Die Zahl der Geimpften ist zwar angestiegen, Fehlgeburten kommen aber immer vor

29.06.2021, 16:19 (CEST)

Verlieren Ungeborene ihr Leben aufgrund der Covid-Vakzine? In einem Facebook-Post (hier archiviert) wird behauptet, in Grossbritannien sei die Zahl der Fehlgeburten um 366 Prozent gestiegen. Im Zeitraum von Januar bis März hätten sich Fehlgeburten innert sechs Wochen rasant gehäuft. Dies wird den Covid-19-Impfstoffen von Pfizer/Biontech und von Astrazeneca zugeschrieben.

Bewertung

Die Interpretation der Zahlen aus der britischen Datenbank ist falsch. Diese enthält Meldungen von kurz nach der Impfung eingetretenen Ereignissen und Nebenwirkungen. Ein Kausalzusammenhang mit der Covid-Impfung ist nicht bewiesen, Fehlgeburten gibt es auch zu Nicht-Pandemiezeiten. Zudem wurden zuerst ältere Menschen geimpft, jüngere und somit Frauen im gebärfähigen Alter erhielten erst später Zugang zur Covid-19-Impfung.

Fakten

Der Facebook-Post basiert auf einem Artikel von Daily Expose vom 21. März 2021. Die Daten beziehen sich auf die Datenbank Yellow Card, die von der britischen Behörde Medicines & Healthcare Poructs Regulatory Agency (MHRA) unterhalten wird. Die Datenbank dient der Erfassung und Beobachtung von Nebenwirkungen, die nach der Einnahme von medizinischen Produkten auftreten.

Mitarbeiter der Gesundheitsbranche sowie die Öffentlichkeit sind dazu aufgefordert, Vorfälle und Sicherheitsbedenken zu melden. Dadurch sollen unbekannte Probleme frühzeitig erkannt werden. Anschliessend untersuchen Experten diese Vorfälle detailliert und nehmen eine neue Risiko-Nutzen-Analyse vor. Die Behörde betont, dass die Meldungen freiwillig erfolgen.

Die Daten sind folglich mit Vorsicht zu interpretieren. Die eingetragenen Meldungen weisen keinen kausalen Zusammenhang mit dem medizinischen Produkt nach. Dieser kann lediglich durch weitere wissenschaftliche Studien belegt werden.

Die Behauptung, die Zahl der Fehlgeburten sei um 366 Prozent gestiegen, basiert auf Rohdaten. Dafür wurden die Covid-Vakzine von Pfizer/Biontech und Astrazeneca kumuliert untersucht:

Die Berechnung ist unzulässig: Gemäss der Impfstrategie in Grossbritannien wurden zuerst ältere Personen geimpft, anschliessend jüngere. Erst im Verlauf der Impfkampagne wurden auch mehr jüngere Menschen und somit mehr Frauen im gebärfähigen Alter geimpft. Der Artikel berücksichtigt jedoch die sich ändernden Proportionen nicht.

Ebenso wenig wird der Durchschnitt der natürlichen Fehlgeburten beachtet. Dieser liegt gemäss Mayo Clinic bei 10 bis 20 Prozent der bekannten Schwangerschaften. Meldungen aus der Datenbank Yellow Card bestätigen keinesfalls, dass diese vom Impfstoff verursacht wurden.

Die Britische Behörde empfiehlt die Impfung auch für Schwangere. Studien mit den Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna wurden in den USA durchgeführt. Dabei registrierten die Behörden keine nennenswerten Sicherheitsprobleme.

Die Daten aus Meldesystemen, die zur frühzeitigen Erfassung von seltenen Nebenwirkungen dienen, werden immer wieder falsch interpretiert. Bereits in einem früheren Faktencheck hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) Falschinterpretationen aus der britischen Yellow Card Datenbank entlarvt. Auch Daten aus der EudraVigilance von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurden bereits falsch ausgelegt, ebenso solche aus der US-Datenbank Vaccine Adverse Event Reporting System (Vaers).

(Stand: 20.6.2021) 

Links

Facebook-Post (archiviert)

Artikel «Daily Expose», 21.03.2021 (archiviert)

Artikel «Uncut News», 30.03.2021 (archiviert)

Seiten der Britischen Behörde:

- About Yellow Card: Covid19 (archiviert)

- About Yellow Card (archiviert)

- Impfstrategie, 13.01.2021 (archiviert)

- Impfstrategie für Schwangere, 09.06.2021 (archiviert)

Report MHRA mit den Daten aus «Yellow Card»-Datenbank:

- Pfizer, Report 31.01.2021 (archiviert)

- Pfizer, Report 16.03.2021 (archiviert)

- AstraZeneca, Report 28.01.2021 (archiviert)

- AstraZeneca, Report 16.03.2021 (archiviert)

Maco Clinic: Fehlgeburt (archiviert)

Faktencheck dpa:

- Hebräischer Artikel belegt keine Zunahme von Fehlgeburten in Israel

- Zahlen zu Fehlgeburten falsch interpretiert

- Liste der Europäischen Arzneimittel-Agentur zeigt Verdachtsfälle

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-schweiz@dpa.com