Tod von US-Jugendlichen durch Covid-19-Impfstoffe nicht bewiesen

09.07.2021, 14:28 (CEST)

Sind in den Vereinigten Staaten tatsächlich Minderjährige und Kleinkinder an Covid-19-Vakzinen verstorben, wie auf Facebook (hier archiviert) behauptet wird? Der Artikel mit dem Titel «Zwei Kleinkinder, ein Teenager starben nach dem Erhalt der experimentellen Covid-19-Vakzine» schildert den Tod eines 15-Jährigen aus Colorado. Er soll keine Vorerkrankungen gehabt haben und zwei Tage nach der Injektion mit dem Pfizer/Biontech-Impfstoff an einem Herzinfarkt gestorben sein. Zudem soll ein einjähriger Junge aus Florida zwei Tage nach der Impfung mit dem Präparat des Herstellers Moderna verstorben sein. Ein kleines Mädchen aus Virginia soll fünf Tage nach der Impfung mit Pfizer/Biontech dasselbe Schicksal erlitten haben.

BEWERTUNG

Zum Zeitpunkt der Todesfälle waren die Covid-Impfstoffe noch gar nicht für diese Altersgruppen freigegeben. Zudem: auf die US-Datenbank zur Erfassung von Impf-Nebenwirkungen (VAERS-System) hat jeder Zugriff. Daher sind die Daten mit Vorsicht zu interpretieren. Nur eine wissenschaftliche Untersuchung kann einen kausalen Zusammenhang von Todesfällen und Corona-Impfungen belegen.

FAKTEN

Der Artikel aus dem «Fort Fairfield Journal» vom 19. Mai 2021 berichtet über den angeblichen Tod zweier Babys und eines Teenagers, nachdem sie den Covid-19-Impfstoff erhalten hätten. Die Aussage stützt sich auf Angaben, die der Datenbank «Vaccine Adverse Event Reporting System» (VAERS) entnommen wurden.

Die US-Datenbank dient der Erfassung unerwünschter Nebenwirkungen nach Erhalt von zugelassenen Impfstoffen. Damit sollen unerwartete Muster von unerwünschten Ereignissen erkannt werden, um auf mögliche Sicherheitsprobleme bei Impfstoffen frühzeitig hinzuweisen. Wie die Webseite schreibt, kann jeder bei VAERS eine entsprechende Meldung abgeben. Mitarbeitende im Gesundheitswesen seien sogar verpflichtet, bestimmte Ereignisse zu erfassen. Das Meldesystem wird vom «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) und der US-amerikanischen «Food and Drug Administration» (FDA) verwaltet.

Die Betreiber warnen aber, dass Meldungen zu Nebenwirkungen in VAERS keinen Beweis für einen Zusammenhang mit Impfstoffen liefern. Es sind lediglich Hinweise darauf, dass ein Ereignis einige Zeit nach der Impfung aufgetreten ist. Die Daten können unvollständig, ungenau oder gar nicht überprüfbar sein. Folglich sind sie vorsichtig zu interpretieren. Etliche Artikel aus diversen Medien berichten über den Missbrauch der VAERS-Datenbank.

Zur Beobachtung der Impfsicherheit werden in Amerika weitere Systeme verwendet, schreibt Martha Sharan von CDC auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Namentlich sind das die Systeme «Vaccine Safety Datalink» (VSD), das «Clinical Immunization Safety Assessment»-Projekt (CISA) sowie «V-safe». VAERS diene als passives Erkennungssystem, um seltene Nebenwirkungen rasch zu erkennen und Sicherheitsexperten von CDC auf Sicherheitsprobleme aufmerksam zu machen, so die Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit.

Werden schwerwiegende Ereignisse wie Todesfälle gemeldet, gehen CDC-Experten diesen detaillierter nach und überprüfen die medizinischen Akten, Sterbeurkunden mit den Todesursachen sowie Autopsieberichte. VAERS sei allerdings nicht dazu geeignet, kausale Zusammenhänge zwischen Impfungen und einer spezifischen Nebenwirkung festzustellen, schreibt Sharan.

Das CDC deklariert Covid-Impfstoffe als sicher und wirksam. Die Behörde empfiehlt die Impfung für alle ab dem zwölften Lebensjahr. Im gleichen Schreiben wird darauf hingewiesen, dass VAERS Meldungen über unerwünschte Ereignisse nach der Impfung akzeptiert, auch wenn unklar ist, dass der Impfstoff das Ereignis verursacht hat.

