Indien wehrt sich gegen den Begriff «indische Variante», bezweifelt aber nicht die Existenz der Mutation

24.06.2021, 11:15 (CEST)

Seit langem werden Viren der Einfachheit halber nach Ländern und Regionen benannt, in denen sie zuerst entdeckt wurden. Indien will den Begriff «indische Variante» aber aus Imagegründen aus der Welt schaffen. In den sozialen Medien (hier archiviert) wird nun mehrfach behauptet, es gebe gar keine indische Corona-Variante. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kenne keine indische Variante mit der Bezeichnung B.1.617. Ein Schreiben des indischen Ministeriums für Elektronik und Informationstechnologie soll die These belegen.

BEWERTUNG

Indien bestreitet nicht die Existenz der Variante B.1.617. Die Behörde wehrt sich lediglich gegen den Begriff «indische Variante». Stattdessen soll die offizielle wissenschaftliche Bezeichnung verwendet werden. 

FAKTEN

Das indische Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie veröffentlichte am 21. Mai 2021 ein Schreiben, das die sozialen Medien adressiert. Die Behörde bittet die Plattformen, Beiträge mit der Bezeichnung «indische Variante» zu entfernen. Die Mitteilung weist ebenso darauf hin, dass die WHO den Begriff «indische Variante» nicht mit B.1.617 verbinde.

Das Schreiben verweist auf eine Pressemitteilung des indischen Gesundheitsministeriums vom 12. Mai 2021. Darin heisst es, die WHO habe B.1.617 als weltweit besorgniserregende Variante eingestuft. Die Existenz dieser zuerst in Indien entdeckten Mutation bestreitet die indische Behörde nirgends. Es geht lediglich um die Bezeichnung.

Eine Google-Recherche zeigt, dass die WHO den Begriff «indische Variante» verwendet hat, wenn auch sehr selten. Mehrheitlich wird von der «Variante, die ursprünglich in Indien identifiziert wurde», gesprochen.

Ende Mai veröffentlichte die WHO eine Medienmitteilung zur Namensgebung der Sars-CoV-2-Varianten. Neu werden diese nach dem griechischen Alphabet bezeichnet. Dies dient als Erleichterung, da die komplizierten wissenschaftlichen Namen bei Berichterstattungen fehleranfälliger sind.

Zudem soll damit eine Stigmatisierung und Diskriminierung der betroffenen Länder und Regionen sowie deren Bevölkerung vermieden werden. Wie Brigitte Nerlich von der Universität in Nottingham bereits im Februar schrieb, eignen sich länderspezifische Namen für «negatives Framing». Diese können mit ausländer- und migrantenfeindlichen Einstellungen einhergehen.

(Stand: 24.6.2021) 

Links

Facebook-Post (archiviert)

Mitteilungen der indischen Behörde:

Mitteilung des Ministeriums für Elektronik und Informationstechnologie, 21.05.2021 (archiviert)

Mitteilung des Gesundheits und Familienministeriums, 12.05.2021 (archiviert)

Google-Recherche (archiviert)

WHO zur Namensgebung der Corona-Varianten:

- Medienmitteilung, 31.05.2021 (archiviert)

- Übersicht der Varianten (archiviert)

- Q&A zu den Covid-Varianten (archiviert)

Artikel aus «Nature Microbiology», 09.06.2021 (archiviert)

Artikel der Universität Nottingham, 19.02.2021 (archiviert)

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