Liste der Europäischen Arzneimittel-Agentur zeigt Verdachtsfälle

31.05.2021, 12:29 (CEST)

Im deutschsprachigen Raum kursieren etliche falschen Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in Bezug auf Corona-Impfungen. Auffallend ist, dass dabei unter anderem Impfschäden mit Nebenwirkungen gleichgesetzt werden. So ist in einem Facebook-Post (hier archiviert) die Schlagzeile eines Artikels der Partei «Bündnis Zukunft Österreich» (BZÖ) in Kärnten zu sehen. Dort steht, die EMA melde 354 177 Impfschäden als Folge von Corona-Impfungen.

Bewertung

Diese Aussage ist falsch. Die EMA führt eine Datenbank mit den gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung stehen. Ein direkter Zusammenhang mit der Impfung ist jedoch nicht belegt. Die Daten sagen nichts aus über «Impfschäden», ebenso wenig zu Nebenwirkungen und Todesfällen, die tatsächlich auf eine Impf-Injektion zurückzuführen sind.

Fakten

Der Artikel der BZÖ stützt sich auf Zahlen der EMA vom 24. April 2021, wie den archivierten Auszügen der Datenbank EudraVgilance zu entnehmen ist: Moderna, Pfizer/Biontech, Astrazeneca, Jannsen.

Was im Artikel der BZÖ jedoch nicht berücksichtigt wird: Es handelt sich dabei um die Anzahl der gemeldeten Fälle, bei denen ein Symptom nach einer Corona-Impfung beobachtet wurde. Diese Verdachtsfälle werden von Arzneimittel-Regulierungsbehörden und pharmazeutische Unternehmen, die Zulassungsinhaber sind, der EMA gemeldet.

In der Datenbank werden Symptome zusammengetragen, die nach einer Einnahme oder Anwendung eines Arzneimittels beobachtet wurden. Für einen entsprechenden Eintrag muss kein wissenschaftlicher Beleg vorliegen, dass die Nebenwirkung im direkten Zusammenhang mit dem spezifischen Arzneimittel steht oder von ihm ausgelöst worden ist. Auch andere Faktoren können die Symptome ausgelöst haben. Die Daten zeigen somit keine «Impfschäden», sondern lediglich Verdachtsfälle von Nebenwirkungen.

Dies bestätigte eine Mediensprecherin der EMA gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Fallberichte von vermuteten Nebenwirkungen würden alleine selten ausreichen, um zu beweisen, dass eine bestimmte vermutete Reaktion tatsächlich durch ein bestimmtes Arzneimittel verursacht worden sei.

«Jeder Fallbericht sollte als Teil eines Puzzles gesehen werden, wobei alle verfügbaren Daten berücksichtigt werden müssen, um das Bild zu vervollständigen. Diese Daten umfassen […] klinische Studien, epidemiologische Studien und toxikologische Untersuchungen. Nur die Bewertung aller verfügbaren Daten erlaubt belastbare Schlussfolgerungen», so die Sprecherin. «Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu Arzneimitteln, die bereits länger auf dem Markt sind, werden weniger häufig gemeldet als solche zu neuen Arzneimitteln», stellte die Deutsche Apothekerzeitung bereits 2019 fest.

Die Datenbank EudraVigilance wird von der EMA betrieben, um «der Öffentlichkeit Zugang zu Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen […] zu gewähren». Die gesammelten Daten dienen der Nutzen-Risiken-Analyse bei der Entwicklung von Arzneimitteln und der Sicherheitsüberwachung nach ihrer Zulassung im Europäischen Wirtschaftsraum. Dies dient letztlich auch der Transparenz gegenüber der breiten Öffentlichkeit. Die Schweiz hat mit der EMA ebenfalls ein Abkommen zum Informationsaustausch zur Verbessrung der Arzneimittelüberwachung.

Impfschäden sind nicht mit Nebenwirkungen zu vergleichen. Bei Impfschäden handelt es sich laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) um «länger- oder langandauernde Schädigungen mit schweren gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Folgen für die geimpfte Person». Als schwerer Folgeschaden gilt, wenn jemand aufgrund der Impfung vorübergehend oder dauerhaft arbeitsunfähig wird. Dies kann eine Haftpflicht zur Folge haben.

Wie das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic im April 2021 schreibt, wurden in der Schweiz 1174 Verdachtsfälle von unerwünschten Wirkungen der Corona-Impfstoffe ausgewertet. Diese gäben allerdings keine Hinweise auf Sicherheitsprobleme der Vakzine. Deren Nutzen übersteige das Risiko.

Links

Facebook-Post (archiviert)

Bild (archiviert)

BZÖ-Artikel (archiviert)

Gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen von Biontech/Pfizer-Impfung (archiviert am 27.04.2021)

Gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen von Astrazeneca (archiviert am 27.04.2021)

Gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen von Moderna (archiviert am 27.04.2021)

Gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen von Janssen (archiviert am 27.04.2021)

Deutsche Apothekerzeitung zu Nebenwirkungen (archiviert)

EMA Hintergrund der Datenbank EudraVigilance (archiviert)

Zusammenarbeit EMA – Schweiz (archiviert)

Medienmitteilung Swissmedic, 22.07.2015 (archiviert)

BAG-Bulletin 3/2021 zu Impfschäden (Download) (archiviert)

Swissmedic: «Nebenwirkungen der Covid-19 Impfungen in der Schweiz», 09.04.2021 (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-schweiz@dpa.com