bericht der britischen Behörde betont die Wirksamkeit der Impfstoffe.

FAKTEN

Der im Facebook-Post verlinkte Artikel bezieht sich auf einen Report von «Public Health England» (PHE) vom 25. Juni 2021. Darin geht es um die unter Beobachtung stehenden Covid-Varianten und besorgniserregende Mutationen.

Der Report verzeichnet insgesamt 117 Todesfälle aufgrund der Delta-Variante im Zeitraum vom 1. Februar bis 21. Juni 2021 innerhalb von 28 Tage nach positivem Covid-Befund. Davon sind 50 vollständig geimpfte Menschen gestorben und 44 ungeimpfte. Diese Zahlen werden jeweils dem Falltotal der vollständig Geimpften, beziehungsweise den Ungeimpften gegenüberstellt:

- Von den 7235 Fällen der Geimpften sind 0.691 Prozent verstorben.

- Bei den Ungeimpften sind 53 822 Fälle verzeichnet, von ihnen sind 0.082 Prozent verschieden.

Der Unterschied der Prozentzahlen beträgt 0.6. Dies führt zur Behauptung, das Risiko für Menschen mit vollständigem Impfschutz, an der Delta-Variante zu sterben, sei sechs Mal höher als für solche ohne Impfschutz.

Dass deutlich weniger vollständig Geimpfte sich mit der Delta-Variante infizierten als Nicht-Geimpfte, wird dabei aber ausser Acht gelassen. Insgesamt listet der Report 7235 vollständig Geimpfte mit einer Infektion auf. Demgegenüber stehen 53 822 ungeimpfte Infizierte. Auffallend ist, dass sich insbesondere unter 50 Jahre alte Ungeimpfte mit der Delta-Variante infiziert haben: 52 846 Personen. Dagegen sind gerade mal 976 Ungeimpfte im Alter von über 50 registriert. Hingegen ist die Infektionszahl bei den vollständig Geimpften ähnlich: 3689 Personen unter 50 Jahre und 3546 über 50-Jährige.

Ebenso wenig wird berücksichtigt, dass eine hohe Durchimpfungsrate in der älteren Bevölkerung besteht, die Jüngeren aber erst später Zugang zum Covid-Impfstoff erhielten und somit nach wie vor einer Infektion exponierter sind. Dies ist auf die britische Impfstrategie zurückzuführen. Insbesondere die ältere Bevölkerung gilt als Risikogruppe und damit als anfälliger für schwere bis tödliche Verläufe. Folglich erhielten zuerst die älteren Generationen sowie Personen, die beruflich exponiert sind, Zugang zu Covid-Impfstoffen.

Darauf folgten die unter 50-Jährigen. Kontinuierlich wurde immer jüngeren Menschen die Impfung angeboten. In Britannien können sich alle ab 18 Jahre impfen. Auch Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren mit erhöhtem Risiko für einen schweren Covid-Verlauf erhalten Zugang zu Impfstoffen.

Die Daten des Reports zeigen deutlich, dass sich momentan insbesondere Jüngere infizieren. Sie erhielten aber deutlich später den Zugang zum Impfschutz. Ende Juli 2021 sind in Grossbritannien total über 70 Prozent der über 18-Jährigen vollständig geimpft.

Die Covid-Impfung verhindere Hospitalisationen effektiv, betont der PHE-Bericht und verweist auf eine Studie. Diese bestätigt die Wirksamkeit der Impfstoffe der Hersteller Pfizer/Biontech und Astrazeneca auch bei einer Infektion der Delta-Variante - selbst wenn sie geringer ist als bei der Alpha-Variante.

Britische Wissenschaftler zeigten bereits im März anhand eine Modellrechnung, dass auch Geimpfte erkranken und sterben können, wenn die Inzidenz trotz hoher Durchimpfungsrate hoch ist. Das heisst nicht, dass die Impfstoffe unwirksam sind. Es ist lediglich ein Hinweis darauf, dass Impfungen keinen 100-prozentigen Schutz bieten, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits in einem Faktencheck darlegte.

(Stand: 6.8.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Telegram (archiviert)

Connectiv: Artikel mit der Falschbehauptung, 30.06.2021 (archiviert)

PHE:

- Report der SarsCoV-2 Varianten, 25.06.2021 (archiviert)

- Prioritäten des Impfprogramms (archiviert)

- Phase 2 des Impfprogramms (archiviert)

- Empfehlung zur Impfung bei Kinder und Jugendlichen (archiviert)

Covid-Impf-Statistik Grossbritannien (archiviert)

Studie zur Wirksamkeit der Covid-Impfstoffe gegen Mutationen (archiviert) DOI

Faktencheck-dpa zur britischen Modellrechnung

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-schweiz@dpa.com