Auch Meldungen der Datenbank EudraVigilance von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurden bereits falsch interpretiert, wie aus früheren Faktenchecks hervorgeht. Die für solche Datenbanken zuständigen Behörden weisen jeweils auf mögliche Fehlinterpretationen hin. Ein Nachweis über eine Nebenwirkung kausal zu einer Impfung kann nur wissenschaftlich erbracht werden.

Zu den geschilderten Todesfällen:

Der Tod des 15-jährigen Jungen aus Colorado soll sich im April 2021 ereignet haben. Zu diesem Zeitpunkt waren die Impfstoffe allerdings noch nicht für diese Altersklasse freigeben. Die FDA gab den Impfstoff von Pfizer/Biontech erst am 10. Mai 2021 für 12- bis 15-Jährige frei. Allerdings gab es vorher klinische Studien. Bei den Probanden wurden dieselben Nebenwirkungen registriert wie bei 16-Jährigen und älteren. Die Ergebnisse der Studie wurden am 27. Mai 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Wann genau sich die anderen Vorfälle ereignet haben sollen, geht nicht aus dem Artikel hervor. Einer Pressemitteilung von Biontech ist zu entnehmen, dass das Unternehmen seinen Covid-Impfstoff an Kindern ab dem sechsten Lebensmonat bis zum elften Lebensjahr untersuchen will. Dabei sollen die klinischen Tests erst bei der Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen durchgeführt werden, gefolgt von der Gruppe der Zwei- bis Fünfjährigen.

Am 11. Mai schrieb Biontech: «Darüber hinaus läuft die pädiatrische Studie zur Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit unseres Covid-19-Impfstoffs bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 11 Jahren.» Die endgültigen Ergebnisse für die Altersklasse der Zwei- bis Elfjährigen sollten im September vorliegen. Die Datenauswertung für die Kleinsten im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren ist für das vierte Quartal vorgesehen.

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat bereits in einem früheren Faktencheck den angeblichen Tod eines zweijährigen Mädchens im Februar 2021 widerlegt.

Sharan bestätigte, dass vor dem 19. April 2021 Kinder im Alter von 15 Jahren und jünger keine Berechtigung zu entsprechenden Impfungen gehabt hätten. Ab diesem Datum wurde der Covid-Impfstoff für alle US-Bürgerinnen und –Bürger ab 16 Jahren zugänglich.  

Zwischen dem 14. Dezember 2020 und dem 14. Juni wurden insgesamt 5343 Todesfälle bei VAERS gemeldet. Dabei wurde in keiner Untersuchung ein kausaler Zusammenhang mit den Covid-Vakzinen festgestellt. Jüngeren Berichten zufolge konnte aber ein plausibler Kausalzusammenhang von Blutgerinnseln mit dem Covid-Impfstoff von Johnson&Johnson festgestellt werden.

(Stand: 5.7.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Artikel bei «Fort Fairefield Journal», 19.05.2021 (archiviert)

Vaers: Hintergründe der Datenbank (archiviert)

Vaers: Disclaimer (archiviert)

FDA: Autorisiert Covid-Impfstoff für 12-15-Jährige , 10.05.2021 (archiviert)

Artikel über den Missbrauch von VAERS:

- Vice, 03.02.2021 (archiviert)

- Politifact, 03.05.2021 (archiviert)

CDC: Sicherheitshinweis der Covid-Vakzine, 14.06.2021 (archiviert)

CDC: Vaccine Safety Datalink (archiviert)

CDC: Clinical Immunization Safety Assessment (archiviert)

CDC: V-safe (archiviert)

CDC: Sicherheitshinweis zur Vakzine von Johnson & Johnson’s Janssen, 06.05.2021 (archiviert)

Pressemitteilung Biontech, 31.03.2021 (archiviert)

Pressemitteilung Biontech, 11.05.2021 (archiviert)

New England Journal of Medicine, 27.05.2021 (DOI: 10.1056/NEJMoa2107456) (archiviert)

Faktencheck dpa:

- «Keine Belege für angeblichen Tod einer Zweijährigen nach Impfung»

- «Liste der Europäischen ArzneimittelAgentur zeigt Verdachtsfälle»

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-schweiz@dpa.com