Behauptungen über Corona-Impfung in Pflegeheimen ohne Belege - Landkreis dementiert
8.2.2021, 13:07 (CET)
Gravierende Nebenwirkungen bei Corona-Impfungen, Missachtungen von Impfempfehlungen und ein überlastetes Gesundheitswesen - stimmen diese Vorwürfe? Eine auf Facebook (hier archiviert) verbreitete Sprachnachricht enthält eine ganze Reihe an Behauptungen über Komplikationen im Zusammenhang mit Corona-Impfungen in Pflegeheimen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen.
BEWERTUNG: Der Landkreis Düren in Nordrhein-Westfalen (NRW) weist die Behauptungen über viele schwere Komplikationen und vermehrte Rettungseinsätze nach Impfungen zurück: «An diesen Vorwürfen ist nichts dran.» Zudem halte man sich an Vorgaben des Robert Koch-Instituts zur Aufklärung über die Impfungen.
FAKTEN: Auf die anonymen Schilderungen hat der Landkreis mit einer Mitteilung unter anderem auf Facebook reagiert. Der Kreis prüfe die Herkunft der Sprachmitteilung und behalte sich rechtliche Schritte vor.
Mehrere Behauptungen in der auf Facebook verbreiteten Sprachnachricht sind falsch oder unbelegt:
1. Mitarbeiterinnen und Bewohner in einem Pflegeheim sollen «heftige Reaktionen auf die Impfung gezeigt» haben. In einer Einrichtung habe es gar einen Todesfall gegeben, über den ein Arzt gesagt habe, dass es sich um «eine Impfreaktion» handeln könne.
Zeitangaben in der Sprachnachricht deuten darauf hin, dass sie kurz nach Neujahr entstanden sein könnte. Wie der Landkreis Düren auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilt, hätten in den dortigen Pflegeheimen ab dem 28. Dezember Impfungen gegen Covid-19 stattgefunden. Die Erstimpfungen sind in den Einrichtungen inzwischen abgeschlossen (Stand: 20.01.2021).
Der Landrat und oberste Kommunalbeamte des Landkreises Düren, Wolfgang Spelthahn, teilte zu den Behauptungen auf Facebook mit: «Es hat die Fälle in der beschriebenen Form nicht gegeben.» Zudem schreibt der Landkreis: «Es ist nicht zu aussergewöhnlichen Auffälligkeiten gekommen.» Nach Angaben des Leiters des Gesundheitsamts sei es in den Heimen nur in wenigen Fällen bei den Behandelten «vorübergehend zu leichten Schmerzen im geimpften Arm, zu Müdigkeit oder zu ähnlichen leichten Erscheinungen gekommen». Alle Reaktionen seien harmlos gewesen.
Dass ein Arzt einen Zusammenhang zwischen dem Tod eines Bewohners und der Impfung hergestellt habe, stimme nicht. Den Angaben zufolge hatte der Verstorbene zudem «schwere Vorerkrankungen».
2. Bewohnerinnen und Bewohner seien geimpft worden, «ganz egal welche Erkrankungen, ganz egal, ob Allergien oder nicht», heisst es in der ominösen Sprachnachricht weiter. Über Allergien als mögliches Ausschlusskriterium soll das Gesundheitsamt demnach mitgeteilt haben: «Das ist aufgehoben, das gibt's nicht mehr.»
Tatsächlich gibt es in Deutschland bei Covid-19-Impfungen kein generelles Ausschlusskriterium für Allergiker. Nachdem es in Grossbritannien kurz nach dem Impfstart mit dem Impfstoff von Biontech und Pfizer einzelne allergische Reaktionen gegeben hatte, empfahlen die dortigen Behörden, Allergiker vorerst nicht zu impfen.
In Deutschland schreibt das für die Impfstoffzulassung zuständige Paul-Ehrlich-Institut, dass sich Allergikerinnen und Allergiker mit dem Impfstoff von Biontech und Pfizer impfen lassen können.
Der Kreis Düren betont auf dpa-Anfrage jedoch, dass nicht pauschal alle Heimbewohnerinnen ohne Rücksicht auf Vorerkrankungen und Allergien geimpft worden seien, sondern die Vorgaben des Robert Koch-Instituts berücksichtigt wurden. Vorgesehen sind etwa Aufklärungsgespräche unter anderem über mögliche Nebenwirkungen. Zudem können Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen - wie alle anderen Menschen - die Impfung auch ablehnen.
3. Angedeutet wird in der Facebook-Sprachnachricht, dass es durch viele schwere Nebenwirkungen bei den Impfungen zu langen Wartezeiten beim Rettungsdienst gekommen sei. Ein Mitarbeiter habe gesagt: «Sonntag haben sie hier in Düren angefangen zu impfen und seit Montag fahren sie alle Pflegeheime an und nehmen die Leute mit mit dieser Symptomatik.»
Ob sich ein Rettungsdienstmitarbeiter entsprechend geäussert hat, ist nicht überprüfbar. Der Kreis schreibt dazu jedoch auf Facebook: «Die Zahl der Rettungseinsätze in Pflegeeinrichtungen des Kreises Düren bewegt sich nach Impfungen nicht im auffälligen Bereich.»
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Links:
Facebook-Post: https://www.facebook.com/roger.bittel/posts/10222250884355007 (archiviert: https://archive.vn/xyll4 Audio: https://web.archive.org/web/20210120132445if_/https://www.facebook.com/roger.bittel/posts/10222250884355007)
Mitteilung des Kreises Düren: https://www.facebook.com/kreisdueren/posts/3641565969261096 (archiviert: https://archive.vn/zusKi)
dpa-Bericht über britische Empfehlung an Allergiker: https://www.apotheken-umschau.de/Coronavirus/London-Keine-Corona-Impfung-fuer-Leute-mit-signifikanten-Allergien-561619.html (archiviert: https://archive.vn/L0oSC)
Paul-Ehrlich-Institut über Impfungen bei Allergikern: https://www.pei.de/DE/newsroom/positionen/covid-19-impfstoffe/stellungnahme-allergiker.html (archiviert: https://archive.vn/ZRI5Z)
Aufklärungsmerkblatt des Robert Koch-Instituts: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-COVID-19/Aufklaerungsbogen-de.pdf?__blob=publicationFile (archiviert: http://dpaq.de/Z3zUs)
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